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# taz.de -- Fake News und Hass in Brasilien: Wie schützt man die Presse?
> Spätestens seit Bolsonaro prägen Hetze und Gewalt das Klima gegenüber
> Journalist:innen in Brasilien. Die neue Regierung steuert dem nun
> entgegen.
Bild: 8. Januar 2023: Bolsonaro-Fans geifen die Demokratie an – und 45 mal di…
Die Fakten sind eindeutig. „In den letzten vier Jahren sind die Angriffe
auf Pressevertreter:innen um 328 Prozent gestiegen. 2022 war mit 557
registrierten Angriffen auf Journalist:innen extrem“, so María
Esperidião. Die Direktorin der brasilianischen Vereinigung für
investigativen Journalismus (Abraji) ist froh, dass die Regierung seit dem
[1][8. Januar, dem Tag als Bolsonaro-Anhänger:innen durch das
Regierungsviertel in Brasilia marodierten], gegensteuert. „Allein an diesem
Tag und den beiden Folgetagen hat es 45 Angriffe auf
Berichterstatter:innen gegeben. Darauf hat das Justizministerium
reagiert und das war überfällig“, so Esperidião.
Am 16. Januar hatte Justizminister Flávio Dino die Gründung der
Beobachtungsstelle für Gewalt gegen Journalist:innen angekündigt, am 8.
Februar erfolgte die erste Sitzung der neuen Stelle, an der Abriji genauso
mitarbeiten wird wie die Organisation Reporter ohne Grenzen. „Die zentrale
Botschaft, die von der Gründung ausgeht, ist, dass die Sicherheit der
Journalist:innen für die neue Regierung Priorität hat. Nun müssen wir
gemeinsam sehen, wie wir das umsetzen“, schildert Esperidião die
Herausforderung.
Alles andere als einfach in einer polarisierten Gesellschaft, in der Fake
News und deren Verbreitung zum Instrumentarium des Systems Bolsonaro
gehören. Laut dem Institut Aos Fatos, das Fakten checkt, hat Brasiliens
Ex-Präsident in den 1.459 Tagen seiner Amtszeit 6.685 falsche oder
verzerrte Aussagen getätigt und dabei auch immer wieder demokratische
Institutionen wie den Obersten Gerichtshof angegriffen. Das seine Anhänger
dort am 8. Januar besonders rabiat randalierten war kein Zufall, sondern
direkte Folge des „Ökosystems der Desinformation“, wie der amtierende
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die anhaltenden Fake-News-Wellen nennt.
## YouTube, Telegram und die Bolsonaro-Söhne
Diese Wellen branden weiter, gestützt von einem komplexen
Kommunikationssystem aus Websites, Seiten in sozialen Netzwerken,
Youtube-Kanälen mit Hunderttausenden von Follower*innen und
organisierten Gruppen bei Kurznachrichtendiensten wie Whatsapp und nun
verstärkt auch Telegram.
Die Stars der Fake-News-Show sind die drei Söhne Bolsonaros: Eduardo,
Flávio und Carlos. Sie haben Schlüsselfunktionen inne. Sie bestimmen die
Narrative, sie prägen die Strategie der direkten digitalen Kommunikation,
die die Legitimität anderer politischer Akteur:innen, aber auch die von
demokratischen Institutionen wie dem Obersten Gerichtshofs untergraben
will. So analysiert es die linke Medienwissenschaftlerin Helena Martins.
Verbale Angriffe aus der Bolsonaro-Familie auf kritische
Journalist:innen wie Patricia Campos Mello, Constança Rezende oder
Glenn Greenwald, die für unbequeme Recherchen über die Aktivitäten der
Bolsonaros verantwortlich sind, gehören dazu. Sie haben dazu geführt, dass
Journalist:innen nicht nur in den sozialen Netzen Morddrohungen
erhielten, sondern auch auf offener Straße wie Leonardo Sakamoto von der
Nichtregierungsorganisation Repórter.
Dagegen will die Beobachtungsstelle nun aktiv werden. Momentan diskutiert
sie, mit welchen Instrumenten. Kampagnen in der Öffentlichkeit, um die
Bevölkerung, aber auch die Mitarbeiter:innen in den staatlichen
Institutionen zu sensibilisieren, gehören auf jeden Fall dazu, so Leticia
Kleim, Justizexpertin bei Abraji, die als Medienjuristin auch an der
Universität São Paulo lehrt. Auch das Klassifizieren von Informationen im
öffentlichen Interesse als geheim oder streng geheim, unter der
Bolsonaro-Regierung gang und gäbe, werde es nicht mehr geben. „Das war mit
dem Gesetz zur Informationsfreiheit nie vereinbar.“
Ob darüber hinaus auch die großen Plattformen wie Telegram, Whatsapp,
Instagram und Co. gesetzlich angehalten werden, Fake News zu unterbinden,
wie es Medienexpert:innen wie Helena Martins nach europäischem
Vorbild fordern, ist derzeit noch offen. Ein Grund für diese Unsicherheit
dürfte sein, dass die konservative Koalitionspartnerin União Brasil das
Kommunikationsministerium innehat.
Minister Paulo Pimenta hat aber immerhin schon die Neuausrichtung der
staatlichen Rundfunkgesellschaft EBC mitgetragen. Die hat eine komplett
neue Führungsspitze und soll in den kommenden Jahren zu einer
„internationalen Referenz für die Berichterstattung aus Brasilien“ werden,
so Pimenta. Der Minister nannte dabei etwas widerwillig [2][die britische
BBC] als Vorbild.
26 Mar 2023
## LINKS
[1] /Sturm-auf-Kongress-in-Brasilien/!5907328
[2] /BBC/!t5013742
## AUTOREN
Knut Henkel
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Schwerpunkt Pressefreiheit
Brasilien
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