# taz.de -- CDU wählt neuen Vorsitzenden: Sehnsucht nach dem vierten Mann | |
> Bald entscheidet die CDU, ob sie den Merkel-Kurs fortführt oder auf | |
> Friedrich Merz setzt. Manche wünschen sich gar eine weitere Option. | |
Bild: Im Dezember stellten sich die drei Kandidaten den Fragen der CDU-Mitglied… | |
Am nächsten Samstag wird erstmals in der Bundesrepublik ein Parteichef | |
[1][online gewählt]: Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen. | |
Die CDU begibt sich damit doppelt auf unvertrautes Gebiet. Die 1.001 | |
Delegierten werden nicht kollektiv gelungene Pointen in einer Rede bejubeln | |
oder ratlose Blicke tauschen, wenn ein Redner unsicher oder überfordert | |
wirkt. | |
In Hamburg, als Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 knapp gegen Friedrich Merz | |
gewann, gab die Enttäuschung mancher Delegierter über die fahrige Rede von | |
Merz den Ausschlag. Jetzt ist alles anders. | |
Andreas Rödder, Historiker in Mainz und CDU-Mitglied, sagt: „Es gibt keine | |
Meinungsbildungsprozesse am Rande des Parteitags. Die Delegierten bekommen | |
nicht mit, wie geredet wird und wie sich Stimmungen aufbauen. Niemand weiß, | |
welche Dynamik ein virtueller Parteitag entfalten wird.“ Nicht nur das | |
Format ist ungewohnt. Es steht eine [2][historische Richtungswahl] an: Wie | |
geht es nach Merkel weiter? | |
Armin Laschet, der Verbindliche, Ausgleichende, würde Merkels Mitte-Kurs | |
wohl fortsetzen. Friedrich Merz steht für einen kulturell konservativen, | |
wirtschaftspolitisch neoliberalen und stilistisch kantigen Kurs. Mehr CDU | |
pur – und mehr Polarisierung. Norbert Röttgen, forsch, intellektuell und | |
mit Außenseiterchancen, will eine modernere, weiblichere und digitale | |
Partei. | |
Für die CDU sind Kampfkandidaturen ungewohnt. Wenn man das Duell zwischen | |
Kramp-Karrenbauer und Merz beiseitelässt, muss man in der Parteigeschichte | |
sehr weit zurückblättern, um Vergleichbares zu finden: 1973 trat Helmut | |
Kohl gegen Rainer Barzel an. Die CDU kennt sich mit offen ausgetragener | |
Konkurrenz nicht aus. „Sie ist, sagt Rödder, „immer noch ein | |
Kanzlerwahlverein. Solche Richtungsentscheidungen sind untypisch für sie.“ | |
Dennis Radtke, EU-Abgeordneter aus Bochum, zögert indes keine Sekunde. | |
Natürlich Laschet, sagt er am Telefon. Er fährt gerade mit dem Auto von | |
Brüssel ins Ruhrgebiet zurück. Der Ministerpräsident von NRW habe „alle | |
Flügel und Vereinigungen der CDU in seine Regierung eingebunden und auch | |
das Vertrauen der Gewerkschaften und der Industrieverbände gewonnen“, sagt | |
der 41-Jährige. | |
Genau das sei nötig beim anstehenden ökologischen Umbau der Industrie. | |
Laschet, der Moderate, stehe für „eine Politik, die Strukturbrüche | |
vermeidet, und den Menschen Ängste nimmt“. Anders als Merz. „Ich bin | |
Laschet-Ultra“, sagt Radtke. | |
Radtke ist Vizechef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), | |
die offiziell für Laschet wirbt. Er hat neun Jahre lang als Bezirksleiter | |
der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gearbeitet und war bis | |
2002 in der SPD. Bei der CDA hat der unternehmernahe Merz, der noch bis | |
März 2020 Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist beim Vermögensverwalter | |
Blackrock in Deutschland war, schlechte Karten. CDA-Chef Karl-Josef Laumann | |
ist Arbeits- und Gesundheitsminister im Kabinett von Laschet. | |
Auch von Röttgen hält Radtke nicht viel. Wegen damals. 2010 kandidierten | |
Laschet und Röttgen schon mal gegeneinander – um den Chefposten der CDU in | |
