# taz.de -- Bürgermeisterstreit in Lichtenberg: Der letzte linke König | |
> Lichtenberg ist der letzte Berliner Bezirk, in dem die Linke noch den | |
> Bürgermeister stellen könnte. Doch auch die SPD erhebt Anspruch auf den | |
> Posten. | |
Bild: Der Lichtenberger Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) 2017 bei e… | |
BERLIN taz | In Lichtenberg gibt es einen Konflikt darüber, wer | |
Bezirksbürgermeister wird und das tief zerstrittene Bezirksamt einen kann. | |
Linke und SPD erheben beide Anspruch auf den Posten, die erstarkten Grünen | |
zieren sich noch, wem sie den Vorzug geben sollen. Nun wächst bei den | |
Linken offenbar die Sorge, ob die Partei in Berlin überhaupt noch einen | |
Bezirksbürgermeister stellen wird. | |
Denn in [1][Marzahn-Hellersdorf] und [2][Pankow], die bisher von linken | |
BürgermeisterInnen regiert wurden, lässt das Wahlergebnis das nicht mehr | |
zu. Ein Linken-Politiker, der anonym bleiben will, sagte der taz: „Es gibt | |
um den Vorschlag, die Linke in Lichtenberg soll eine Bürgermeisterin oder | |
einen Bürgermeister nominieren, die/der nicht aus dem Bezirk kommt und | |
darum dem vergifteten Klima gegenüber unbelastet ist.“ | |
Noch hält die Linke in Lichtenberg jedoch am bisherigen Amtsinhaber Michael | |
Grunst fest, wie die Linkenpolitikerin Kerstin Zimmer der taz sagte. | |
„Darüber sprechen wir gerade mit allen demokratischen Parteien.“ | |
Am 4. November konstituiert sich nicht nur das neue Abgeordnetenhaus. Auch | |
die meisten Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) treffen sich dann zum | |
ersten Mal in neuer Zusammensetzung und können die Bezirksämter wählen. | |
Oder auch nicht, wenn es keine Einigekeit gibt. „Ich glaube nicht, dass wir | |
da schon das Bezirksamt wählen“, sagt Kevin Hönicke (SPD), | |
stellvertretender Bürgermeister, der taz. | |
Zwar ist die stärkste Fraktion mit 15 von 55 Sitzen die Linke – und damit | |
stehen ihr zwei StadträtInnen sowie das Vorschlagsrecht auf den | |
Bezirksbürgermeister zu. Doch Letzterer muss nicht zwangsläufig von der | |
stärksten Fraktion kommen. Auch eine Zählgemeinschaft mehrerer Parteien, | |
die eine Mehrheit in der BVV haben, kann jemanden vorschlagen. Und die SPD | |
will über eine Zählgemeinschaft mit CDU und Grünen den bisherigen | |
Stellvertreter Hönicke zum Bürgermeister machen. „Wir führen | |
vertrauensvolle und konstruktive Gespräche mit allen Parteien außer der | |
AfD“, so Hönicke. | |
Also auch mit der Linken, denn eine rot-rot-grüne Zählgemeinschaft, dann | |
unter Führung der Linken, wäre ebenfalls möglich. Doch das Verhältnis | |
zwischen Linken und SPD im Ostbezirk als unterkühlt zu bezeichnen wäre eine | |
Untertreibung. Vor eineinhalb Jahren zog sich die damalige stellvertretende | |
Bürgermeisterin Birgit Monteiro (SPD) zurück, weil ihr Verhältnis zu Grunst | |
eisig war. Doch mit ihrem Nachfolger Hönicke läuft es kaum besser. | |
Die Grüne Daniela Ehlers spricht von „zwei Alphatieren, die ständig | |
aufeinander losgehen.“ Das „Männermachogehabe“, so Ehlers, tue dem Bezirk | |
nicht gut. Ihre Fraktion, die ihr Wahlergebnis mehr als verdoppelt hat und | |
damit erstmals in Lichtenberg eine Stadträtin benennen kann, wird dafür in | |
jedem Fall eine Frau nominieren. Das will auch die Linke für den ihr | |
zustehenden zweiten Stadtratsposten. „Vielleicht können zwei neue Frauen ja | |
für ein besseres Arbeitsklima sorgen“, hofft Zimmer. | |
Hönicke sagt, er und die SPD hätten vor allem bei der Planung von | |
Gewerbegebieten und der Schulplanung mit den Linken quergelegen. Doch für | |
alle diese Unterschiede hätte man mit gutem Willen Kompromisse finden | |
können. Die kamen nicht zustande, und daran gab man sich gegenseitig die | |
Schuld. Bereits getroffene Absprachen wurden nicht eingehalten, stattdessen | |
wollte man sich auf Kosten des jeweils anderen profilieren. | |
Für Hönicke stellt sich daher die Frage: „Warum soll das jetzt klappen, wo | |
mit den Grünen ein neuer Partner in die bisherige rot-rote Zählgemeinschaft | |
hinzukommt?“ Hinzu käme, so Hönicke, dass die gute Haushaltslage in der | |
Vergangenheit Konflikte entschärfen konnte. „Der Haushalt wird aber | |
schwieriger.“ | |
Die Grünen sind also in der Rolle des „Königmachers“, sie können entweder | |
Grunst oder Hönicke zum Bürgermeister küren. „Da sondieren wir noch, die | |
Entscheidung steht aus“, sagt Ehlers der taz. „Das hängt davon ab, mit wem | |
wir unsere Kernanliegen am besten umsetzen können.“ Den fahrradgerechten | |
Umbau des Bezirks beispielsweise hätten bisher alle anderen Parteien | |
blockiert. An feministischen Projekten und solchen gegen rechts dürfe auch | |
nicht gespart werden, so die Grüne. | |
Etwas ändern wird sich im Bezirk auch im [3][Umgang mit der AfD]. Zwar ist | |
deren Stimmanteil um ein Drittel auf 12 Prozent geschrumpft, doch sie darf | |
weiter einen Stadtrat stellen. Dessen Ressort hatten die anderen beim | |
letzten Mal geschrumpft: Er durfte sich um streunende Katzen und | |
Schrottautos kümmern. Das geht nicht mehr. Künftig sind alle Ressorts | |
landeseinheitlich zugeschnitten. | |
22 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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