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# taz.de -- CO2-Steuer auf Fleisch: Es geht um die Wurst
> Die Grünen wollen, dass für Lebensmittel ein vom Treibhausgasausstoß
> abhängiger Zuschlag erhoben wird. Eine Wende nach dem Veggieday-Flop.
Bild: Könnte nach Meinung der Grünen eine teure Angelegenheit werden: die Wur…
Die Grünen wollen Fleisch und andere tierische Lebensmittel durch einen
Aufpreis für Treibhausgase verteuern. „Zu den Sektoren, die bislang nicht
durch den europäischen Emissionshandel erfasst werden, gehört auch die
Landwirtschaft. Wir führen die Bepreisung von Klimagasen daher auch für
landwirtschaftliche Produkte ein, angefangen mit tierischen Lebensmitteln“,
heißt es in einem bisher von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten
Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz von Mitte November. „Auch die
Landwirtschaft muss ihren Beitrag zum [1][Klimaschutz] leisten. Deshalb
sollte sie auch in die Bepreisung von Klimagasen miteinbezogen werden“,
sagte Ko-Parteichef Robert Habeck nun der taz.
Möglich wäre nach dem Wortlaut des Beschlusses, dass für den Ausstoß von
Treibhausgas entweder Zertifikate gekauft oder eine Steuer gezahlt werden.
Ein höherer Preis für besonders treibhausgasintensive Produkte soll den
Konsum reduzieren und so das Klima entlasten.
Die Agrarbranche verursacht nach Zahlen des Umweltbundesamts [2][direkt 7
Prozent] der deutschen Treibhausgase. Inklusive der durch die
Landwirtschaft bedingten Emissionen etwa in der Landnutzung, Kunstdünger-
und Pestizidproduktion sind es dem bundeseigenen
Thünen-Agrarforschungsinstitut zufolge [3][rund 14 Prozent]. Für ein
Kilogramm Rindfleisch wird laut Beratern des Landwirtschaftsministeriums
[4][23-mal so viel] ausgestoßen wie für die gleiche Menge Gemüse.
## Wie teuer Fleisch werden könnte, lassen die Grünen offen
Deshalb beschlossen die Grünen bei ihrem Bundesparteitag in Bielefeld,
nicht nur die Klimagas-Emissionen aus Verkehr und Wärme zu bepreisen,
sondern auch die aus der Landwirtschaft. „Der Beschluss kann als eine
Kehrtwende gelten, nachdem das Thema Konsum von Tierprodukten nach der
Veggieday-Kampagne der Springerpresse 2013 jahrelang in der Partei gemieden
wurde“, sagte der taz Philipp Bruck, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft
Tierschutzpolitik der Grünen und Abgeordneter im Bremer Landesparlament,
der [5][die Entscheidung] initiiert hatte. 2014 hatte die Partei sogar die
Aussage beschlossen, es sei ihr „herzlich egal“, ob „jemand [6][am
Donnerstag Fleisch] isst oder nicht“. „Heute sind Partei und Gesellschaft
weiter, eine Steuer oder Abgabe auf Fleisch und Milch löst keine Panik mehr
aus“, so Bruck.
Bereits im August hatte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der
Grünen im Bundestag, dafür plädiert, [7][die Mehrwertsteuer] auf Fleisch zu
erhöhen. Damit konnte sich der Abgeordnete in der Partei aber nicht
durchsetzen.
Wie stark sich zum Beispiel Fleisch durch den Klimaaufschlag verteuern
soll, lassen die Grünen noch offen. In ihrem Parteitagsbeschluss erwähnen
sie aber, dass der Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid laut
Umweltbundesamt Schäden in Höhe von 180 Euro verursache. Wenn der geplante
Aufpreis genauso hoch wäre, würden auf die rund [8][5 Kilogramm
CO2-Äquivalente für ein 250-Gramm-Stück Butter] 89 Cent fällig. Derzeit
kostet die Verbraucher ein Butterstück zum Beispiel 1,40 Euro. Sein Preis
stiege also um 64 Prozent auf rund 2,30 Euro. Auf 250 Gramm
Schweinefleisch, das etwa 2 Kilogramm Treibhausgas verursacht, würden 36
Cent erhoben.
## Unklar ist, was mit den Einnahmen passieren soll
Aus politischen Gründen könnte aber auch ein weit niedriger Klimagas-Preis
festgelegt werden. Für die Emissionen im Bereich Verkehr und Wärme schlagen
die Grünen vor, mit 40 Euro pro Tonne einzusteigen, um den Preis dann jedes
Jahr um 20 Euro zu erhöhen. Für Lebensmittel hat eine [9][Studie des
Thünen-Instituts] mit 60 US-Dollar (derzeit etwa 55 Euro) gerechnet. Damit
kamen die Forscher auf eine Reduktion des privaten Konsums von Rindfleisch
und Milcherzeugnissen in Deutschland um jeweils 5 Prozent. Die durch die
Landwirtschaft bedingten Emissionen würden demnach um 3,5 Prozent sinken.