NRW. Röttgen gewann – und verlor danach die Wahl gegen die SPD-Konkurrentin | |
Hannelore Kraft eindeutig. Radtke hatte damals Röttgen unterstützt. Das | |
hält er im Rückblick für einen Fehler. | |
Röttgen ging nach dem Desaster bei der NRW-Wahl 2012 nach Berlin – das | |
haben viele Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen bis heute nicht | |
vergessen. Röttgen sei eben nur „ein politischer Einzelkämpfer“, so Radtk… | |
Anders als Laschet, der nach dem Röttgen-Debakel 2012 die Scherben | |
zusammengekehrt und die CDU an Rhein und Ruhr „wieder aufgerichtet“ habe. | |
Sylvia Pantel, Bundestagsabgeordnete aus Düsseldorf, zögert bei der Wahl | |
zwischen Merz und Laschet auch nicht. Natürlich Merz, sagt sie in ihrem | |
Berliner Bundestagsbüro. „Gerade zur Bewältigung der Folgen der Pandemie | |
brauchen wir seine Wirtschaftskompetenz“, so die 60-Jährige. | |
Steuererhöhungen zur Finanzierung der massiv gestiegenen Staatsschulden | |
seien „der Tod“. Den Vorwurf, dass Merz ein verstaubtes Gesellschaftsbild | |
vertritt, kann Pantel nicht teilen. Der Sauerländer habe sich „deutlich für | |
eine stärkere Förderung von Frauen ausgesprochen“. | |
Merz hat in schlechtem 80er-Jahre-Stil kürzlich auf die Frage nach schwulen | |
Politikern verlauten lassen, dass dies kein Thema sei, „solange sich das im | |
Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft“. Die | |
prompte Verbindung von Homosexualität mit Pädophilie fanden viele | |
diskriminierend. | |
Pantel hält die Schwulen-Äußerung für ein Missverständnis: „Die Aussagen | |
von Merz, nach denen er Homosexualität mit Pädophilie in Verbindung | |
gebracht haben soll, sind in der Öffentlichkeit unglücklich und unzulässig | |
verknüpft worden“, sagt Pantel. Und: „Ich bin sicher, dass er niemanden | |
beleidigen wollte.“ | |
Pantel gehört zu dem kleinen, aber lauten rechten Flügel in der | |
CDU-Fraktion. Sie ist Chefin des konservativen „Berliner Kreises“, den | |
einst Alexander Gauland mit begründete, bevor der zur AfD wechselte. Pantel | |
hat gegen den Koalitionsvertrag und das Einwanderungsgesetz gestimmt und | |
bestreitet, dass der Islam zu Deutschland gehört. Sie gehört zur Kerntruppe | |
der Merz-Unterstützer. Und verkörpert in vielem das Gegenteil von Radtke, | |
der sozialen Ausgleich und gesellschaftliche Modernität will. | |
Pantel und Radtke, die Entschlossenen, sind dieser Tage allerdings nicht | |
typisch für die CDU in NRW. 298 Delegierte kommen aus dem | |
bevölkerungsreichsten Bundesland – knapp ein Drittel des Parteitages. Ein | |
Stimmungsbild der Delegierten zwischen Rhein und Ruhr zu entwerfen ist | |
nicht leicht, was auch damit zu tun hat, dass alle drei Kandidaten selbst | |
aus NRW kommen. | |
Die nordrhein-westfälische CDU-Zentrale in Düsseldorf gibt wie viele andere | |
Landesverbände die Namen der Delegierten nicht heraus. Die Wahl sei geheim, | |
heißt es lapidar. Die CDU in Warendorf, westfälisch-konservativ und wohl zu | |
Merz tendierend, weigert sich, eine Anfrage an Delegierte auch nur | |
weiterzuleiten. „Ich will meine Delegierten schützen“, erklärt | |
Kreisgeschäftsführer Martin Arnst. | |
Im Kreisverband Hochsauerland, wo Merz zu Hause ist, will sich kein | |
Delegierter und keine Delegierte gegenüber der taz offen zu Merz bekennen. | |
Auch in Röttgens Kreisverband Bonn stellt sich niemand offen hinter den | |
Ex-Bundesumweltminister. Kreisverbandschef Christos Katzidis erklärt zwar, | |
dass er beim Parteitag abstimmen wird – aber nicht, wo seine Sympathien | |
liegen. Katzidis ist Landtagsabgeordneter in Düsseldorf. | |
