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# taz.de -- Politiker und die EM: Von Blendern und Profiteuren
> Zur EM zeigen sich Politiker plötzlich gerne im Nationaltrikot auf der
> Tribüne. Mit echter Volksnähe hat das wenig zu tun. Es ist purer
> Populismus.
Bild: Das macht Annalena Baerbock doch gerne: ein Selfie auf der Stadionstribü…
Ein von mir durchaus verehrter österreichischer Schriftsteller hat einmal
gesagt, dem Sport sei zu allen Zeiten und vor allem von allen Regierungen
aus gutem Grund immer die größte Bedeutung beigemessen worden, „er
unterhält und benebelt und verdummt die Massen, und vor allem die
Diktaturen wissen, warum sie immer und in jedem Fall für den Sport sind.“
Bei dieser EM, und da hatte Thomas Bernhard nur teilweise recht, waren
nicht nur die Diktatoren für den Ballsport und [1][reisten etwa von Ankara
nach Berlin], um sich Finger- und Fußballspiele anzuschauen, nein, auch der
Normalo-Politiker westlicher Prägung wanzte sich an das Ballspiel ran wie
nichts Gutes.
Er oder sie zieht dann diese ekeligen Nylon-Trikots an und schnappschießt
sich durch das Turnier, was bei einem gewissen Selfie-Minister dieser
Bundesregierung kaum mehr zu ertragen war; aber was ist bei dem Herrn schon
erträglich?
Der Fußball, so viel ist sicher, ist für Populisten da. Und da Politiker
jeglicher Couleur anfällig sind für Populismus, eine klassische
Berufskrankheit von Mandatsträgern, ist so eine Fußball-EM für sie ein
gefundenes Fressen. Sie stopfen sich voll mit den Vibes und Brosamen, die
ein erfolgreiches Team überlässt. Der Populist, so Wikipedia, bevorzuge
einfache, emotional ansprechende Botschaften, um komplexe Probleme zu
erklären.
Für den Tribünenpolitiker heißt das: Schaut her, liebe Wählerinnen und
Wähler, ich trage das Nationalmannschafts-Leibchen, ich bin einer von denen
da unten, die gerade so geil aufspielen. Bin ich nicht auch irgendwie geil?
Ist unsere Politik nicht irgendwie geil? Haben wir durch unser Fördergeld
das alles nicht möglich gemacht? Leise rieselt der Sternenstaub aus
fußballesker Produktion auf uns hernieder und schafft eine ganz wunderbare
Patina, die auf Instagram oder Tiktok besonders gut rüberkommt.
## Kontraproduktive Auftritte
Der Populist, obgleich mannigfaltig privilegiert, erprobt sich in der Rolle
des kleinen Mannes, der kleinen Frau. Er will in der Masse aufgehen, um
selbige zu manipulieren, nur klappt das nur bedingt, wenn die kritische
Presse ihre Arbeit macht und herausfindet, dass zum Beispiel diese eine
[2][vorgeblich volksnahe Politikerin für ein paar Dutzend Kilometer das
Flugzeug nimmt] und mit dem Großjet in die Nacht hinaus braust, was
eigentlich verboten ist für den Plebs.
Es ist halt schwer, kostenlos auf einem Ledersessel mit bester Sicht auf
das Spielfeld sitzend so zu tun, als habe man [3][den Spießrutenlauf der
beschwerlichen Fan-Anreise gehabt], samt Zugverspätung, Anstehwahnsinn und
Beutelschneiderei. Im Grunde wirken die Auftritte von Politikern und
Politikerinnen heute kontraproduktiv, weil sie nicht mehr naiv konsumiert
werden, sondern zynisch.
Die Absicht von Politfex A wird durchschaut: Er ist ein Blender, will im
Stadionlicht noch greller erscheinen. Die Attitüde von Politstarlett B ist
noch offensichtlicher: Sie möchte profitieren vom Superevent, sich
dranhängen wie der Putzerfisch an den Hammerhai. So ist es schon immer
gewesen, so wird es immer sein. Naturgemäß, würde Thomas Bernhard sagen.
11 Jul 2024
## LINKS
[1] /Vor-dem-Spiel-Tuerkei-gegen-Niederlande/!6021839
[2] /Baerbocks-Kurzstreckenflug/!6019210
[3] /Transport-zum-EM-Stadion/!6016120
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Kolumne Deutsches Theater
Populismus
Social Media
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Klimawandel
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