# taz.de -- Streit in der Hamburger SPD: Fraktion wirft fünf Abgeordnete raus | |
> Die Bezirksfraktion Harburg setzt ein Drittel ihrer Abgeordneten wegen | |
> Arbeitsverweigerung vor die Tür. Die Ausgeschlossenen sehen sich | |
> ausgegrenzt. | |
Bild: Eine rot-grün-rote Mehrheit ist hier nun futsch: Rathaus Harburg, in dem… | |
Hamburg taz | Die SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Hamburg-Harburg | |
hat am Donnerstagabend fünf ihrer 15 Mitglieder ausgeschlossen und verliert | |
damit den Status als stärkste Fraktion an die CDU. Der Fraktionsvorstand | |
wirft Genossen vor, die Arbeit der Fraktion durch Abwesenheit boykottiert | |
zu haben. Die Ausgeschlossenen weisen das zurück und kritisieren einen | |
autoritären Führungsstil in der Fraktion. | |
Der Streit zwischen der Mehrheit und der Minderheit zieht sich schon seit | |
Monaten hin. Seine Wurzeln reichen zurück in den Bezirkswahlkampf vor rund | |
einem Jahr, weiter noch in die Rivalität der verschiedenen Parteidistrikte | |
im Bezirk und die dortigen Machtwechsel, wo Mitglieder mit einem | |
Einwanderungshintergrund ans Ruder gekommen waren. | |
Bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Rausschmiss versuchen der | |
Fraktionsvorsitzenden Frank Richter und Natalia Sahling sowie die | |
Kreisvorsitzende Claudia Loss die Querelen im Kreisverband von denen der | |
Bezirksfraktion zu trennen. Der Rausschmiss habe allein mit der „kompletten | |
Arbeitsverweigerung“ der Fünf zu tun. | |
Über sechs Monate hinweg hätten sie nicht an Fraktionssitzungen | |
teilgenommen, und alle hätten an drei Sitzungen der Bezirksversammlung | |
hintereinander nicht teilgenommen. „Das kann nur als öffentliches Zeichen | |
verstanden werden“, sagt Richter. | |
## Politischer Flurschaden | |
Die Abwesenheit hatte auch politische Folgen. Zweimal seien deswegen | |
Abstimmungen verloren gegangen. Einmal habe die Gruppe offen gegen einen | |
SPD-Antrag gestimmt. Die geschlossene Abwesenheit so vieler Abgeordneter | |
habe zudem eine fatale Außenwirkung gehabt. | |
Besonders problematisch findet Richter, dass in dieser Zeit auch die | |
[1][Koalitionsverhandlungen der SPD mit den Grünen und der Linken] liefen. | |
Gemeinsam wollten sie eine [2][weitere Amtszeit für die Bezirksamtsleiterin | |
Sophie Fredenhagen (SPD) durchsetzen]. Nach Lesart Richters zog sie ihre | |
Bewerbung zurück, weil sie sich nicht aller SPD-Stimmen sicher sein konnte. | |
Das Auswahlverfahren für die Besetzung des Verwaltungspostens – einer Art | |
Bezirksbürgermeister – läuft. Können sich die Fraktionen in der | |
Bezirksversammlung nicht auf einen Kandidaten einigen, besetzt der | |
Hamburger Senat die Stelle. | |
Wegen der Defizite bei der Mitarbeit in der Fraktion zog die Mehrheit | |
mehrfach Konsequenzen. Zunächst wurde zwei Abgeordneten ihre Funktion als | |
Fachsprecher entzogen. Der Vorwurf: Wer nicht in den Fraktionssitzungen | |
erscheine, könne seine Arbeit auch nicht mit der Fraktion rückkoppeln. In | |
einem zweiten Schritt verloren alle dann ihre Sitze in den Ausschüssen, was | |
ihre Wirkungsmöglichkeiten stark einschränkt. | |
Dass sich einer der fünf Abgeordneten, der 18-jährige Markus Sass, Ende | |
April offen und erfolgreich gegen seine Abwahl aus dem Jugendhilfeausschuss | |
wehrte, ging aus Sicht der Fraktionsmehrheit schließlich einen Schritt zu | |
weit. Sie verständigte sich auf den Ausschluss der fünf Abgeordneten. | |
## Häufig gefehlt – aber entschuldigt | |
Benizar Gündoğdu, Bezirksabgeordnete und Vorsitzende eines der acht | |
Harburger SPD-Distrikte, gehört zu den Ausgeschlossenen. Sie räumt ein, | |
dass die wiederholte Abwesenheit der fünf Abgeordneten in der | |
Bezirksversammlung falsch verstanden werden könnte. Sie alle hätten sich | |
jedoch aus verschiedenen – sei es beruflichen oder gesundheitlichen – | |
Gründen entschuldigt. Auch andere Abgeordnete hätten mehrfach gefehlt. „Es | |
ist eigentlich normal, dass man ein paar Mal fehlt“, sagt Gündoğdu. | |
Der Fraktionsführung wirft sie vor, Gesprächsangebote zurückgewiesen zu | |
haben, so wie auch die Fraktionsführung umgekehrt den nun Ausgeschlossenen | |
vorwirft, sich Gesprächen verweigert und Absprachen nicht eingehalten zu | |
haben. Ein Workshop zur Klärung scheiterte schon daran, dass die | |
Fraktionsführung darunter eine Moderation, Gündoğdu aber eine Mediation | |
verstand. | |
Gündoğdu fand den über die Parteizentrale bestellten Coach voreingenommen. | |
Zum angesetzten zweiten Termin erschien die Minderheit nicht. | |
## Schwieriges Verhältnis | |
Dass das Verhältnis zwischen den Gruppen schwierig ist, hat mit der | |
Vorgeschichte zu tun. Natalia Sahling, die Co-Fraktionsvorsitzende, hatte | |
im Bezirkswahlkampf Anzeige erstattet, weil Wahlplakate von ihr beschädigt | |
worden waren – wie sie versichert gegen unbekannt. | |
Zwei Parteimitglieder wollten jedoch junge Migranten beobachtet haben, wie | |
sie die Plakate zerstörten. In der Folge machte die Polizei unter anderem | |
bei Gündoğdu und ihrem Verlobten Mehmet Kizil, dem Vorsitzenden eines | |
weiteren SPD-Distrikts in Harburg – ebenfalls ausgeschlossen –, eine | |
Hausdurchsuchung und beschlagnahmte Mobiltelefone. Sie sollten die | |
Jugendlichen angestiftet haben. | |
Gündoğdu zufolge haben einige Harburger Distrikte sowie der Kreisvorstand | |
verschiedene Parteiordnungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppe | |
angestrengt. Bei Gündoğdu führte das dazu, dass sie zeitweise ein | |
Funktionsverbot hatte und nicht für die Bürgerschaft kandidieren konnte. | |
Gündoğdu zeigt sich enttäuscht, dass ihren Entschuldigungen nicht geglaubt | |
wurde. Von Anfang an sei es in der Fraktion nicht rund gelaufen. „Ich bin | |
eingetreten und wurde komisch beäugt“, erinnert sie sich. Die | |
Fraktionsführung tendiere dazu, von oben herab zu agieren und auch mal laut | |
zu werden. „Es herrscht eine Angstkultur“, sagt sie. Ihr Mandat will sie | |
trotzdem behalten. | |
9 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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