# taz.de -- Ökonomische Folgen der EM: Nichts als Feelgood | |
> Ausrichtende Städte und Politiker:innen erhoffen sich von der EM | |
> einen andauernden positiven Einfluss. Aber was bleibt wirklich vom | |
> Turnier? | |
Bild: Wirtschaftsminister Robert Habeck (r.) mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf… | |
Die Fußballeuropameisterschaft ist im letzten Viertel angekommen. Den | |
Bundespolitiker*innen bleibt noch bis zum Finalspiel am 14. Juli | |
Zeit, sich im Stadion zu inszenieren. Blöd nur, dass die Deutschen schon | |
ausgeschieden sind. Es wird also keine Bilder mehr geben von Robert Habeck | |
im pinken Trikot zu irgendeiner Preisverleihung in Berlin. | |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Außenministerin Annalena Baerbock oder | |
Bundeskanzler Olaf Scholz können sich nicht mehr als Edelfans der | |
Nationalmannschaft auf der Tribüne zeigen. Die öffentlichkeitswirksamen | |
Darstellungen patriotischer Fanartikel durch Politiker in den sozialen | |
Medien werden dennoch in Erinnerung bleiben. | |
Teile der Bundesregierung scheinen der Meinung zu sein, man dürfe nationale | |
Symbolik nicht den Rechten überlassen. Sie wollen von einem patriotischen | |
Trend profitieren und lassen gleichzeitig nur allzu gerne vom freundlichen | |
Image des weltoffenen Gastgeberlands und Wirtschaftsstandorts Deutschland | |
reden. Von der Nation ist viel die Rede und von einer Aufbruchstimmung, die | |
vom Turnier ausgehen soll. Dabei wird ausgeblendet, dass an den Orten, an | |
denen Flagge gezeigt, die Nationalhymne gesungen und von „unseren Jungs“ | |
gesprochen wird, auch viel Platz für rechtes Gedankengut ist, das als | |
Katalysator für Rassismus, Queerfeindlichkeit und patriarchale Gewalt | |
wirken kann. | |
So melden deutschlandweit Beratungsstellen Vorfälle im Zusammenhang mit der | |
EM. Eine Sprecherin von „Response Hessen“, einer Anlaufstelle für | |
Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Hessen, | |
sprach gegenüber der taz von „rassistischen Anfeindungen in der | |
Nachbarschaft und queerfeindlich motivierten Angriffen“. Zudem würden immer | |
wieder die sattsam bekannten rassistischen Parolen zu „L’amour toujours“ | |
gegrölt. | |
## Selektive Problematisierung | |
Dem Berliner Register, Meldestelle für Diskriminierung und Ausgrenzung in | |
Berlin, sind ebenfalls Ausschreitungen von extrem rechter Symbolik im | |
Umfeld der EM-Austragungsorte bis zu Beleidigungen und Bedrohungen bekannt. | |
Sprecherin Kati Becker sagte: „Fußballspiele sind schon immer Ereignisse, | |
um die herum Vorfälle passieren können, zum Beispiel Hitlergrüße und | |
rassistische oder antisemitische Angriffe.“ | |
Jedoch wird im Brennglas eines Großevents wie der EM einmal mehr sichtbar, | |
dass nationalistische und rassistische Ausschreitungen auf dem Feld und in | |
den Fankurven selektiv problematisiert werden, wenn zum Beispiel deutsche | |
Fans auf den Rechtsextremismus von türkischen Fans verweisen, um vom | |
eigenen abzulenken. Derweil wurde die EM bereits auf vielen Ebenen zum | |
Spielfeld der Politik. Als Reaktion auf [1][die Wolfsgruß-Geste des | |
türkischen Nationalspielers Merih Demiral] kam es sogar zu diplomatischen | |
Verwicklungen zwischen Deutschland und der Türkei. | |
[2][Vielleicht bringt das Turnier ja wenigstens den Ausrichterstädten | |
etwas.] Die zehn Städte, welche die EM-Spiele in Deutschland ausrichten, | |
haben mehrere Millionen Euro investiert, um ein geeignetes EM-Umfeld zu | |
schaffen. Die Uefa dagegen erwartet einen Gewinn von etwa einer Milliarde | |
Euro bei gleichzeitiger Quasi-Steuerfreiheit. Dennoch erhoffen sich die | |
Städte und Regionen natürlich genau wie Politiker*innen einen | |
andauernden positiven Einfluss der EM. Aber bringt’s wirklich was? | |
Wenig vermutlich. Fußballeuropameisterschaften haben laut Ökonom*innen | |
tatsächlich nur wenig Einfluss auf die Konjunktur. Dem Makroökonomen und | |
Vizepräsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), | |
Oliver Holtemöller, nach könnten kurzfristig zwar leichte positive Effekte | |
auf die Konjunktur erwartet werden, langfristig allerdings „keine großen, | |
substanziellen“. | |
## Kurzfristig positive Stimmung, mehr nicht | |
Diese kurzfristige Wirkung hat tatsächlich eine Stimmungsverbesserung zum | |
Grund, die Holtemöller als „Feelgood-Effekt“ beschreibt. Demnach wird die | |
gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Form der individuellen Erwartungshaltung | |
von Unternehmen und Konsument*innen ihrer eigenen ökonomischen Lage | |
gegenüber durch die gehobene Stimmung während großen Sportereignissen | |
angekurbelt. | |
Dem positiven Effekt gegenüber stehen jedoch so viele Investitionskosten, | |
Verdrängungs- und Substitutionseffekte sowie grundlegende infrastrukturelle | |
Probleme, dass die positiven Effekte auf das Gesamt-Bruttoinlandsprodukt zu | |
vernachlässigen sind. Dass es [3][an einer funktionierenden | |
ÖPNV-Infrastruktur in diesem Land bei Weitem fehlt], wurde bei nun mehreren | |
EM-Spielen bereits ausreichend bewiesen. Die Welt hat lauthals über | |
Deutschland gelacht. Die Vorstellung, mit der EM von einer miserablen | |
Haushaltslage, hochgezogenen Grenzen und maroden Infrastrukturnetzen | |
ablenken zu können, wird wohl nicht aufgehen. | |
Nach Ende der EM dürfte dann auch nichts von der guten Stimmung und den | |
Flaggen bleiben. | |
8 Jul 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Sabrina Osmann | |
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