Die Vorsicht hat Gründe. In NRW will niemand gern auf der falschen Seite | |
gestanden haben. Die Delegierten sind keine einfachen Parteimitglieder, | |
sondern Funktionäre. Sie sitzen als Parlamentarier in Landtagen, im | |
Bundestag oder im Europaparlament. Viele sind BerufspolitikerInnen, die in | |
den Spitzengremien der Landesverbände verankert sind – und etwas zu | |
verlieren haben. | |
Daher rührt die Hemmung mancher, sich offen gegen den eigenen | |
Ministerpräsidenten zu stellen. Vor allem, wenn sie dem Kabinett oder der | |
Landtagsfraktion nahestehen. Laschet, der beim Management der | |
Coronapandemie oft unschlüssig wirkte, scheint seinen Landesverband recht | |
gut im Griff zu haben. | |
„Wer sich jetzt klar zu Röttgen bekennt, kann sich dadurch Wege verbauen“, | |
sagt Ulrich Lange, Bürgermeister im ostwestfälischen Bad Lippspringe und | |
damit politischer Beamter. „Ich habe in meinem Alter Rücksichtnahmen nicht | |
mehr nötig“, sagt der 56-Jährige, der auch Vizelandesvorsitzender der | |
einflussreichen CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) ist. | |
Die Entscheidung zwischen Laschet, Merz und Röttgen fällt Lange schwer. | |
„Ich schwanke, tendiere aber zu Röttgen“, sagt der Bürgermeister des | |
Kurorts am Teutoburger Wald. Röttgen erscheine ihm „frischer“ und | |
„schwungvoller“. Doch leider habe der smarte Außenpolitiker nur „geringe | |
Chancen“ auf den Bundesvorsitz. | |
Beim Hamburger Parteitag 2018 hat Lange noch Merz gewählt. Doch dessen | |
Auftritte in den letzten zwei Jahren hätten gezeigt, „dass er die CDU nicht | |
führen kann“. Ihm fehle einfach die „Integrationsfähigkeit“. | |
Die Befürchtung, womöglich Nachteile zu haben, wenn man zu laut für einen | |
Kandidaten trommelt, der dann verliert, ist nur die Oberfläche. Viele, die | |
öffentlich nichts sagen wollen, haben einen anderen Grund: Sie hadern noch | |
und wissen schlicht nicht, wen sie wählen werden. | |
Auch deshalb ist es so schwierig, solide zu prognostizieren, wer am 16. | |
Januar auf wen zählen kann. Viel ist noch in Bewegung. Laschet kann mit den | |
meisten Stimmen aus NRW und dem großen Landesverband Niedersachsen rechnen. | |
Der Sozialflügel und weite Teile des Parteiapparates wollen ihn. Röttgen | |
hat zwar in der Öffentlichkeit Punkte gemacht – aber keinen Landesverband | |
und keine Gruppe hinter sich. | |
Merz wird von den Ost-Landesverbänden unterstützt, die aber nur ein gutes | |
Zehntel der Delegierten stellen, dem Wirtschaftsflügel und der Jungen | |
Union. Das ist die Karte der Macht. Wenn man genau hinschaut, wird sie an | |
Rändern schnell unscharf. | |
Zum Beispiel in Baden-Württemberg. Der zweitgrößte Landesverband steht in | |
dem Ruf, eine feste Bastion für Merz zu sein. Dort sind der | |
Wirtschaftsflügel und die Mittelstandsvereinigung stark, die für den | |
Sauerländer wirbt. 154 Delegierte kommen aus dem Südwesten – immerhin halb | |
so viele wie aus NRW. Die CDU-Spitze in Stuttgart hat sich geschlossen für | |
Friedrich Merz ausgesprochen – allerdings noch vor Corona. | |
Thomas Strobl, CDU-Landesvorsitzender und Innenminister in Stuttgart, | |
glaubt, dass nur Merz mehr konservatives Profil bringt. Mit ihm werde die | |
CDU, so die Hoffnung der Konservativen, bei der Landtagswahl am 14. März | |
WählerInnen von der AfD zurückholen – und so die Grünen schlagen. Manuel | |
Hagel, der junge, konservative Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg, | |
glaubt an Merz, weil der „für Bürokratieabbau“ stehe. | |
Auch Susanne Eisenmann, die zum liberalen Flügel in der Union zählt und als | |
Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl den Grünen Kretschmann beerben will, | |
hat sich öffentlich für Merz ausgesprochen. Eisenmanns Merz-Begeisterung | |
hat taktische Gründe. Es ist ein freundliches Signal an die Konservativen | |
in der eigenen Partei, das nicht viel kostet. | |
Bedeutet das 154 Stimmen für Merz? Kaum. Das einmütige Votum der Spitze für | |
Merz kam in der Partei nicht so gut an. Der Sozialflügel der Union und die | |
Frauenunion protestierten gegen die Festlegung. Auch, ob die Gleichung | |
wirtschaftsnah und pro Merz wirklich stimmt, ist fraglich. Blackrock gilt | |
bei Familienunternehmen im Ländle nicht unbedingt als Ausweis soliden | |
Wirtschaftens. | |
## Alte Trennlinien sind brüchig | |
Das Bild in Baden-Württemberg ist kurz vor dem Parteitag also nicht | |
monochrom. Generalsekretär Hagel betont, dass die Äußerungen der | |
Spitzen-CDUler nur Meinungsäußerungen waren und keine Festlegung für die | |
154 Delegierten aus dem Südwesten bedeuten. „Es gibt keinen Beschluss des | |
Landesvorstands“, sagt Hagel der taz. Er schätzt nach Gesprächen in den | |
letzten Wochen, dass die Südwest-Delegierten auf dem Parteitag zu zwei | |
Drittel für Merz stimmen werden. | |
Die alten Trennlinien zwischen konservativ und modern sind brüchig | |
geworden. Das sieht man mehr als anderswo in Hessen. Früher war hier mal | |
die konservative Stahlhelm-Fraktion zu Hause. Doch da bereits seit 2013 | |
friedlich Schwarz-Grün regiert, ist von der zackigen alten Dregger-Union | |
nicht mehr viel übrig. | |
Ein Beispiel: Christean Wagner, rechter Flügelmann, Merz-Unterstützer und | |
Mitbegründer des „Berliner Kreises“, ist bei der Wahl für die Delegierten | |
durchgefallen. Das sei ein Signal gegen Quertreiberei, heißt es in der | |
Hessen-CDU. Volker Bouffier, CDU-Ministerpräsident, hält Merz schlicht für | |
den falschen Kandidaten. | |
Denn der polarisiert mit seinen markigen Sprüchen über Schwule und die | |
Deutschen, die sich in Coronazeiten das Arbeiten abgewöhnen würden, nicht | |
nur die Öffentlichkeit – sondern auch die Union in Hardcore-Fans und | |
entschiedene Gegner. Die befürchten, dass Merz, egozentrisch und | |
beratungsresistent, das Erfolgsrezept der vergangenen 15 Jahre aufgeben und | |
die Mitte der Gesellschaft räumen wird. Merz wird die Merkel-WählerInnen in | |
die Arme von SPD und Grünen treiben. | |
So sieht es zum Beispiel Manfred Pentz, 40 Jahre alt, Landtagsabgeordneter | |
aus Darmstadt und seit sechs Jahren Bouffiers loyaler Generalsekretär. Der | |
40-Jährige versucht gerade, den im März anstehenden Kommunalwahlkampf zu | |
planen – unter Coronabedingungen eine echte Herausforderung, die, so sieht | |
er es, mit einem Parteichef Merz noch schwieriger würde. | |
„Über Friedrich Merz ist die Zeit hinweggegangen. Mit ihm als Vorsitzendem | |
besteht die Gefahr, dass die CDU künftig, wie heute schon die SPD, ein | |
Nischendasein erwartet“, sagt Pentz, der alles andere als ein CDU-Linker | |
ist. Ein Ende wie die SPD – das ist so ziemlich das Schlimmste, was man der | |
Union prophezeihen kann. | |
Merz hat natürlich auch in Hessen Fürsprecher. Die hessische | |
CDU-Mittelstandsvereinigung hat ihre Internetseite mit der Merz-Kampagne | |
verlinkt. „Fast 2.000 Unternehmer und Führungskräfte der MIT Hessen sehen | |
in Friedrich Merz den Hoffnungsträger für unser Land“, heißt es da. | |
Wenn man mit einem Dutzend der 88 Delegierten aus Hessen spricht, gewinnt | |
man einen gemischten Eindruck. Die Zahl von Merz-Fans und -Gegnern scheint | |
