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# taz.de -- Buch von Bob Dylan: Dem befreundeten Angler gewidmet
> Neverending Tour: Bob Dylan hört sich Songs von Kolleg:innen an und
> hält seine Gedanken darüber in der „Philosophie des modernen Songs“ fes…
Bild: Boxt im eigenen Gym: Bob Dylan (hier bei einem Konzert im Londoner Hyde P…
Bob Dylan hat ein Buch geschrieben. Sieht man von diversen Songeditionen
ab, ist es erst [1][das dritte eigenständige literarische Werk des
US-Weltstars]. Doch darüber sollten sich nur solche Leute mokieren, die bis
heute nicht verkraftet haben, dass der Musiker Dylan 2016 den
Literaturnobelpreis erhielt. It ain’t me.
„Die Philosophie des modernen Songs“ heißt es und hat den Anklang eines
geisteswissenschaftlichen Monumentalwerks, aber selbstverständlich hat der
81-jährige Künstler keine Monografie mit Überblick des Forschungsstands
plus Anmerkungsapparat vorgelegt. Eher ist es mehr. Teils finden sich
Listen über Sänger, die auf der Bühne weinen, und über Songs, die
klassischer Musik entspringen, ein Abriss der Filmgeschichte.
Vor allem aber sind es Essays über 66 Songs und ihre Interpreten – und
leider nur vier Interpretinnen –, die Dylan geprägt haben. Tatsächlich
erklärt der Singer-Songwriter darin populäre Musik so, dass sie allgemein
verständlich wird. Dabei ist beinah alles hier überraschend: Dass The Who
mit ihrem modernistischen Klassiker „My Generation“ und die Punkband The
Clash mit ihrem Hit „London Calling“ dabei sind. Dass mit freihändig
assoziierten Bebilderungen gearbeitet wird. Oder dass Songs der Beatles,
von Chuck Berry und Woody Guthrie darin fehlen.
Dafür aber ist Domenico Modugno und sein Song „Volare“ vertreten.
Hierzulande meist [2][als italienischer Schlager] wahrgenommen, zeigt Dylan
an ihm exemplarisch die sekundäre Bedeutung von Sprache. Ein Song
überzeugt, gerade auch wenn man die Sprache, in der er gesungen wird, nicht
beherrscht. Fado etwa, so Dylan, sei auch dann traurig, „wenn man kein
Fitzelchen Portugiesisch kann“. Deutsch? „Wunderbar für eine bestimmte Art
von Bierzelt-Humptata“. Und das Italienisch von „Volare“? Weich,
karamellig, melodiös und nebenbei ein „perfektes Beispiel, dass man einfach
nur ‚oh, oh, oh‘ singen muss, wenn einem zu einer Melodie kein Text
einfällt“. But you don’t know what it is.
## „Volare“ und „Mack, the Knife“
Dylan nimmt sich Songs vor, lässt sie auf sich wirken und findet so heraus,
warum sie für ihn groß sind. „Volare“ ist eine Ausnahme, und auch Titel w…
das Brecht/Weillsche „Mack the Knife“, die Moritat von Mackie Messer, bei
Dylan in der Interpretation von US-Sänger Bobby. Darin vorgestellt,
fremdelt man ein wenig mit der Storyline.
Vielmehr setzt Dylan in seiner „Philosophie“ meist etwas fort, das er schon
seit vielen Jahren macht: Die Americana archivieren, diesmal überwiegend in
Songs des 20. Jahrhunderts. Schon Dylans „Theme Time Radio
Hour“-Radiosendungen und seine [3][autobiografischen Erinnerungen
„Chronicles 1“] stellen die US-amerikanische Musikgeschichte als das dar,
was sie ist: [4][ein gigantischer und noch gar nicht genug gewürdigter
Beitrag zum Weltkulturerbe].
## Willie Nelson, John Trudell und Dean Martin
„Pancho and Lefty“ von Willie Nelson, „Doesn’t Hurt Anymore“ von John
Trudell und „Blue Moon“ von Dean Martin illustrieren diesen Teil des
Anliegens bestens.
Wo steht in dieser Reihe eigentlich Dylan selbst? Über den britischen
Popstar Elvis Costello notiert er kritisch, dieser habe wohl „eine starke
Dosis ‚Subterranean Homesick Blues‘ intus“. Zu „Big Boss Man“ bemerkt
Dylan, Jimmy Reed spiele Mundharmonika mit Gestell, „aber mit einer
Mundharmonika auf einem Halter kann man nicht allzu viel anstellen“.
Und in seiner Analyse von „My Generation“ notiert Dylan: „In Wirklichkeit
bist du achtzig Jahre alt, ein alter Mann, der in einem Seniorenheim
herumgeschoben wird.“ Das alles darf man wohl als Selbstironie
interpretieren.
Allerbestenfalls skurril wirkt seine Forderung nach der polygamen Ehe. Auf
sie kommt er, weil er Scheidungsanwälte hasst. Einer Frau erginge es
besser, „wenn sie eine von vielen Frauen eines reichen Mannes wäre“,
fabuliert der zweimal geschiedene Dylan. Der Song, der ihn zu so etwas
animiert, ist „Cheaper to Keep Her“ von Südstaaten-Soulsänger Johnnie
Taylor.
Der nicht verheiratete Bob Dylan tourt immer noch nicht enden wollend durch
die Welt, with no direction home. Jüngst hat er in Deutschland binnen neun
Tagen sechs Konzerte absolviert. Er boxt im eigenen Gym, und eine seiner
Danksagungen für das Buch geht an einen Freund, mit dem er oft angeln geht.
Neben diesen durchaus zeitintensiven Haupt- und Nebentätigkeiten malt
Dylan, und aus altem Stahl schweißt, schraubt und hämmert er beeindruckende
Skulpturen. Schon recht früh hat er mit „Renaldo and Clara“ einen Spielfilm
geschaffen und in dem Film „Pat Garrett & Billy the Kid“ als Schauspieler
mitgewirkt. Ein Museum gibt es auch schon, das „Bob Dylan Center“ in Tulsa,
Oklahoma, und jetzt eben eine „Philosophie des modernen Songs“.
Wesentlich mehr künstlerischer Ausdruck als das, was Bob Dylan in über 60
Bühnen- und Künstlerjahren geleistet hat, dürfte kaum möglich sein. Und mit
Ausdruckstanz wird Dylan ja wohl kaum noch anfangen. Obwohl, in the jingle
jangle morning I’ll come following you.
17 Nov 2022
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## AUTOREN
Martin Krauss
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Musik
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