# taz.de -- Boykott des Iran im Sport: Schutz der Athlet:innen | |
> Die Sportlerin Elnas Rekabi wurde mutmaßlich verschleppt, nachdem sie | |
> ohne Kopftuch kletterte. Warum werden Sanktionen im Sport so wenig | |
> diskutiert? | |
Bild: Im Netz wurde Elnas Rekabi als Heldin gefeiert | |
Die Solidarität mit Elnas Rekabi ist groß. In der Nacht zum Dienstag sollen | |
sich zahlreiche Iraner:innen zum Flughafen in Teheran aufgemacht haben, | |
um der Klettersportlerin den Rücken zu stärken und sie als neue Symbolfigur | |
der Frauenproteste zu feiern. Doch Sicherheitskräfte ließen an | |
Straßensperren in der Hauptstadt nur Menschen mit gültigen Flugtickets | |
durch. Die 34-jährige Rekabi hatte im Finale der Asienmeisterschaften in | |
Seoul die Kopfbedeckung abgenommen. | |
Die Kraft dieser Protestgeste spiegelte sich in den sozialen Netzwerken | |
wieder, [1][wo sie rasant verbreitet und bejubelt wurde]. Und zugleich | |
wächst die Sorge, welche Konsequenzen Elnas Rekabi für ihr Verhalten | |
befürchten muss. Die BBC berichtete, dass das iranische Kletterteam nach | |
dem Vorfall die Wettbewerbe in Südkorea vorzeitig verließ und umgehend nach | |
Teheran zurückreiste. Rekabi soll vorzeitig der Pass entzogen worden sein. | |
Die Gerüchteküche brodelt. | |
Der iranische Geheimdienst sowie Vertreter des Nationalen Olympischen | |
Komitees sollen bei der Rückführung der Sportler:innen involviert | |
gewesen sein. Die regimekritische Website [2][Iran Wire berichtete, die | |
Sportlerin sei auf dem Weg ins berüchtigte Evin-Gefängnis]. Am Dienstag | |
meldete sich dann Rekabi via Instagram zu Wort. [3][Sie habe versehentlich | |
das Kopftuch nicht getragen]. Es braucht viel Fantasie, um in diesen Zeiten | |
an ein solches Missgeschick zu glauben. Weniger Vorstellungskraft benötigt | |
man, um den massiven staatlichen Druck hinter diesem Statement zu sehen. | |
Groß ist momentan das Stimmengewirr. Aber wo ist eigentlich die Stimme der | |
Vertreter:innen des organisierten internationalen Sports geblieben? | |
Gern würde man hören, dass ihnen der Schutz ihrer Athlet:innen ein | |
vorrangiges Bedürfnis ist. Und das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen | |
Körper sollte doch sowieso lautstark verteidigt werden. | |
## Gespenstisch still bei der Fifa | |
Gespenstisch still ist es aber auch [4][im Hause der Fifa gewesen], als | |
prominente iranische Fußballer sich mit der Protestbewegung im Iran | |
solidarisiert haben und dann verhaftet oder wie der ehemalige | |
Bundesligaprofi [5][Ali Daei] von Staatsbehörden mit dem Entzug des | |
Personalausweises gegängelt wurden. Und auch auf die Forderung der | |
Frauenrechtsbewegung Open Stadiums an die Fifa, den Iran doch von der | |
Weltmeisterschaft in Katar auszuschließen, hat der Weltverband bislang | |
nicht reagiert. | |
Ob ein Ausschluss in diesem Fall die richtige Maßnahme wäre, darüber kann | |
man streiten. Schließlich würde den Auswahlspielern, die sich bereits | |
regimekritisch geäußert haben, eine große und einflussreiche Bühne genommen | |
werden, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Aber weshalb werden nicht | |
einmal die mildesten Sanktionsmöglichkeiten, die Verbannung nationaler | |
Symbolik wie Fahne und Nationalhymne etwa, so kurz vor dem Großereignis | |
diskutiert? | |
Der Internationale Judoverband hat im Fall des iranischen Judoka [6][Saeid | |
Mollaei] schon zu einer Zeit, als die Lage am persischen Golf noch nicht so | |
zugespitzt war, gezeigt, wie es gehen kann. Der iranische Judoverband | |
wollte seinen einstigen Weltmeister Mollaei bei der WM 2019 zur vorzeitigen | |
Aufgabe nötigen, um einen möglichen späteren Kampf gegen den Israeli Sagi | |
Muki zu verhindern. Mollaei, der dennoch antrat, machte dies selbst publik | |
und flüchtete nach dem Turnier nach Deutschland. | |
Der Weltverband suspendierte daraufhin unbefristet den iranischen Verband. | |
Nachdem das Internationale Sportschiedsgericht (CAS) dies für unrechtens | |
erklärte, begrenzte man die Sperre bis zum September 2023. Einen schweren | |
Bruch seiner Statuten sowie der „grundlegenden Prinzipien des Olympismus“ | |
wurde als Begründung angeführt. Offenkundig ist das damals wie heute so. | |
Kleinere internationale Sportverbände, deren öffentliche Wahrnehmung | |
geringer ist, tun sich gewiss leichter, klare Entscheidungen durchzusetzen. | |
Das Schweigen der Fifa und des IOC zu den Vorgängen im Iran ist allerdings | |
vielsagend. Die Sportler:innen [7][nicht nur im Iran] dürfen einmal mehr | |
mitbekommen, dass im Zweifelsfall ihre Unversehrtheit zweitrangig ist. | |
18 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/p/Cj2YZNIoXhh/ | |
[2] https://iranwire.com/en/politics/108685-iranwire-exclusive-iranian-athlete-… | |
[3] https://twitter.com/K_Willinger/status/1582297715740139521?s=20&t=sSKds… | |
[4] /Iranische-Fussballer-gegen-die-Regierung/!5882779 | |
[5] /Proteste-in-Iran/!5885325 | |
[6] /Sportkonflikt-Iran-gegen-Israel/!5787537 | |
[7] /Neue-EU-Sanktionen-gegen-Iran/!5885449 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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