| # taz.de -- Förderung von Sozialwohnungsbau: Koalition zweifelt an sich selbst | |
| > CDU und SPD haben die Förderung von Sozialwohnungen ausgeweitet. Nun | |
| > kritisiert Raed Saleh die ablaufenden Sozialbindungen und erhält | |
| > Unterstützung. | |
| Bild: Wie lange kann man hier günstig wohnen? | |
| Berlin taz | Von Bedenken war nichts zu hören, als CDU und SPD vor wenigen | |
| Wochen die [1][Verdopplung der finanziellen Förderung für den Bau von | |
| Sozialwohnungen] auf 1,5 Milliarden Euro jährlich beschlossen. Stattdessen | |
| wurde allenthalben das Ziel formuliert, insbesondere private | |
| Immobilienfirmen zum Bau geförderter, also überwiegend bezahlbarer | |
| Wohnungen mit Einstiegsmieten von 7 bis 11,50 Euro pro Quadratmeter zu | |
| motivieren. | |
| Nun aber hat SPD-Fraktionschef Raed Saleh überraschend Grundsatzkritik an | |
| der Fördersystematik geübt. Der [2][Berliner Morgenpost] sagte er: „Wir | |
| werden uns anschauen, ob dieses veraltete System einer Änderung bedarf.“ | |
| Salehs Kritik bezieht sich auf den offensichtlichsten Schwachpunkt der | |
| Förderung: Neu gebaute Sozialwohnungen bleiben nur für 30 Jahre in der | |
| Sozialbindung und können danach zu Marktpreisen vermietet werden. Das seit | |
| Jahrzehnten bestehende System führt derzeit dazu, dass die Stadt jährlich | |
| mehr Sozialwohnungen verliert als neue gebaut werden. | |
| Saleh schlussfolgert: „Wir müssen für die neuen Sozialwohnungen über ein | |
| anderes Fördersystem reden, das dauerhafte Sozialbindungen garantiert.“ Ein | |
| Vorbild sei Wien, wo einmal geförderte Wohnungen dauerhaft günstig blieben. | |
| Mehr als 60 Prozent der Wiener:innen leben in einer geförderten oder | |
| kommunalen Wohnung – 20 Prozent mehr als in Berlin. | |
| ## Koalition zeigt sich offen | |
| Unterstützung für Saleh kommt von der Sprecherin der SPD-Fraktion für | |
| Wohnen und Mieten, Sevim Aydin. Auf taz-Anfrage sagt sie: „Wir brauchen | |
| längere Bindungsfristen im sozialen Wohnungsbau. Fördergelder müssen | |
| sinnvoll eingesetzt werden.“ Aydin verweist zudem auf das „Vorbild“ | |
| Hamburg. Dort wird seit 2022 ein Teil der neu gebauten Sozialwohnungen mit | |
| einer hundertjährigen Mietpreisbindung ausgestattet, mit Mieten unterhalb | |
| des Mietspiegel-Mittelwerts. | |
| Der baupolitische Sprecher der CDU, Christian Gräff, äußerte auf | |
| taz-Anfrage Verständnis: „Grundsätzlich ist es richtig, dass wir längere | |
| Sozialbindungen haben wollen.“ Aber mit einem Interview sei es nicht getan. | |
| Die CDU-Fraktion wolle in einem Fachgespräch nach der Sommerpause bei | |
| Wohnungsunternehmen ihre Finanzierungssituation abfragen. Es ginge darum, | |
| „alles zu vermeiden, dass überhaupt nicht mehr gebaut wird“, so Gräff. | |
| ## Mieterverein ungläubig | |
| Im Berliner Mieterverein zeigt man sich überrascht über die Debatte: „Die | |
| dauerhafte Förderung ist etwas, was die Koalition überhaupt nicht im Auge | |
| hat“, so Geschäftsführerin Ulrike Hamann. Über den Vorstoß Salehs aber | |
| freue sie sich: „Wir sollten uns mal zusammensetzen“, so das Angebot in | |
| Richtung des SPD-Fraktionschefs. | |
| Das bestehende Modell der Sozialwohnungsförderung bezeichnet Hamann als | |
| „nicht nachhaltig und ein Fehler der Vergangenheit“. Berlin habe bislang | |
| keine Ambitionen gezeigt, daran etwas zu ändern. Hamann verweist auf die | |
| 60-jährige Bindungsfrist in den 70er Jahren und den Handlungsspielraum | |
| Berlins: „Die Bundesländer sind frei bei den Bedingungen, die sie an die | |
| Förderungen knüpfen“, so Hamann, bisher gelte aber die Devise, „Investoren | |
| nicht zu verschrecken“. | |
| Als „Lösung“ für dauerhaften sozialen Wohnungsbau nennt Hamann eine neue | |
| Wohngemeinnützigkeit. Ein System, das Unternehmen steuerlich bevorteilt, | |
| die dauerhaft günstige Wohnungen schaffen. Die Bundesregierung hatte sich | |
| in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt. Einem im Juni vorgelegten | |
| Eckpunktepapier fehlte aber eine Einigung zur Finanzierung mit | |
| Finanzminister Christian Lindner (FDP). „Damit ist das Projekt womöglich | |
| schon gestorben“, so Hamann. | |
| Die Berliner Linke drängt den Senat daher, auf die [3][kommunalen | |
| Wohnungsunternehmen zu setzen]. Deren Ziel sei es, jährlich 7.000 Wohnungen | |
| zu errichten. „Wenn das alles Sozialwohnungen wären, dann würden wir dieses | |
| Jahr deutlich mehr Sozialwohnungen schaffen, als aus der Bindung fallen“, | |
| so der mietenpolitische Sprecher Niklas Schenker. Private Investoren hätten | |
| dagegen den „Bau von neuen Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren | |
| praktisch boykottiert“. | |
| Wie aus der Antwort auf eine [4][Kleine Anfrage der | |
| Linken-Bundestagsabgeordneten Caren Lay] am Dienstag hervorging, gibt es in | |
| Berlin 104.757 Sozialwohnungen – 4.519 weniger als im Vorjahr. Bis Ende | |
| 2025 wird der Bestand nach Schätzungen des Senats auf 84.000 Wohnungen | |
| sinken – trotz des jährlichen Neubauziels von 5.000 Wohnungen. | |
| 1 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neue-Wohnungsbaufoerderung-des-Senats/!5942564 | |
| [2] https://www.morgenpost.de/berlin/article239075225/wohnungen-berlin-sozialwo… | |
| [3] /Linken-Konzept-fuer-kommunalen-Wohnungsbau/!5906454 | |
| [4] /Sozialwohnungen-in-Deutschland/!5947897 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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