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# taz.de -- Nachruf auf Olivia Newton-John: Long live your love, Livvy!
> Olivia Newton-John war „Xanadu“, „You’re The One That I Want“ und
> „Physical“. Nun ist die Popsängerin im Alter von 73 Jahren gestorben. Ein
> Nachruf.
Bild: Olivia Newton-John im November 1982, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms als P…
Wer in den Siebzigern, was Coolness anbetrifft, entweder auf stärkste
Exzentrizität hielt oder einfach nur doof war, zur Pose unbegabt,
antwortete auf die Frage, wer die tollste Sängerin überhaupt sei, für jetzt
und alle Zeiten, nur dies: „Olivia Newton-John!“
Das war die in England geborene Australierin, die Bob Dylans Titel „If Not
For You“ 1971 [1][zum echten Brilli des Pop aufpeppte], die George
Harrisons [2][„What Is Life?“ auffönte] und 1974 für das United Kingdom
beim [3][Eurovision Song Contest mit „Long Live Love“] an den Start ging,
einer Hymne auf die Heilsarmee, von niemandem so recht bemerkt oder gar
kritisiert, die sie hasste, weil sie ein aufgebauscht-züchtiges
Babyblauabendkleid (nach einer Publikumsabstimmung, ob Hose oder Kleid) zu
tragen hatte – und weil sie auch das Lied nicht mochte.
Olivia Newton-John hatte eine außergewöhnlich helle, sehr schöne Stimme.
Livvy, wie ihre Fans sie nennen, war so ganz das „Mädchen von nebenan“,
eine Zuschreibung, die sie einerseits für sich als Person verharmlosend
fand, andererseits aber bejahte: „Tja, was soll ich sagen? Ich bin
freundlich, das ist doch nicht schlecht, oder?“
Ihr Showtalent blieb freilich unentdeckt, in den Zeiten des Rocks, später
des Glam oder gar des Punks war sie jene, die Kindern gefiel und deren
Eltern – aber nicht Heranwachsenden: Olivia Newton-John war die
skandalloseste Sängerin im Abermillionenumsatzsegment, verzweifelt von
ihren Produzenten (alles Männer) mal auf diese, mal auf jene Spur gesetzt.
## Sie war die freundliche junge Frau
Als diese Männer sie in den frühen bis mittleren Siebzigern in den Country
lancierten, sie als australische Migrantin also in Nashville unterbrachten,
protestierten die Granden des Fachs: So eine sei nicht glaubwürdig, nicht
lagerfeuermäßig genug imaginierbar. Dolly Parton und Loretta Lynn,
Königinnen in der Musik der sogenannten Cowboys, nahmen sie hingegen in
Schutz, noble Frauen schon immer, die wussten, wie männlichen
Reinheitsgeboten beizukommen ist, nur mit Protest.
Olivia Newton-John war die Enkelin des britischen Nobelpreisträgers Max
Born, eines Physikers, der als jüdischer Deutscher mit seiner Familie vor
den Nazis aus Deutschland fliehen musste. Ihre Kindheit verbrachte sie in
Cambridge, England. Mit ihrer Familie nach Australien ausgewandert, fühlte
sie sich, nicht untypisch für Frauen jener Jahre, für einen Berufsweg ins
Wissenschaftliche eher ungeeignet, sie traute es sich nicht zu. Also folgte
sie ihrer Lust an der Bühne, am Gesang, am Darstellerischen.
Irgendwann wurde sie tatsächlich ‚entdeckt‘, von Mitgliedern der
Cliff-Richard-Begleitband The Shadows. Der Rest ist Geschichte: Newton-John
wurde vielleicht gerade deshalb so überaus erfolgreich im Pop, weil sie
eben keine auf Anzüglichkeit und Zwiespältigkeit getrimmte Aura zu
verkörpern hatte. Sie war die freundliche junge Frau, die als Sängerin
erfolgreich sein kann – ohne Drogen- oder sonstige
Verruchtheitsaufregungen.
Insofern war es keineswegs Zufall, dass sie 1978 – auf dem Zenit des Punk
und des Pomp-Rock à la Genesis – der Rolle der Sandy zusagte, im Musical
„Grease“, neben John Travolta, der eben noch den Helden des ewig
unterschätzten Proletendiscofilms „Saturday Night Fever“ gespielt hatte.
Mit ihm intonierte [4][sie die entscheidende Tonspur „You’re The One That I
Want“.] Auf Youtube findet sich der Clip mit dem entscheidenden Ausschnitt
ihrer Performance, [5][in der sie es vom putzigen Entlein zur
selbstbestimmten Schwänin bringt].
## Die Popkritik mäkelte
Das nächste Musical, „Xanadu“, war künstlerisch nicht der Rede wert, aber
[6][ihr Titellied „Xanadu“] war die Antithese zu Weltschmerz- und
Apokalypsepop wie in den konventionellen und konfektionierten ästhetischen
Entwürfen von Supertramp, Al Stewart oder selbst Kate Bush: Olivia
Newton-John war vielleicht viel zu gutgelaunt, selbstbestimmt definierend,
dem Leben zugewandt, als dass sie mäkelige Rock- und Popkritik – die nie
auch nur ein gutes Haar an ihr gelten ließen, alles an ihr sei falsch und
flach – hätte interessieren müssen.
Olivia Newton-John hat noch weitere Relaunches hinter sich bringen müssen,
der zum Vamp wie in „Physical“ etwa. Es war die Ära der
Aerobic-Selbstoptimierungsstrategien, [7][wie man im Clip zum Song sehen
kann]. „Physical“ gefiel ihr am wenigsten, so sagte sie später: „Ich habe
mich da nicht so behaglich gefühlt.“
Sie war da längst zur Ikone geworden, ein Star, der keine Rechtfertigung
mehr braucht, schon gar nicht in all den Halls of Coolness. 1992 wurde bei
ihr erstmals Brustkrebs diagnostiziert. Sie bekämpfte ihre Erkrankung
intensiv, machte anderen Frauen mit dieser Diagnose Mut, gründete eine
Brustkrebsorganisation zur Förderung wissenschaftlicher Forschung zu diesem
Krankheitsfeld. Am Montag ist sie an den Folgen neuerlich wachsender, nicht
mehr zurückzudrängender böser Zellen auf ihrer Ranch in Kalifornien
gestorben. Sie hinterlässt eine trauernde Familie.
Freunde und Freundinnen kondolierten, [8][John Travolta], Dolly Parton und
viele andere – Barbra Streisand, die mit ihr befreundet war und selbst erst
80 Jahre alt ist, [9][schrieb auf Instagram]: „Zu jung, um diese Welt zu
verlassen.“ Olivia Newton-John, sie war eigentlich eine der wenigen echt
Coolen in ihrer Zeit: kaum beirrbar das Gute wollend.
9 Aug 2022
## LINKS
[1] xhttps://youtu.be/aJvwcpkBN3A
[2] https://youtu.be/149VAQRYRUM
[3] https://youtu.be/zhi6VlTRnvU
[4] /Duette-gegen-das-Erlebnisdefizit/!5733525
[5] https://www.youtube.com/watch?v=itRFjzQICJU
[6] https://youtu.be/cLi8fTlDEag
[7] https://www.youtube.com/watch?v=itRFjzQICJU
[8] https://www.instagram.com/p/ChAtHO1psCS/
[9] https://www.instagram.com/p/ChArKlmjhK1/
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Pop
Musical
Sängerin
wochentaz
Musik
Riot Grrrl
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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