# taz.de -- Bericht zur Flutkatastrophe im Ahrtal: „Massive Versäumnisse“ … | |
> Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses in Rheinland-Pfalz ist | |
> fertig. Regierungsmehrheit und Opposition sind sich nicht einig. | |
Bild: Altenahr nach der Flutkatastrophe Juli 2021 | |
Mainz taz/dpa/epd | Nur der Landrat ist schuld! Das ist die zentrale | |
Botschaft des am Freitag veröffentlichten [1][Abschlussberichts des | |
rheinland-pfälzischen Untersuchungsausschusses] zur Flutkatastrophe im | |
Ahrtal 2021. | |
In seinem mit den Stimmen der rot-grün-gelben Ausschussmehrheit | |
beschlossenen Fazit benennt der Bericht „massive [2][Versäumnisse des | |
Landkreises] bzw. des damaligen Landrats des Kreises Ahrweiler“. Diese | |
hätten „in der Folge den Verlauf und die Folgen dieser in der Geschichte | |
des Landes einmaligen Naturkatastrophe negativ beeinflusst“. Der | |
Landesregierung seien danach hingegen keine Versäumnisse anzulasten. | |
„Die Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 ist [3][die größte | |
Naturkatastrophe], die unser Bundesland seit seiner Gründung am 30. August | |
1946 ereilt hat“, hält der 2.097 Seiten umfassende Bericht fest. 136 | |
Menschen hätten ihr Leben lassen müssen, viele weitere seien verletzt | |
worden, unzählige hätten ihr Hab und Gut verloren. | |
Die psychischen Belastungen hallten bis zum heutigen Tage und auch in der | |
weiteren Zukunft nach. „Unser Bundesland wurde an diesen beiden Tagen und | |
in jener Nacht bis ins Mark getroffen“, formuliert der | |
Untersuchungsausschuss. Diese Naturkatastrophe werde „für immer im | |
kollektiven Gedächtnis unseres Landes bleiben“. | |
Der Bericht betont, dass das Ereignis in seinem Ausmaß und seiner | |
Einzigartigkeit „so gut wie unvorhersehbar“ gewesen sei. Es sei selbst | |
bundesweit beispiellos gewesen, dass teils meterhohe Wellen durch ein | |
Flusstal schossen. Die Katastrophe sei auch „aufgrund einer Vielzahl von | |
Gründen wie beispielsweise Stromausfällen, Funkausfällen, Meldelücken und | |
vielem mehr in seiner tatsächlichen Dimension außerhalb der direkt | |
betroffenen Regionen lange Zeit nicht erfassbar“ gewesen. | |
## Die Frage der Verantwortung | |
Der U-Ausschuss hebt darüberhinaus hervor, dass der Landtag als Konsequenz | |
eine Enquete-Kommission eingesetzt habe, die „Zukunftsstrategien zur | |
Katastrophenvorsorge“ entwickeln soll. | |
In dieser Bewertung sind sich die Ampelparteien noch mit der | |
Landtagsopposition einig. Doch wer die Verantwortung dafür trägt, dass die | |
Folgen der Flut nicht abgemildert werden konnten, da scheiden sich die | |
Geister. Bedingt durch Verfehlungen von Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) sei | |
es „nicht zu einer notwendigen Vorsorge im Vorfeld der Flutkatastrophe | |
sowie angemessenen Reaktionen während dieser gekommen“, konstatiert die | |
Ausschussmehrheit. | |
Ein Sachverständiger habe Pföhler einen „Systemsprenger“ genannt. Unter | |
diesen Voraussetzungen könne „in der Gesamtschau“ nur der Schluss gezogen | |
werden, „dass insbesondere auf den Ebenen, auf denen keine direkten | |
Informationen vor Ort gesammelt werden konnten, bis hoch zur | |
Landesregierung alle Handlungsoptionen vollumfänglich abgewogen und | |
angemessen ausgeschöpft worden sind, die im Angesicht des verfügbaren | |
Lagebildes möglich und angemessen waren“. | |
Auch wenn „mit dem Wissen von heute“ ab einem gewissen Zeitpunkt die | |
