# taz.de -- Baerbock will nicht mehr antreten: Jede Zeit hat ihre Aufgabe | |
> Außenministerin Annalena Baerbock verzichtet auf eine erneute | |
> Kanzlerinnenkandidatur – wegen aktueller Aufgaben. Grüne Spitze lobt sie | |
> als Teamplayerin. | |
Bild: Annalena Baerbock weist Robert Habeck den Weg zu einem Stuhl, an dem aber… | |
Washington taz | Beim einen warten alle darauf, dass er endlich den | |
Verzicht auf seine Kandidatur erklärt, bei der anderen kommt die Erklärung | |
eher überraschend. Während des Nato-Gipfels in Washington am Mittwoch gab | |
[1][die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock] bekannt, nicht als | |
Kanzlerkandidatin für die Grünen zur Verfügung zu stehen. Überraschend war | |
weniger der Verzicht an sich, sondern Ort und Zeitpunkt, den Baerbock | |
wählte. | |
Baerbock legte ihre Zukunftspläne nicht etwa in der Parteizentrale der | |
[2][Grünen] in Berlin-Mitte offen, sondern nutzte die Weltbühne und ein | |
Interview mit CNN-Chefkorrespondentin Christiane Amanpour am | |
Mittwochvormittag. Im Medienzentrum am Tagungsort fragte Amanpour die | |
deutsche Außenministerin unter anderem nach der Schwäche der Grünen, den | |
Wahlerfolgen der AfD bei jungen Leuten und wie sie, Frau Baerbock, diese | |
für die Demokratie begeistern wolle. Und ob sie selbst darüber nachdenke, | |
als Kanzlerkandidatin anzutreten? | |
„Um zum zweiten Teil ihrer Frage zu kommen“, antwortete Baerbock. „Die We… | |
ist offensichtlich eine ganz andere als bei der letzten Bundestagswahl. | |
Angesichts der russischen Aggression und der dramatischen Situation im | |
Nahen Osten braucht es mehr und nicht weniger Diplomatie. In diesen Zeiten | |
der Krise glaube ich, dass es die staatspolitische Verantwortung gebietet, | |
nicht als Kanzlerkandidatin gebunden zu sein, sondern all meine Energie als | |
Außenministerin darauf zu verwenden, Vertrauen, Kooperation und | |
verlässliche Strukturen zu schaffen.“ Viele Partner in der Welt und in | |
Europa vertrauten darauf. | |
## Welt braucht Baerbock dringender als die Grünen | |
Die Welt braucht Annalena Baerbock also derzeit dringender als die Grünen. | |
Wobei Baerbock betonte: „Im Wahlkampf werde ich natürlich alles tun, um | |
meine Partei zu unterstützen, wie schon in der Vergangenheit.“ – „Verste… | |
Sie sagen ja, aber nicht jetzt“, fasste Amanpour zusammen. „Jede Zeit hat | |
ihre Aufgaben“, parierte Baerbock lachend. | |
Baerbock war 2021 Kanzlerkandidatin der Grünen, setzte sich damals | |
innerparteilich gegen Robert Habeck durch. Die Sympathie für die Grünen im | |
Vorfeld, die in Umfragen bei über 20 Prozent lagen, trug allerdings nicht | |
bis zum Wahltag, was auch an Fehlern Baerbocks im Wahlkampf lag. Die Grünen | |
erreichten bei der Bundestagswahl 14,8 Prozent, mittlerweile sind sie in | |
Umfragen auf 11 Prozent abgerutscht. Es stellt sich also die Frage, ob die | |
Partei überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellen sollte oder sich mit | |
einem Spitzenkandidaten begnügen sollte. Eigentlich sollte die Basis diesen | |
per Urwahl im Herbst bestimmen. | |
## Statement vor der Urwahl | |
Am Donnerstagmittag Washingtoner Zeit äußerte sich Baerbock gegenüber | |
deutschen Medien. Sie habe den Ort und den Zeitpunkt des Natogipfels | |
gewählt, „weil ich hier von vielen immer wieder gefragt werde, welche | |
Priorität hat die Außenpolitik in dieser Vorwahlkampfzeit.“ Deshalb habe | |
sie deutlich gemacht, „dass für die Außenministerin Kooperation mit unseren | |
engsten Partnern absolute Priorität hat.“ | |
Das Wichtigste in diesen stürmischen Zeiten seien Vertrauen, Sicherheit und | |
Verlässlichkeit. Zudem verwies sie auf die vielen Reisen, die sie als | |
Außenministerin unternehmen müsse. „Das ist als Außenministerin noch mal | |
