# taz.de -- Bezirkswahl in Hamburg: Grüne eiskalt abserviert | |
> Bei der Bezirkswahl verlierend die Grünen Platz eins an den | |
> Koalitionspartner SPD, die selbst aber kaum zulegt. Gewinner sind BSW und | |
> Volt. | |
Bild: Lag's an ihr? Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) erfüllt in Vo… | |
HAMBURG taz | Dieser Wahlsonntag war ein schwarzer Tag für die Hamburger | |
Grünen. Die herben Verluste bei der Europawahl – fast ein Drittel der | |
Stimmenanteile – hätten sie vielleicht noch schönreden können, immerhin | |
bleiben die Grünen [1][mit 21,2 Prozent stärkste Kraft in der Stadt, | |
deutlich vor SPD und CDU]. Doch auch bei der Kommunalwahl hat es die Grünen | |
übel erwischt. | |
Fast acht Prozentpunkte haben sie [2][stadtweit verloren] gegenüber ihrem | |
Rekordergebnis von 2019 von 31,3 Prozent, bleiben aber in ihren urban | |
geprägten Hochburgen im Westen der Stadt stärkste Partei. Eingebüßt haben | |
sie diesen Status nur im Bezirk Mitte, wo sie eine mögliche grün geführte | |
Koalition gleich nach der Wahl 2019 verspielt hatten, indem sie sechs | |
Abgeordnete weggeekelt und [3][in die Arme der SPD getrieben] hatten. | |
Die schwersten Verluste mussten die Grünen in jenen östlichen und südlichen | |
Bezirken hinnehmen, zu denen Arbeiterquartiere ebenso gehören wie | |
Einfamilienhaussiedlungen bis hin zu eher ländlichen Gebieten: in Wandsbek | |
und Bergedorf um ein Drittel der Stimmenanteile, in Harburg sogar noch | |
mehr. In diesen Bezirken waren die Grünen 2019 erstmals über 20 Prozent | |
gekommen – und sie schienen ein Beleg dafür zu sein, dass die Strategie, | |
sich für neue Milieus in der politischen Mitte zu öffnen, | |
erfolgversprechend ist. | |
Dafür ist diese Bezirkswahl nun ein empfindlicher Dämpfer, der der Partei | |
mit Blick auf die Bürgerschaftswahl im kommenden März Kopfzerbrechen | |
bereiten muss. Viel mehr als die Europawahl, deren Ergebnisse traditionell | |
stärker von bundespolitischen Stimmungen geprägt sind. | |
## Die SPD legt kaum zu, ist aber wieder vorn | |
Innerhalb der rot-grünen Koalition wird die SPD in der verbleibenden | |
Regierungszeit nun noch robuster auftreten als bisher, da sie einen | |
offensichtlich angeschlagenen Partner an ihrer Seite sieht. Die eigenen | |
Ergebnisse indes geben weniger Anlass zur Kraftmeierei: Die | |
Sozialdemokraten haben zwar gut einen Prozentpunkt hinzugewonnen und sind | |
nun wieder stärkste kommunalpolitische Kraft in der Stadt – allerdings | |
waren die Vergleichszahlen von 2019 ein historisches Debakel, als die SPD | |
[4][um fast ein Drittel auf 24 Prozent abgestürzt] war. | |
Da taugt schon eher die Europawahl als Mutmacher: Da hat die SPD mit 18,7 | |
Prozent der Stimmen zwar gut einen Prozentpunkt verloren, stemmt sich aber | |
ziemlich solide gegen den desaströsen Bundestrend. | |
In Lauerstellung hinter den Rathaus-Koalitionären wartet die Hamburger CDU | |
auf ihre Chance, bei der nächsten Senatsbildung mitzureden. Die Bezirkswahl | |
darf sie als Achtungserfolg verbuchen, legte sie doch mit über drei | |
Prozentpunkten stärker zu als die SPD, in ihren Hochburgen an den | |
Stadträndern sogar um bis zu sechs Punkte. | |
Zusammen könnten CDU und SPD die rot-grünen Bündnisse in Wandsbek und | |
Harburg sowie die Ampel in Bergedorf ablösen und schon mal testen, ob die | |
Chemie auch für ein Senatsbündnis stimmt. Im Bezirk Nord würde dafür wohl | |
zusätzlich die FDP gebraucht, die nur leichte Verluste hinnehmen muss. Sie | |
rutscht zwar in einigen Bezirken unter fünf Prozent, wird aber in allen | |
Bezirksversammlungen vertreten sein, da nur eine Drei-Prozent-Hürde gilt. | |
## Volt fünfmal über fünf Prozent | |
Aus dem Stand über fünf Prozent gekommen ist die pro-europäische Partei | |
Volt in allen fünf Bezirken, in denen sie angetreten ist. Das könnte ein | |
Ansporn sein, es auch bei der Bürgerschaftswahl zu versuchen, auch wenn die | |
Newcomer von der zeitgleichen Europawahl profitiert haben dürften. Da hat | |
es die Hamburger [5][Spitzenkandidatin Nela Riehl] [6][ins Brüsseler | |
Parlament geschafft]. | |
Die Linke zeigt sich in Hamburg ziemlich stabil, verliert nur gut einen | |
Prozentpunkt und erreicht immer noch 9,5 Prozent der Stimmen. Doch die | |
große Unbekannte bleibt Sarah Wagenknecht: die Spalterin war mit ihrem | |
Bündnis BSW zur Bezirkswahl nicht angetreten. Was passieren könnte, wenn | |
sich das bis zur Bürgerschaftswahl ändert, lässt ein Blick aufs Hamburger | |
Europawahlergebnis ahnen: da fiel die Linke von 6,9 auf 5,1 Prozent zurück. | |
Das BSW kam aus dem Stand auf fast genauso viele Stimmen (4,9 Prozent) – | |
was aber auch zeigt, dass Wagenknecht nur den kleineren Teil ihrer Stimmen | |
ihrer Ex-Partei abgejagt hat. | |
Auch die AfD hat erstmals in allen Hamburger Bezirken über fünf Prozent | |
geholt, wobei sich auch hier eine Teilung in „zwei Hamburgs“ andeutet: In | |
den westlichen Bezirken liegt die AfD durchgängig unter sieben Prozent, im | |
Osten und Süden deutlich zweistellig bei bis zu 14 Prozent. | |
Transparenzhinweis: Nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses haben | |
wir einige Zahlenangaben geringfügig korrigiert. | |
10 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wahlen-hamburg.de/Europawahl_2024/ | |
[2] https://www.statistik-nord.de/wahlen/wahlen-in-hamburg/bezirksversammlungsw… | |
[3] /Nach-Islamismus-Vorwuerfen/!5628846 | |
[4] https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Wahlen/Hamburg/Bezirksver… | |
[5] /Volt-Spitzenkandidatin-Nela-Riehl/!6008558 | |
[6] /Volt-holt-drei-Sitze-bei-EU-Wahl/!6016753 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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