# taz.de -- Baukrise in Berlin: Alle Kräne stehen still | |
> Während private Konzerne kaum noch Wohnungen bauen, brechen auch die | |
> Zahlen der landeseigenen Unternehmen ein. Das gefährdet den sozialen | |
> Wohnungsbau. | |
Bild: Gerade einmal 3.796 Wohnungen werden die Landeseigenen im kommenden Jahr … | |
BERLIN taz | Bauen, bauen, bauen – so lautet das Mantra, das CDU und SPD | |
angesichts der Wohnungskrise seit Jahren abspulen. Anstatt jedoch den | |
Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnkonzerne umzusetzen, sind | |
Sozialdemokrat:innen und Konservative als Neubaukoalition | |
angetreten. Doch nun prallt eines ihrer zentralen Wahlversprechen auf die | |
Realität: Die landeseigenen Wohnungsunternehmen rechnen für 2024 mit einem | |
massiven Rückgang neu gebauter Wohnungen. Das geht aus einer Prognose von | |
Ende September hervor, über die zuerst der Tagesspiegel berichtete. | |
Rechnet die Senatsverwaltung für dieses Jahr noch mit etwa 5.300 neuen | |
kommunalen Wohnungen, gehen die Landeseigenen davon aus, im kommenden Jahr | |
nur noch 3.796 Wohnungen fertigzustellen. Bei der Gewobag, die im | |
vergangenen Jahr noch 1.009 Wohnungen baute, prognostiziert man für 2024 | |
etwa nur noch 250 Fertigstellungen. Die Howoge geht von einem Rückgang von | |
1.689 auf 539 Wohnungen aus. Allein die WBM rechnet mit einem Zuwachs. | |
Die schwarz-rote Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag das Ziel | |
gesetzt, jährlich insgesamt 20.000 Wohnungen zu bauen, davon 5.000 | |
Sozialwohnungen. Die Unternehmen in Landeshand sollten davon rund 6.500 | |
Wohnungen übernehmen. Auf taz-Anfrage hält die Senatsverwaltung trotz der | |
schlechten Prognose an dem Ziel fest. Die Vorgabe von 20.000 Wohnungen sei | |
keine Wunschzahl, „sondern spiegelt den Bedarf an Wohnungen wider, der im | |
Durchschnitt jährlich realisiert werden müsste“, so der Sprecher der | |
Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen. | |
Gleichzeitig rechnet Bausenator Christian Gaebler bereits für dieses Jahr | |
mit einer deutlichen Zielverfehlung – nicht nur bei den Landeseignen. „Die | |
20.000 werden wir dieses Jahr nicht erreichen“, sagte der SPD-Politiker der | |
dpa. „Nach unserer Prognose werden wir bei rund 16.000 neu gebauten | |
Wohnungen landen.“ | |
## Baubranche in der Krise | |
Grund für den Rückgang ist neben der Berliner Politik auch die allgemeine | |
Baukrise: Die Branche kämpft derzeit mit hohen Zinsen und steigenden | |
Materialkosten. Auch knappe Flächen, lange Genehmigungs- und | |
Planungsprozesse sowie gestiegene Baustandards und Effizienzanforderungen | |
hemmen laut Senatsverwaltung den Neubau. | |
Der Berliner Mieterverein verweist darüber hinaus auf die Baugenehmigungen, | |
die wegen mangelnder Digitalisierung und fehlendem Personal zu viel Zeit in | |
Anspruch nehmen würden. Die Krise der Landesgesellschaften dürfte sich laut | |
Geschäftsführerin Wibke Werner auch auf den sozialen Wohnungsbau auswirken. | |
Denn die Förderung dafür nehmen zum Großteil die Landeseigenen in Anspruch. | |
„Das Ziel von 5.000 Sozialwohnungen wird weit verfehlt“, sagt Werner. | |
Der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker, nennt die | |
Verfehlung der Zielvorgaben „dramatisch“. Berlin sei auf bezahlbaren Neubau | |
angewiesen. Schenker verweist auf ein Programm für den kommunalen | |
Wohnungsbau, das die Linke bereits vergangenes Jahr erarbeitet hat. Es | |
sieht unter anderem vor, dass die Landesunternehmen jährlich | |
Eigenkapitalzuschüsse aus dem Haushalt erhalten. | |
Unterstützung dafür kommt vom Mieterverein. „Ich denke, man kommt an einer | |
Eigenkapitalbezuschussung nicht vorbei“, sagt Wibke Werner. „Wenn | |
bezahlbarer Wohnraum entstehen soll, dann am ehesten durch die | |
landeseigenen Unternehmen – wichtig ist, dass langfristig gebundene | |
Wohnungen entstehen.“ | |
## Mehr Geld für Sozialwohnungen | |
Der zentrale Plan von CDU und SPD war es, die Mittel zur Förderung für den | |
Bau von Sozialwohnungen auf 1,5 Milliarden Euro aufzustocken. Doch am | |
bestehenden System gibt es seit geraumer Zeit Kritik: Da neu gebaute | |
Sozialwohnungen nur für 30 Jahre in der Sozialbindung bleiben und danach zu | |
Marktpreisen vermietet werden können, verliert die Stadt jährlich mehr | |
Sozialwohnungen, als neue hinzukommen. Grüne und Linke fordern deshalb eine | |
dauerhafte Sozialbindung. Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh [1][dachte im | |
Sommer laut über eine solche Änderung nach]. | |
Derzeit arbeitet die Koalition zudem am sogenannten Schneller-bauen-Gesetz. | |
Es soll den Bau neuer Wohnungen einfacher machen, etwa durch schnellere | |
Planungs- und Genehmigungsverfahren. | |
Die Mieter:innen der 350.000 Wohnungen, die bereits einem landeseigenen | |
Unternehmen gehören, dürfen sich in den kommenden drei Jahren zudem | |
[2][wieder auf Mieterhöhungen gefasst machen]. Der Senat hatte den | |
Mietenstopp zum Jahresende aufgehoben und den Gesellschaften erlaubt, | |
jährlich bis zu 2,9 Prozent mehr Miete zu verlangen. Vor einigen Wochen war | |
außerdem bekannt geworden, dass der private Wohnkonzern [3][Heimstaden | |
massenhaft überzogene Mieterhöhungen gefordert hatte] – entgegen den | |
Vereinbarungen im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen. | |
Nichts von beiden kann das Bündnis bislang einlösen. Denn den | |
Wohnungsneubau haben die privaten Konzerne mittlerweile quasi eingestellt. | |
Vonovia hatte bereits im Januar angekündigt, dieses Jahr keine neuen | |
Wohnungen zu bauen – zu hoch seien Zinsen und Baukosten. Die | |
Senatsverwaltung verweist darauf, dass die Landeseigenen dagegen keine | |
Projekte gestoppt, sondern kontinuierlich weitergebaut hätten – und dies | |
auch in Zukunft tun würden. Offenbar nur eben deutlich weniger. | |
Während die Mieten also kräftig steigen und sich Immobilienkonzerne nicht | |
an politische Abmachungen halten, verschleppen SPD und CDU die Umsetzung | |
des Volksentscheids zur Vergesellschaftung. Gleichzeitig wird deutlich, | |
dass auch ihr Gegenmodell „Neubau gegen Wohnungsknappheit“ nicht nur an | |
seiner eigenen Logik, sondern auch an der wirtschaftlichen Misere der | |
Baubranche scheitert. Echte Lösungen? Nicht in Sicht. | |
12 Dec 2023 | |
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[3] /Heimstadens-fehlerhafte-Mieterhoehungen/!5971438 | |
## AUTOREN | |
Leon Holly | |
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