eine andere Rolle, wenn man ständig in der Welt unterwegs ist“, sagte | |
Baerbock. Den Zeitpunkt begründete sie mit Verweis auf die Planung der | |
Grünen, die vorsah, den oder die Kanzlerkandidatin im Herbst per Urwahl zu | |
küren. | |
## Habeck steht nun vorne | |
[3][Doch alles läuft nun auf Robert Habeck zu]. Den Wirtschaftsminister, | |
der derzeit auf Sommerreise ist, schien die Ankündigung Baerbock kalt | |
erwischt zu haben. „Dass sie in den USA Statements gibt, zeigt, wie tief | |
sie in der Außenpolitik verankert ist“, antwortete Habeck auf die Frage | |
eines Journalisten, wie er die Erklärung bewerte. Alles andere werde man in | |
den Gremien besprechen. | |
Auf die Frage, ob sie nun Robert Habeck als Kanzlerkandidaten unterstützen | |
werde, wich Baerbock gegenüber deutschen Medien aus. „Teamplay ist in | |
diesen Zeiten wichtig“. Das habe Habeck ebenfalls deutlich gemacht. „Im | |
Sinne dieses Teamplays werden wir jetzt alle Schritte in den Gremien | |
klären“, sagte Baerbock. | |
Das Führungsquartett der Grünen bemühte sich den äußeren Eindruck zu | |
glätten. Die beiden Fraktionsvorsitzenden, Katharina Dröge und Britta | |
Haßelmann, erklärten jeweils auf X, es sei verantwortungsvoll, dass | |
Baerbock sich in dieser Zeit auf die Außenpolitik konzentriere. Sie lobten | |
Baerbock zudem für ihr „Teamplay“. „Gut so, für unser Land und für uns | |
Grüne“, schrieb Haßelmann. | |
Ähnlich äußerten sich die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda | |
Lang: „So ist Annalena Baerbock, und so schätzen wir sie: mit Verantwortung | |
für das Ganze und als Teamspielerin.“ Dank Baerbock sei Deutschland ein | |
verlässlicher Partner in der Welt. „Gerade jetzt braucht Deutschland eine | |
engagierte Außenministerin wie Annalena Baerbock.“ Und auch von ihnen hieß | |
es: „Alles Weitere entscheiden wir zum gegebenen Zeitpunkt.“ | |
## „Mit Verve in den Wahlkampf reinhängen“ | |
Nach Informationen der dpa verschickte Baerbock noch eine Mail an ihre | |
Fraktion, in der sie versprach: „Robert und ich gehen jetzt schon fast ewig | |
gemeinsam durch dick und dünn und werden in den kommenden Wochen eng | |
zusammenarbeiten. Ohne Frage werde ich mich natürlich mit Verve in den | |
grünen Wahlkampf reinhängen als Teil eines starken grünen Teams.“ | |
Um sich dann wieder ihren [4][Aufgaben als Außenministerin] zu widmen. In | |
Washington stand am Mittwochnachmittag ein Gespräch mit | |
[5][US-Außenminister Antony Blinken] auf dem Programm. Der lobte zum | |
Auftakt die gute Partnerschaft. Baerbock gab das Kompliment zurück, | |
bezeichnete Blinken als Freund und versprach: „Wir freuen uns auf eine | |
gemeinsame Zukunft.“ | |
Über die Zukunft beider Außenminister:innen werden die | |
Wähler:innen entscheiden, in den USA bereits im November. Das alles | |
überwölbende Thema des Gipfels ist, ob der alternde US-Präsident Joe Biden | |
weitermacht oder den Verzicht auf seine Kandidatur erklärt. Während des | |
Nato-Gipfels äußerte sich Biden bislang nicht dazu. | |
## Abschreckung in Grün | |
Bei der Stationierung von Langstreckenraketen erwartet Baerbock keinen | |
Aufstand in den Reihen der Grünen. Vor zwei Jahren habe man noch gemeinsam | |
mit Russland darüber gesprochen, wie man durch Abrüstung mehr Sicherheit | |
für alle schafft. Dann habe Russland die Ukraine überfallen. | |
„Man darf in solchen Zeiten nicht an der Vergangenheit festhalten, denn das | |
wäre verantwortungslos. Wir müssen uns in Zukunft wieder anders schützen“, | |
sagte Baerbock gegenüber deutschen Medienschaffenden. Sie hätte sich nie | |
vorstellen können als Grüne Außenministerin so oft das Wort „Abschreckung�… | |
in den Mund zu nehmen. „Aber wenn die Weltlage so ist, dann ist das unsere | |
Aufgabe.“ | |
10 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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