Kommunikation in der Flutnacht auf verschiedensten Ebenen „in Qualität und | |
Quantität unterdimensioniert“ gewesen wäre. | |
## Widerspruch von den CDU-Vertreter:innen | |
Für die CDU-Vertreter:innen im Ausschuss ist das eine zu unterkomplexe, | |
weil interessensgeleitete Sicht der Dinge. „Das große | |
Aufklärungsversprechen von Regierung und Regierungsfraktionen erschöpfte | |
sich im ausgestreckten Zeigefinger auf den Landrat des Landkreises | |
Ahrweiler und den vorgeblichen örtlichen Missständen“, schreiben sie in | |
einem Minderheitsvotum. | |
„Genau dieser Korpsgeist schwächt offenkundig die Bewertung der | |
Beweisergebnisse“, so die CDU-Abgeordneten Dirk Herber, Marcus Klein und | |
Anette Moesta. Es sei „unredlich (…), sich als Landesregierung hinter der | |
unentschuldbaren Verantwortungsverweigerung des Landrates Pföhler (CDU) zu | |
verstecken, um das eigene Führungsversagen, das Desinteresse und die Fehler | |
zu kaschieren.“ | |
Scharf kritisieren die drei christdemokratischen Ausschussmitglieder, dass | |
die damalige [4][Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)]. „Die fehlende | |
Einsicht und Entschuldigung für ihre individuelle und politische | |
Verantwortung werden als große menschliche Schwäche mit ihrer Amtszeit | |
verbunden bleiben und als fortgesetztes Versäumnis die Ampelregierung | |
schwer belasten“, heißt es in ihrem Minderheitsvotum. | |
## Fülle an Zeug:innen und Material | |
Der Untersuchungsausschuss des Landtags war auf Antrag der oppositionellen | |
CDU-Fraktion mit den Stimmen von CDU, AfD und Freien Wählern bei | |
Stimmenthaltung der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP [5][am 22. | |
September 2021 beschlossen] worden. | |
Vom 1. Oktober 2021 bis zum Ende der Beweisaufnahme am 16. Februar 2024 | |
vernahm der Ausschuss in 46 Sitzungen 226 Zeug:innen sowie 23 | |
Sachverständige, einige davon mehrfach. In elektronischer Form lagen ihm | |
mehr als eine Million Dateien mit einem Umfang von insgesamt rund 560 | |
Gigabyte vor. | |
„Alle entscheidenden Aspekte rund um die schlimmste Naturkatastrophe in der | |
Geschichte des Landes“ seien „umfassend beleuchtet“ worden, betont der | |
Ausschuss. Trotz der Komplexität der Gründe und der Folgen der verheerenden | |
Flutkatastrophe hätten offene Fragen „grundsätzlich schnell und sachlich | |
fokussiert geklärt werden“ können. | |
Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Flutkatastrophe waren die | |
[6][frühere rheinland-pfälzische Umweltministerin] und [7][spätere | |
Bundesfamilienministerin] [8][Anne Spiegel (Grüne)] sowie [9][Innenminister | |
Roger Lewentz (SPD)] aus unterschiedlichen Gründen zurückgetreten. Über den | |
Ausschussbericht wird der rheinland-pfälzische Landtag nach der Sommerpause | |
im September diskutieren. | |
2 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/drucksachen/10000-18.pdf | |
[2] /Flutkatastrophe-im-Kreis-Ahrweiler/!5790599 | |
[3] /Unterwegs-im-Flutgebiet/!5823146 | |
[4] /Ministerpraesidentin-Rheinland-Pfalz/!6014785 | |
[5] /Untersuchungen-nach-der-Flut-im-Ahrtal/!5803229 | |
[6] /Flutkatastrophe-an-der-Ahr/!5848444 | |
[7] /Umgang-mit-der-Flutkatastrophe/!5848505 | |
[8] /Ruecktritt-von-Ministerin-Anne-Spiegel/!5845097 | |
[9] /Innenminister-von-Rheinland-Pfalz/!5887741 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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