# taz.de -- Heimstadens fehlerhafte Mieterhöhungen: Ein Einzelfall nach dem an… | |
> Der Wohnkonzern Heimstaden fordert in Berlin massenhaft überzogene | |
> Mieterhöhungen. KritikerInnen sehen darin bewusste Täuschung. | |
Bild: Dieser Demonstrant fände das Vorgehen Heimstadens wohl auch nicht so toll | |
BERLIN taz | Zehntausende Berliner MieterInnen dürften sich in den letzten | |
Wochen über ihre Post gewundert haben: Der Wohnungskonzern Heimstaden hatte | |
im Oktober und November reihenweise Forderungen für Mieterhöhungen | |
verschickt, von denen wohl ein Großteil fehlerhaft war. So überstiegen die | |
Forderungen in vielen Fällen die alle 3 Jahre zulässigen 15 Prozent | |
Mieterhöhung in Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete. | |
MieterInnen mit Indexmietverträgen, bei denen die rechtmäßige Erhöhung an | |
die Verbraucherpreise gekoppelt ist, stellten fest, dass Heimstaden | |
versuchte, Bruttokaltverträge in Nettokaltverträge umzuschreiben, ohne dies | |
explizit zu benennen. Nettokaltverträge sind für Mieter ungünstiger, da sie | |
Betriebskosten nicht mit abdecken. Der Konzern erklärt die falschen | |
Forderungen mit einem fehlerhaften neuen IT-System. | |
Der Berliner Mietverein rät deshalb allen Mietern in den rund 20.000 | |
Wohnungen von Heimstaden, die geforderten Erhöhungen rechtlich prüfen zu | |
lassen. Um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, verteilte die Initiative | |
„Stop Heimstaden“ Flyer in beinahe allen Häusern von Heimstaden in Berlin. | |
Die Gruppe kooperiert mit Partnerinitiativen in Hamburg, wo ebenfalls | |
[1][zahlreiche Fälle unrechtmäßiger Mieterhöhungen durch Heimstaden] | |
bekannt wurden. Lassen sich MieterInnen auf die Forderungen ein, steigt | |
dadurch der Mietspiegel für alle, was Vermietern wiederum größere | |
Steigerungen ermöglicht. | |
Stop Heimstaden rechnet damit, dass seit Sommer fast alle Berliner | |
MieterInnen Erhöhungsforderungen erhalten hätten – von den über 9.000 | |
Anpassungen an die ortsübliche Vergleichsmiete seien „so gut wie alle“ | |
falsch gewesen. Die Sprecherin Ira spricht von einem „skandalösen Ausmaß“. | |
Ira heißt eigentlich anders, will ihren echten Namen aber nicht in der | |
Zeitung lesen – auch weil sie als Mieterin Repressionen befürchtet. | |
## Neue Forderungen, neue Fehler | |
Wiesen MieterInnen Heimstaden auf unrechtmäßige Forderungen hin, passte das | |
Unternehmen diese wohl oft an. Doch abermals wurden Fehler bekannt. So | |
hielt Heimstaden offenbar in vielen Fällen die gesetzlich garantierte | |
Bedenkzeit für Mieter*innen nicht ein. So datierte der Konzern die | |
Briefe auf den 26. Oktober, Poststempel und Zustellung folgten aber erst | |
Anfang November. Da die Briefe erst im November ankamen, dürfte die neue | |
Miete – anders als von Heimstaden gefordert – auch erst einen Monat später | |
greifen. | |
Ein Unternehmenssprecher sagte gegenüber der taz, Stand Dienstag seien 20 | |
solcher Fälle bekannt. Ira bezweifelt das: „Heimstaden tut wieder so, als | |
ob das nur Einzelfälle sind, aber wir wissen: [2][Es sind keine | |
Einzelfälle].“ Auch die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Berliner | |
Grünen, Katrin Schmidberger, sieht den Konzern in der Pflicht: „Heimstaden | |
sollte alle Mieterhöhungen zurückziehen, um den Verdacht der absichtlichen | |
Täuschung auszuräumen“, sagte sie der taz. | |
Das Unternehmen erklärte zu der Zeitlücke zwischen Datierung und | |
Zulieferung, man habe die Post dem externen Dienstleister SRZ übergeben, | |
der die Briefe dann ausgedruckt und verschickt habe. In den Augen von Stop | |
Heimstaden eine an sich fragwürdige Praxis: So sei zweifelhaft, ob die | |
Weitergabe an einen Dritten datenschutzrechtlich korrekt gewesen sei, denn | |
die Briefe enthalten private Daten der Mieter, wie Adresse, Größe der | |
Wohnung oder Miethöhe. Der taz gegenüber erwiderte Heimstaden, die | |
Verarbeitung der Daten sei datenschutzkonform geregelt worden. | |
## Antrieb für die Enteignungskampagne | |
Der Fall zeigt erneut das [3][wohnpolitische Chaos in Berlin] auf. Nachdem | |
2021 fast 60 Prozent der BerlinerInnen für eine Enteignung großer | |
Wohnungskonzerne gestimmt hatten, verschleppt der Senat die Umsetzung. Die | |
frühere Bürgermeisterin Franziska Giffey drängte stattdessen auf eine | |
freiwillige Kooperation der Wohnkonzerne: Im Berliner Bündnis für | |
Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen verpflichteten sich Unternehmen etwa, | |
die Miete alle 3 Jahre um höchstens 11 Prozent zu erhöhen. | |
Unterzeichner des Bündnisses ist auch der Dachverband Zentraler Immobilien | |
Ausschuss (ZIA), dem Heimstaden vergangenes Jahr beigetreten war. Dennoch | |
sieht sich der Konzern nicht an die Grenze von 11 Prozent gebunden, da der | |
Konzern nicht selbst unterzeichnet hat. | |
Für Stop Heimstaden ein politischer Skandal. Heimstaden nutze zwar die | |
Vorteile einer Mitgliedschaft beim ZIA, halte sich aber nicht an die | |
Verpflichtungen. Der ZIA selbst und der Berliner Senat würden sich | |
wegducken, meint Sprecherin Ira: „Es gibt keine Sanktionsmöglichkeit. | |
Dieses ganze Grundbündnis ist eine reine Lachnummer.“ | |
Die Initiative Deutsche Wohnen und Co. Enteignen will deshalb | |
Unterschriften für einen weiteren Volksentscheid sammeln – in der nächsten | |
Runde sollen die BerlinerInnen über einen rechtlich bindenden Gesetzentwurf | |
abstimmen. Die Grüne Schmidberger findet: „Das, was Heimstaden gerade | |
macht, ist ein politisches Subventionsprogramm für den Volksentscheid.“ | |
22 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Leon Holly | |
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