recht ausgeglichen, die Merz-Fraktion jedoch etwas kleiner zu sein als noch | |
beim Hamburger Parteitag. | |
Dann wären da hessische CDUler wie Boris Rhein. Der 49-Jährige war | |
Innenminister in Hessen und ist nun Landtagspräsident. Rhein hat sich in | |
seiner Karriere einen Ruf als Konservativer und Law-and-Order-Mann | |
erarbeitet, der für Vorratsdatenspeicherung und mehr Rechte für die Polizei | |
ist. Also klare Sache – eine Stimme für Merz? Rhein zögert. Er schätze zwar | |
dessen Wirtschaftspolitik, und er gehöre „zu einer Strömung in der Partei, | |
der ich mich durchaus nahe fühlte“. | |
Doch: „Viele haben Zweifel, dass das ausreicht, ein Land zu führen, das | |
sich sehr schnell weiterentwickelt hat, das längst nicht mehr homogen, | |
sondern sehr divers geworden ist.“ Für Laschet findet er freundliche, aber | |
keine überschwänglichen Worte. Er weiß nicht, für wen er am 16. Januar an | |
seinem Computer abstimmen wird. Und sagt: „Ich bezweifle zunehmend, dass | |
noch ein weiterer Kandidat hinzukommt, der das Dilemma auflöst.“ | |
Die Unsicherheit von Boris Rhein verdeutlicht den Wandel der CDU. Die | |
postideologische Merkel-Ära hat auch die Union durchgefärbt. Weil sich die | |
klaren innerparteilichen Linien und Fronten aufgelöst haben, bilden sich | |
auch jetzt nur schwerfällig Lager mit klaren Präferenzen für die Kandidaten | |
heraus. Wo nur Pragmatismus regiert, wird es schnell etwas nebelig. Und im | |
Nebel ist es schwierig, den Weg zu erkennen. | |
Hinzu kommen die sichtbaren, wenig vertrauenswürdigen Schwächen der drei | |
Kandidaten. „Merz trifft bei den Parteifunktionären auf viel Skepsis. Gegen | |
Röttgen spricht die verlorene NRW-Wahl 2012 und der Zweifel, ob er | |
teamfähig ist. Und bei Laschet fürchten manche, dass sein Pragmatismus zu | |
konturlos ist und er unter Druck unsouverän wirkt“, sagt Historiker Andreas | |
Rödder. Auch Bürgermeister Lange, der wohl Röttgen wählen wird, meint: „W… | |
haben keinen optimalen Kandidaten. Als Führungsfigur sehe ich alle drei | |
nicht“, sagt er. | |
Diese Unzufriedenheit ist die Quelle der Sehnsucht nach dem vierten Mann – | |
nach Jens Spahn, der Laschet unterstützt. Viele wünschen sich hinter | |
vorgehaltener Hand den Gesundheitsminister als CDU-Chef. Spahn gilt als | |
konservativ, aber auch als pragmatisch. So scheint er die wundersame | |
Auflösung der inneren Widersprüche der Post-Merkel-CDU zu repräsentieren. | |
Spahn, so die Hoffnung seiner Unterstützer, würde nicht wie Laschet Merkels | |
erfolgreichen Mitte-Kurs bloß fortsetzen, der die CDU programmatisch | |
ausgewaschen hat. Er würde aber erst recht nicht, wie bei Merz zu | |
befürchten ist, rabiat damit brechen. | |
[3][Laut Spiegel ] soll Spahn selbst in den vergangenen Wochen seine | |
Chancen auf die Kanzlerkandidatur ausgelotet haben. | |
Bei der Spahn-Begeisterung ist indes Projektion im Spiel: Gerade weil er | |
nicht kandidiert, scheint er besonders vielversprechend zu sein. Und auch | |
die Spahn-Fans wissen, dass ein Putsch gegen Laschet im letzten Moment | |
Verrat wäre. Ein Verrat, der zerstören würde, was der nächste CDU-Chef | |
unbedingt braucht: Vertrauen. | |
10 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Machtkampf-um-Vorsitz/!5733692 | |
[2] /Fragerunde-mit-CDU-Vorsitz-Kandidaten/!5739358 | |
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-jens-spahn-sondierte-chancen… | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Andreas Wyputta | |
Benno Stieber | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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