# taz.de -- Brasiliens Präsident in China: Lula und Xi kuscheln mit Distanz | |
> China und Brasilien wollen enger kooperieren. Es geht vor allem um die | |
> Wirtschaft, doch nicht nur. Im Westen wird die Annäherung kritisch | |
> gesehen. | |
Bild: Die Präsidenten Xi Jinping und Lula da Silva am 14. April in Peking | |
BERLIN taz | Niemand könne Brasilien verbieten, seine Beziehung zu China | |
auszubauen. Das betonte Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva am Freitag | |
bei einem Treffen mit Staatschef Xi Jinping in Peking. Am Nachmittag war | |
Lula von seinem Amtskollegen in der Großen Halle des Volkes in der | |
chinesischen Hauptstadt empfangen worden. | |
Die brasilianische Regierung gab 15 neue Abkommen zwischen den beiden | |
Ländern bekannt. Das Finanzministerium geht von einem Investitionsvolumen | |
von umgerechnet rund 900 Millionen Euro aus. Für Lula war das Treffen mit | |
Xi Jinping der krönende Abschluss einer Reise, die für beide Länder von | |
großer Bedeutung ist. | |
[1][Bereits am Dienstag war Lula nach China aufgebrochen – mit einer | |
beachtlichen Delegation]: Neben sieben Ministern, fünf Gouverneuren und | |
mehrere Abgeordneten waren auch 200 Unternehmer*innen an Bord. | |
Eigentlich wollte Lula, der einstige Gewerkschaftsführer, schon vor drei | |
Wochen nach China fahren, musste seine Reise aber wegen einer | |
Lungenentzündung verschieben. Dass er schnell einen neuen Termin fand und | |
nun vier Tage im Land bleibt, zeigt, wie wichtig ihm die Beziehung zu der | |
asiatischen Supermacht ist. | |
Für den brasilianischen Kolumnisten des Online-Portals UOL, Jamil Chade, | |
ist das Gipfeltreffen zwischen Xi und Lula „eine weitere Episode in der | |
Umgestaltung der internationalen Ordnung.“ Auch in China wurde Lulas Besuch | |
von führenden Politikern und den Staatsmedien fast schon überschwänglich | |
kommentiert. | |
Am Donnerstag besuchte Lula eine Firma des Technologie-Riesen Huawei in | |
Shanghai. Zu Beginn dieses Jahres hatten beide Länder bereits einen | |
Währungsvertrag abgeschlossen, um die Dominanz des US-Dollars zu verringern | |
und den bilateralen Handel zu erleichtern. | |
Auf einer Pressekonferenz sagte Lula: „Jeden Abend frage ich mich, warum | |
alle Länder ihren Handel auf den Dollar stützen müssen. Warum können wir | |
nicht auf der Grundlage unserer eigenen Währungen Handel treiben?“ | |
## Brasiliens wichtigster Handelspartner | |
Während Lulas früherer Amtszeiten zwischen 2003 und 2011 boomte die | |
brasilianische Wirtschaft, was vor allem den steigenden Rohstoffpreisen und | |
den Verkäufen an China zu verdanken war. Seit 2009 ist das Land Brasiliens | |
wichtigster Handelspartner. 2022 belief sich der bilaterale Handel auf 150 | |
Milliarden US-Dollar. | |
Brasilien exportiert vor allem Eisenerz, Sojabohnen und Rohöl nach China, | |
während das asiatische Land Halbleiterbauelemente liefert, aber auch massiv | |
in Infrastrukturprojekte investiert. Mit seiner Reise will Lula auch | |
Brücken wiederaufbauen, die vom rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro | |
und seiner pro-US-amerikanischen Außenpolitik eingerissen wurden. | |
Für [2][Lula, der seit 100 Tagen im Amt ist], ist die Reise auch | |
innenpolitisch wichtig. Um seine ehrgeizigen Wahlversprechen umsetzen zu | |
können – Verringerung der Armut, Investitionen in Bildung, mehr | |
Arbeitsplätze – ist er auf den einflussreichen Agrarsektor und gute | |
Beziehungen zu China angewiesen. Etliche Vertreter*innen des eigentlich | |
eher rechts stehenden Agrobusiness sind mit Lula in China unterwegs. | |
## Brasilien auf Äquidistanz zu Großmächten | |
Doch Lula stellte auch klar, dass die Beziehungen zwischen Brasilien und | |
China „über die Handelsfrage hinausgehen“ sollen. Er will sich zusammen mit | |
China für die Energiewende und die Verringerung der Schadstoffemissionen | |
einsetzen und die BRICS-Staatengruppe aufstrebender Volkswirtschaften | |
stärken, zu der auch China gehört. | |
Im Westen bereitet Brasiliens Nähe zu China vielen Sorgen, kommt Lulas | |
Reise doch zu einer Zeit zunehmender Spannungen. Gleichzeitig jedoch ist in | |
den sich zuspitzenden globalen Konflikten keine eindeutige Positionierung | |
von Lula zu erwarten. Seine Außenpolitik war schon immer durch eine | |
multipolare Taktik geprägt, mit dem Ziel, eine strategische Äquidistanz zu | |
den Großmächten zu bewahren. | |
Der 77-Jährige pflegt sowohl gute Beziehungen nach Peking als auch zur | |
Biden-Administration und der EU. [3][Ende Januar empfing Lula Bundeskanzler | |
Olaf Scholz in Brasilien], im Februar besuchte er Washington. | |
Bei seinem Treffen mit Xi Jinping am Freitag wollte Lula auch über den | |
[4][Ukraine-Krieg] sprechen. Der Politiker der Arbeiterpartei PT, der | |
Waffenlieferungen an die Ukraine eine kategorische Absage erteilt hat, | |
betonte zuletzt erneut, er wolle „an keinem Kalten Krieg“ teilnehmen. | |
Stattdessen hat er mehrfach angekündigt, einen „Friedensklub“ gründen zu | |
wollen und zusammen mit China als Vermittler auftreten zu wollen. Über eine | |
Konkretisierung dieser Pläne ist bislang nichts bekannt geworden. | |
14 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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