| # taz.de -- Bundeswehr-Einsatz in Litauen: Noch mehr rechtsextreme Vorfälle | |
| > Geburtstagslieder für Hitler waren längst nicht alles: Schon seit Anfang | |
| > 2020 weiß die Bundeswehr von mutmaßlichen rassistischen Beleidigungen. | |
| Bild: Bundeswehrsoldaten in Rukla (Litauen) im Jahr 2019 | |
| Berlin taz | Für die Bundeswehr war der Donnerstag Reisetag. Ein ganzer | |
| Panzergrenadierzug, rund 30 Soldat*innen, musste aus dem Nato-Einsatz in | |
| Litauen vorzeitig nach Deutschland zurückkehren. Einen der Soldaten will | |
| das Ministerium so schnell wie möglich entlassen, weitere Ermittlungen | |
| laufen. Grund dafür sind [1][Vorfälle, die schon vor Monaten stattgefunden | |
| haben sollen] und von denen das Verteidigungsministerium nach eigenen | |
| Angaben erst seit letzter Woche weiß: ein Geburtstagslied für Adolf Hitler, | |
| rassistische und sexistische Beleidigungen innerhalb der Einheit und eine | |
| sexuelle Nötigung auf einer Party. Ach ja: 569 Schuss Munition fehlen auch | |
| noch. | |
| „Die Entgleisungen beschädigen das Ansehen der Bundeswehr und Deutschlands. | |
| Das wird mit aller Härte bestraft werden“, kündigte Verteidigungsminister | |
| Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schon am Mittwoch an. Allerdings: | |
| Rechtsextreme Vorfälle unter in Litauen stationierten Soldat*innen gab | |
| es mutmaßlich schon früher. Mit voller Konsequenz hat die Bundeswehr darauf | |
| nicht reagiert. | |
| Nach Angaben des Verteidigungsministeriums weiß die Bundeswehr schon seit | |
| dem 4. Januar 2020 von Vorwürfen gegen einen ebenfalls in Rukla | |
| stationierten Soldaten. Er soll einen Kameraden „mehrfach verbal (im | |
| Zusammenhang mit der Hautfarbe des Betroffenen) beleidigt und bloßgestellt | |
| haben“. Die Bundeswehr geht dem Vorfall zwar nach, hat die Ermittlungen | |
| nach fast eineinhalb Jahren aber bis heute nicht abgeschlossen. Der | |
| Beschuldigte hat weiterhin Zugang zu Waffen. | |
| In einem zweiten Fall sollen im Sommer 2020 vier deutsche Soldaten im | |
| Raucherbereich vor der litauischen Kaserne „Tiergeräusche imitiert haben“, | |
| als ein schwarzer Soldat aus Frankreich an ihnen vorbeiging. Tatverdächtige | |
| konnten dem Ministerium zufolge nicht identifiziert werden, Konsequenzen | |
| gab es daher keine. | |
| ## Keine klare Linie | |
| Die beiden Vorfälle gehen aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf | |
| eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) hervor. Das | |
| Dokument liegt der taz vor. Jelpke hatte die Regierung nicht nur nach | |
| Ereignissen in Litauen gefragt, sondern nach Details zu allen mutmaßlich | |
| rechtsextremen Vorfällen, die der Bundeswehr im Jahr 2020 gemeldet wurden. | |
| Insgesamt handelt es sich um 229 Meldungen. | |
| In vielen Fällen gab es durchaus Konsequenzen, so wurden einige | |
| Soldat*innen beispielsweise entlassen, nachdem sie Hitlergrüße gezeigt | |
| haben. Eine klare Linie gibt es allerdings nicht. In anderen, | |
| vergleichbaren Fällen reagierte die Bundeswehr milder. | |
| In Minden hat ein betrunkener Soldat beispielsweise einen Kameraden | |
| rassistisch beleidigt und unter anderen als „Judennase“ bezeichnet. Obwohl | |
| sich der Vorwurf bestätigt hat, darf der Soldat weiterhin Waffen nutzen und | |
| Befehle erteilen. | |
| In Bad Salzungen wurde ein Soldat von Kameraden immer wieder mit Sätzen wie | |
| „Kanacke, verpiss dich!“ und „Für Menschen wie dich würde ich hier ein … | |
| aufbauen“ beleidigt. Auch körperlich wurde der Mann von anderen Soldaten | |
| angegriffen. Konsequenzen gab es allerdings nur für einen der Täter. Er | |
| musste eine Geldstrafe zahlen, hat aber ebenfalls noch Zugang zu Waffen und | |
| ist sogar weiter als Ausbilder tätig. | |
| ## Waffen für Uniter-Mitglied? | |
| Zu diesen bestätigten Fällen kommen weitere, bei denen der Wahrheitsgehalt | |
| der Vorwürfe laut Bundeswehr noch „offen“ ist, die Indizien aber sehr stark | |
| wiegen. So soll ein Soldat [2][Mitglied des Vereins Uniter sein]. Der | |
| Verfassungsschutz stuft den Mann als rechtsextrem ein. Die Bundeswehr weiß | |
| seit spätestens Dezember 2020 davon, hat bislang aber kein Verfahren | |
| eingeleitet. Auch dieser Soldat hat weiterhin Zugang zu Waffen. | |
| In der Antwort an Jelpke wehrt sich das Verteidigungsministerium trotzdem | |
| gegen Vorwürfe, nicht genug gegen Rechtsextreme zu tun. Man habe in den | |
| vergangenen Jahren „Maßnahmen ergriffen, um extremistische | |
| Erscheinungsformen in der Bundeswehr noch wirksamer zu bekämpfen“. | |
| Jelpke lässt das nicht gelten. „Solange die Bundeswehr Nazis an der Waffe | |
| ausbildet, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, ein | |
| Rechtsextremismusproblem zu haben“, sagte sie der taz. Ein Problem sei, | |
| dass Vorgesetzte vor Ort oft eigenständig über Konsequenzen entscheiden | |
| dürften. Auf sie sei nicht immer Verlass. „Das Problem muss durch | |
| eindeutige Vorgaben durch das Verteidigungsministerium gelöst werden.“ | |
| 17 Jun 2021 | |
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| Tobias Schulze | |
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