# taz.de -- Baustadtrat über Enteignung: „Der Leerstand ist ein Skandal“ | |
> Mindestens 26 Wohnungen in Riehmers Hofgarten in Kreuzberg stehen leer – | |
> aus Spekulationsgründen. Florian Schmidt droht den Eigentümern. | |
Bild: Schön, aber leer: Riehmers Hofgarten | |
taz: Herr Schmidt, Sie haben einem der Eigentümer von Riehmers Hofgarten, | |
einer denkmalgeschützten Wohnanlage in Kreuzberg, mit Zwangsmaßnahmen | |
gedroht. Was ist der Hintergrund? | |
Florian Schmidt: Der Teil des Ensembles an der Yorckstraße gehört derzeit | |
türkischen Investoren. Die haben vier Gründerzeithäuser im schönsten | |
Kreuzberg gekauft, die von den Voreigentümern in den letzen Jahren peu à | |
peu entmietet und in Eigentumswohnungen aufgeteilt wurden – mit der | |
Erwartung, dort einen erheblichen Gewinn zu machen. Mindestens 26 Wohnungen | |
sind unbewohnt. Dass so ein wunderschönes Stück Stadt so lange leer steht, | |
ist ein Skandal. Zumal Riehmers Hofgarten in den 80er Jahren mit | |
öffentlichen Fördermitteln saniert wurde. | |
Sie haben getwittert: „Entweder die aktuellen Eigentümer überantworten | |
einen wesentlichen Teil des Komplexes einem gemeinwohlorientierten | |
Eigentümer oder die Schlinge zieht sich zu.“ Wollen Sie die Investoren | |
enteignen? | |
Der Bezirk hat dem Eigentümer mitgeteilt, dass der Leerstand behoben werden | |
muss. Der hat dagegen Widerspruch eingelegt. Dem wurde vom Bezirk nicht | |
stattgegeben. Jetzt sind wir an dem Punkt, dass wir vollstrecken können: | |
Wenn keine neuen Mieter in die Häuser einziehen, fallen Strafzahlungen an. | |
Wenn dann immer noch nichts passiert, kann der Bezirk auch einen Verwalter | |
einsetzen. Allerdings läuft es vielleicht auch ganz anders. Ich hatte | |
letzte Woche ein Gespräch mit den Eigentümervertretern und habe ihnen | |
gesagt: Wenn sie uns ein vernünftiges Angebot machen für die | |
Weiterentwicklung des Areals, könnten wir eine Lösung finden. | |
Wie kann die aussehen? | |
Die Eigentümer wollen ein benachbartes Haus an der Yorckstraße abreißen und | |
neu bauen. Seit einer Novellierung der Bauordnung durch das | |
Abgeordnetenhaus braucht man für einen Abriss aber eine Genehmigung. Wir | |
wollen, dass mindestens in demselben Umfang bezahlbarer Wohnraum neu | |
entsteht. Das soll nicht über Mietverträge abgesichert sein, sondern über | |
einen gemeinnützigen Eigentümer, eine Wohnungsbaugesellschaft, eine | |
Stiftung oder Ähnliches. | |
Sie wollen, dass die bisherigen Eigentümer einen Teil ihrer Flächen | |
verkaufen? | |
Genau. Das gilt auch für die Räume des Yorck-Kinos. | |
Im vergangenen Jahr hieß es, das Kino wird abgerissen. | |
Inzwischen haben die Eigentümer angeboten, das Kino zu erhalten, auch in | |
einem Neubau. Die Planungen waren in Ordnung. Wir haben aber gesagt, dass | |
uns das nicht reicht, dass auch bezahlbarer Wohnraum dauerhaft gesichert | |
sein muss. Das Kino ist ein hohes Gut, es prägt die lokale Identität. Aber | |
wir lassen uns nicht erpressen. Sollte das Kino unter die Räder kommen, | |
würde Friedrichshain-Kreuzberg auch einen anderen Standort dafür finden. | |
Rot-Rot-Grün hat das Zweckentfremdungsverbot kürzlich verschärft, bei | |
spekulativem Leerstand soll eingegriffen werden können. Kommt das bei | |
Riehmers Hofgarten nun erstmals zur Anwendung? | |
Auch wenn ich mit meinem Amt nicht federführend zuständig bin, kann ich | |
zusichern, dass wir durch das verschärfte Gesetz jetzt früher und | |
schlagkräftiger eingreifen können, auch weil die Eigentümer Wohnungen nur | |
noch drei Monate ohne Genehmigung leer stehen lassen dürfen. Die Einsetzung | |
eines Treuhänders wäre eine Ultima Ratio. Ich fordere jedoch, dass eine | |
solche Zwangsverwaltung immer auch durch den Senat abgesichert wird. Für | |
die Bezirke birgt das sonst zu große finanzielle Risiken. | |
Sie nutzen die Zwangsverwaltung als Druckmittel, um die Eigentümer zum | |
Einlenken zu bewegen? | |
Die Eigentümer haben investiert, weil sie damit rechnen, einen erheblichen | |
Kaufpreis wieder einzuspielen. Wenn jemand ein Haus kauft, das unter | |
Zwangsmaßnahmen steht, dann nur zu einem wesentlich geringeren Preis. | |
Einigen sie sich nicht mit uns, droht ihnen ein Totalverlust. Das nutzen | |
wir – im Sinne der Kultur, des bezahlbaren Wohnraums und der letzten | |
Mieter, die noch dort leben. | |
Wie hat der Eigentümer auf Ihre Drohung reagiert? | |
Die Vertreter haben gesagt, sie nehmen das mit zu ihren Auftraggebern und | |
melden sich dann wieder. Wenn keine Einigung zustande kommt, werden wir die | |
Zwangsmaßnahmen zeitnah umsetzen. Andere Teile des Ensembles, die anderen | |
Eigentümern gehören, werden bereits saniert und verkauft. Aber hier gibt es | |
die Chance, noch mal hineinzugehen und Sand ins Getriebe dieser tragischen | |
Verwertungsmaschinerie zu streuen. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren autorisierten Fassung des | |
Interviews äußerte sich der Kreuzberger Baustadtrat Schmidt dahingehend, | |
dass die türkischen Investoren das Ensemble in der Yorckstraße selbst peu á | |
peu entmietet hätten. Wir sind jetzt von eben jenen Investoren auf | |
Unterlassung in Anspruch genommen und haben beim Baustadtrat Schmidt | |
nachgefragt. Er hat die Aussage so, wie oben wiedergegeben, geändert | |
dahingehend, dass nicht die gegenwärtigen, sondern die früheren Eigentümer | |
das Ensemble peu a peu leer gezogen haben. | |
17 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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