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# taz.de -- Pressefreiheit in Bosnien: Mit Gewalt und Gesetz
> In Bosnien werden Journalisten angegriffen und ihre Autos beschädigt.
> Jetzt hetzt auch noch die Politik gegen die freie Presse.
Bild: Vor dem Parlament in Banja Luka zerbrechen Journalisten Bleistifte als Ze…
Es war ein milder Samstagabend, als die Gewalt über eine Gruppe von
Menschen in Banja Luka, der Hauptstadt des serbisch dominierten Teilstaates
in Bosnien und Herzegowina, hereinbrach. Sie wollten eigentlich nur an
einer LGBTQ+ Demonstration teilnehmen. Doch nachdem die Nachricht kam, die
für Sonntag angesetzte Demonstration sei verboten worden, versammelten sich
einige Dutzend Menschen im Büro der bosnischen Sektion von Transparency
International, um über die entstandene Lage zu beraten.
Gerade als die vor allem aus jungen Frauen und Journalisten bestehende
Gruppe das Gebäude verlassen wollte, wurde sie physisch angegriffen. Die
Betroffenen berichteten, sie seien von mehreren Dutzend Männern unter
Beleidigungen und Beschimpfungen durch die Straßen gejagt worden. Eine
junge Frau schilderte, wie sie und ihr Freund am Boden liegend von den
Schlägern verletzt worden seien. Die Polizisten, die in der Nähe waren,
hätten nicht eingegriffen. Erst als einige der Betroffenen zur Wache kamen,
wurden ihre Aussagen aufgenommen. Danach behauptete die Polizei, sie fahnde
nach den Angreifern. Täter wurden bisher allerdings nicht aufgespürt, was
zu erwarten war.
Denn die politischen Autoritäten hatten schon im Vorfeld die Demonstration
der LGBTQ+ Community diffamiert und damit rechtsradikale Angreifer
ermutigt. Das Helsinki-Komitee für Menschenrechte kritisierte deshalb den
noch jungen und als Hoffnungsträger angetretenen Bürgermeister der Stadt,
Draško Stanivuković, scharf.
## Schutzwall für patriarchale Familienwerte
Der Bürgermeister wie [1][der Präsident des Teilstaates, Milorad Dodik,]
hatten im Vorfeld gegenüber der geplanten Demonstration erklärt, Banja Luka
sei ein Schutzwall, um die „patriarchalen, traditionellen Familienwerte“
der bosnischen Serben zu verteidigen. „Gehört es zu den traditionellen
Werten der bosnischen Serben, bosnische Mädchen zusammenzuschlagen?“,
fragte eine der Geschädigten.
Die Prügelei, die von oben angekündigt und sanktioniert war, hat nach
Meinung der Helsinki-Föderation eine Lynch-Atmosphäre gegen
„LGBTQ+-Aktivisten und Journalisten“ kreiert. Dabei werden bestehende
Gesetze nicht nur umgangen, sondern bewusst gebrochen. Milorad Dodik
erklärte, er hoffe, dass die Behörden sowohl ein Treffen im Freien wie auch
in geschlossenen Räumen verhinderten. Die Aktivisten sollten sich nicht
einmal in einem Raum treffen dürfen.
Dodik wolle jetzt die Grundlagen für eine ihm gegenüber kritiklose
Gesellschaft schaffen, kritisieren Journalisten in den immer noch
existierenden Onlinemagazinen. Kritischer Journalismus sei für Dodik nicht
mehr akzeptabel, vor allem, seit aufgedeckt wurde, dass es bei den Wahlen
im Herbst letzten Jahres zu entscheidenden Unregelmäßigkeiten gekommen war,
die seinen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen ermöglichten.
Diese Journalisten werden zunehmend zur Zielscheibe des „Volkszorns“. So
wurden ihre Autos beschädigt. Nikola Morača, Journalist von EuroBlic und
SrpskaInfo, und Aleksandar Trifunović, Chefredakteur des Onlinemagazins
Buka, fanden eines Morgens ihre Autos beschädigt vor.
## Dieselben Methoden seit 20 Jahren
Keine große Sache, nur Sachbeschädigung, könnte man denken. Doch man weiß
aus der Vergangenheit, dass so was Zeichen für gefährliche Angriffe sein
kann. Mit solchen Methoden werden schon seit 20 Jahren kritische Geister in
der serbischen Teilrepublik bedroht und zum Verlassen des Landes gezwungen.
Tanja Topić, eine bekannte politische Kommentatorin, weist darauf hin, dass
Dodik Gesetze vorbereite, die es Bürgern verbiete, mit ausländischen
Botschaften wie der amerikanischen oder der britischen in Kontakt zu
treten, weil diese immer wieder die Gesetzesübertretungen Dodiks
kritisierten.
Jetzt will Dodik ein Gesetz [2][nach russischem Vorbild] über die
Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen im Parlament der serbischen
Teilrepublik durchsetzen, wonach Kontakte zu NGOs und solche, die von
Ausländern finanziert werden, untersagt werden können. „Verleumdungen“
sollen mit hohen Geldbußen bis zu 60.000 Euro geahndet werden. Weder
einzelne Journalisten noch die Internetportale können in Bosnien solche
Summen aufbringen.
Die amerikanische und britische Botschaft protestieren zwar, doch die
EU-Mission in Bosnien wie auch der Hohe Repräsentant, [3][der Deutsche
Christian Schmidt,] haben bisher keine Strafen gegen Dodik ausgesprochen.
21 Mar 2023
## LINKS
[1] /Neue-Regierungskoalition-in-Bosnien-und-Herzegowina/!5908050
[2] /Kommentar-Gesetz-gegen-Agenten/!5462680
[3] /Boehmermann-Beitrag-zu-Bosnien-in-der-Kritik/!5915434
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
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