Offen lassen die Grünen auch, was mit den Einnahmen passieren soll. In
ihren schon konkreteren Plänen für eine Klimakomponente bei Energiesteuern
auf Verkehr und Wärme sieht die Partei als sozialen Ausgleich ein
Energiegeld für alle Einwohner vor. Das wäre auch bei dem Klimaaufschlag
für tierische Lebensmittel denkbar. Möglich wäre ebenso, mit dem Geld
Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft zu unterstützen. Ko-Parteichef
Habeck tendiert dazu, vor allem die Landwirte zu bedenken. Das System
Klimagas-Bepreisung müsse „mit einer Reform der gemeinsamen Agrarpolitik
der EU und einem Umbauprogramm für Tierhaltung einhergehen“, sagte er der
taz. Im Parteitagsbeschluss ist dieses Junktim aber nicht enthalten.
Im Bundestag stehen die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Klimaaufpreis
auf Agrarprodukte weitgehend allein. „Bei 17 Millionen Hektar Nutzfläche
und Millionen Nutztieren sind die Methan- und Lachgasemissionen nicht exakt
mess- und damit qualifizierbar“, teilte Gitta Connemann,
Vize-Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU, der taz mit. Deshalb rate der
[10][Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen] vom Emissionshandel für die
Landwirtschaft ab. Man müsse auch erst mal klären, welchen Wert die Bindung
von Klimagasen durch Land- und Forstwirtschaft habe. „Wald, Grünland und Co
binden klimawirksam CO2. Beim Klimaschutz hilft auch die Bioenergie“, so
die Abgeordnete. Mais oder andere Pflanzen für die Energiegewinnung
anzubauen ist den wissenschaftlichen Beiräten für Agrar- und Waldpolitik
beim Bundeslandwirtschaftsministerium zufolge aber [11][“keine sinnvolle
Klimaschutzmaßnahme“], unter anderem, weil die Kosten im Vergleich zu
anderen Maßnahmen zu hoch sind.
## Parteien kritisieren Grünen-Vorstoß zur Fleischsteuer
„Das Abstellen der Grünen auf die Treibhausgase in der Tierhaltung greift
viel zu kurz“, sagt Matthias Miersch, stellvertretender Vorsitzender der
SPD-Bundestagsfraktion. Für die SPD habe vielmehr die Umstellung der Mittel
aus dem Agrarfördersystem der EU oberste Priorität.
„Wie die Grünen mit einer Treibhausgassteuer auf Fleischprodukte das
‚Klima‘ retten wollen, bleibt deren Geheimnis“, kritisierte der
agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka,
ohne diese Behauptung zu begründen. Linken-Parteichef Bernd Riexinger
schrieb der taz: „Den Vorschlag der Grünen, einen bereits gescheiterten
EU-Emissionshandel nun auch auf landwirtschaftliche Produkte anzuwenden und
über mögliche Steuern diejenigen zahlen zu lassen, die am wenigsten für den
Klimawandel können, halten wir für den falschen Weg.“
Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker,
erklärte: „Die Fleischerzeugung einseitig mit einem Klimaaufschlag zu
versehen und Verbraucher zusätzlich zu belasten, ohne über die Wirksamkeit
im Klaren zu sein, lehne ich entschieden ab.“ Statt zusätzliche Steuern und
Abgaben zu fordern, solle man über eine Ausweitung des Emissionshandels der
EU diskutieren, „die nicht nur Emissionen, sondern auch die
Bindungsleistung der Landwirtschaft berücksichtigt“.
18 Dec 2019
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[2] https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landw…
[3] https://www.maiskomitee.de/web/upload/pdf/zm/com0309.pdf
[4] http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/K…
[5] https://antraege.gruene.de/44bdk/Handeln__und_zwar_jetzt_Massnahmen_fuer_ei…
[6] /Ausrichtung-der-Gruenen/!5031408
[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article198104111/Fleischsteuer-Unio…
[8] https://www.bmel.de/DE/Ministerium/Organisation/Beiraete/_Texte/AgrVeroeffe…
[9] https://www.rentenbank.de/dokumente/Band-35-Herausforderung-Klimawandel.pdf
[10] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/no_cache/publikationen/sond…
[11] /Top-Agrarforscher-fordern-Klimaschutz/!5338019
## AUTOREN
Jost Maurin
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