# taz.de -- Benefiz-Album für afghanische Frauen: Mit Witz, Wut und blauen Bur… | |
> Eine stilistisch vielfältige Kompilation von Bands und Künstler:Innen | |
> schärft den Blick für das Unrecht, das Frauen und Mädchen in Afghanistan | |
> widerfährt. | |
Bild: Muss anonym gegen die Taliban ansingen: Die Burka Band | |
Ironie kann eine warme Waffe sein – im Fall der Burka Band eine warme | |
weibliche Waffe. Bei ebendieser Burka Band handelt es sich um ein in | |
Afghanistan gegründetes Musiktrio, das sich gern in blauer oder schwarzer | |
Vollverschleierung zeigt und in seinen Songs gegen die Taliban und | |
ultrapatriarchale islamische Strukturen singt. | |
„Oh it’s true/ The Burka still is blue / Because I care for you / You can | |
only see my shoe“, heißt es etwa [1][im fast schunkeltauglichen Song „I | |
Care For You“]. Swingende Gitarren, Beatorgel und Akkordeon ertönen, | |
während die Burka-Band-Sängerin davon berichtet, wie es ist eingesperrt zu | |
sein: „My prison is my room / My life is on computer / With nothing else to | |
do“. | |
Dieser Song findet sich nun auch auf einer Compilation, die auf die | |
verzweifelte Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam macht. | |
[2][„Hope for Her Future: A Compilation for Girls’ Education in | |
Afghanista]n“ heißt der Sampler, veröffentlicht hat ihn das Berliner | |
Underground Institute, das die Berliner Musikerin [3][Mary Ocher] gegründet | |
hat und betreibt. | |
Die Erlöse gehen an den [4][Afghanischen Frauenverein Hamburg], der sich | |
für Bildung, berufliche Ausbildung und medizinische Versorgung von Mädchen | |
und Frauen in Afghanistan einsetzt. | |
Die Burka Band, 2002 als deutsch-afghanisches Kollaborationsprojekt von | |
Kurt Dahlke und Saskia von Klitzing (Mitglieder von Der Plan und | |
Fehlfarben) bei einem Afghanistanaufenthalt gegründet, ist dabei die | |
einzige Band mit afghanischer Beteiligung. | |
Die Sängerin der Gruppe lebt inzwischen im Exil und bleibt wie die anderen | |
Mitglieder anonym, weil sie ihre Familie in der Heimat nicht gefährden | |
will; der Output der Band ist schmal. Neben ihr sind unter anderem die | |
Avantgarde-Pioniere Felix Kubin und Gudrun Gut sowie das US-Experimentalduo | |
XiuXiu beteiligt. | |
## Downloade dich selbst | |
Stilistisch ist die Musik breit gefächert: (arabischer) Folk, Indierock, | |
elektronische Soundscapes, experimentelle Klangkunst finden sich unter den | |
25 Songs. Erfreulich oft blitzen Witz und subversiver Charme auf. Der | |
Hamburger Sonderling Felix Kubin etwa weiß in „Download Yourself“ mit | |
hüpfenden Synthesizerklängen zu überzeugen, in seinem Songtext formuliert | |
er den Kategorischen Imperativ für das Zeitalter des digitalen Narzissmus: | |
„The Categorical Imperative / Of web narcissism / According to the | |
guidelines / Of Immanuel Kant is: / Download yourself.“ | |
Ein melancholisches Chansonstück liefert dagegen die kanadische | |
Songwriterin Michelle Gurevich – all jene Menschen, die in Diktaturen leben | |
und unter ihnen leiden, können aus ihrem Song vielleicht Hoffnung schöpfen: | |
„Goodbye, my dictator, goodbye / ’Cause everybody’s sick and tired / We�… | |
all be dancing when you die / Goodbye, my dictator, goodbye“, singt sie, | |
musikalisch könnten Brecht/Weill und die Dresden Dolls Inspiration für das | |
Stück gewesen sein. | |
## Musik zum Fahrverbot | |
Mit patriarchalen Strukturen beschäftigt sich nicht nur die Burka Band. | |
Elektronikproduzentin Gudrun Gut singt über das Fahrverbot von Frauen in | |
Saudi-Arabien (und dessen Aufhebung): „Baby I can drive my car“ gibt mit | |
seinen fluffigen elektronischen Beats und der lässigen Haltung den Vibe des | |
gesamten Albums gut wieder. | |
Das Thema Afghanistan ist aufmerksamkeitsökonomisch leider weitgehend aus | |
den Nachrichten verschwunden, dabei wäre es gerade in diesen Tagen | |
dringlicher denn je, es auf der Agenda zu halten: [5][Das | |
Bundesaufnahmeprogramm für verfolgte Afghan*innen ist desaströs | |
angelaufen und vorerst gestoppt]. Auch Kulturschaffende werden weiter | |
verfolgt, erst kürzlich ist der Fall des Sängers Musa Shaheen bekannt | |
geworden – er [6][wurde von den Taliban verhaftet und gefoltert]. Seine | |
Familie hat um die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen | |
gebeten. Shaheens Fall ist einer von sehr, sehr vielen – auch deshalb ist | |
es so wichtig, dass es Initiativen und Sampler wie „Hope For Her Future“ | |
gibt. | |
13 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=krINFSpVjtc | |
[2] https://underground-institute.bandcamp.com/album/hope-for-her-future-a-comp… | |
[3] /Musik-ueber-Krieg-gegen-die-Ukraine/!5918272 | |
[4] https://www.afghanischer-frauenverein.de/ueber-uns/ | |
[5] /Flucht-aus-Afghanistan/!5924749 | |
[6] https://amu.tv/en/43858/ | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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