# taz.de -- Ausstellung über Nazi-Gegner Bosques: Der Fluchthelfer aus Mexiko | |
> Er rettete viele Menschen vor den Faschisten – unter anderem Anna Seghers | |
> und Hanns Eisler. Eine Ausstellung in Berlin ehrt den Mexikaner Gilberto | |
> Bosques. | |
Bild: Ausstellungsplakat von „Letzte Zuflucht Mexiko. Gilberto Bosques und da… | |
Der Held der Geschichte ist zweifellos Gilberto Bosques. Womit nicht gesagt | |
werden soll, dass sie nicht alle Unglaubliches durchgemacht haben: Anna | |
Seghers, Hanns Eisler, Walter Janka, Brigitte Alexander und all die | |
anderen, die vor den deutschen Faschisten nach Mexiko geflüchtet sind. Aber | |
ohne Gilberto Bosques hätten sie wohl nie ihr Exilland in Übersee erreicht. | |
Der mexikanische Generalkonsul stellte ab 1939 Kämpfern aus dem Spanischen | |
Bürgerkrieg und weiteren Verfolgten der Nazis Ausweispapiere aus und sorgte | |
damit dafür, dass zahlreiche Juden und Kommunisten Europa sicher verlassen | |
konnten. Bei Marseille mietete er zwei Schlösser, in denen über tausend | |
Flüchtige Schutz, Essen und medizinische Versorgung erhielten, bevor sie | |
sich auf die Schiffsreise machten. | |
Den Lebensweg von 25 deutschen Intellektuellen, die so nach Mexiko | |
gelangten, zeichnet eine Ausstellung nach, die derzeit in der Berliner | |
Akademie der Künste zu sehen ist. Fotos, Notizen, Passierscheine und | |
biografische Texte, präsentiert in Aluminiumkoffern, erzählen von den | |
gefährlichen Seereisen über Casablanca in den sicheren Hafen Veracruz oder | |
vom Badeurlaub am Pazifikstrand. | |
Stellwände informieren über den Heinrich-Heine-Klub, die Bewegung Freies | |
Deutschland oder die mexikanische Premiere der „Dreigroschenoper“. Denn | |
„anders als in den meisten Exilländern war es in Mexiko nicht nur erlaubt, | |
sondern auch erwünscht, dass sich die aufgenommenen Flüchtlinge politisch | |
engagierten“, erläutert die Projektleiterin Christine Fischer-Defoy im | |
lesenswerten Katalog zur Ausstellung. | |
Es war die Zeit des fortschrittlichen Präsidenten Lázaro Cárdenas, Mexikos | |
Außenpolitik orientierte sich antifaschistisch. Das Leben im Exil | |
entwickelte sich dort vollkommen anders als in der stalinistischen | |
Sowjetunion. | |
## Lesungen im Heinrich-Heine-Klub | |
Von „grenzenloser Freiheit“ sprach Walter Janka, der in Mexiko-Stadt den | |
Verlag „El libro libre“ – „das freie Buch“ – leitete. Anna Seghers | |
veröffentlichte dort die erste deutschsprachige Ausgabe ihres Werkes „Das | |
siebte Kreuz“. Im Heinrich-Heine-Klub veranstalteten kommunistische und | |
bürgerlich-jüdische Emigranten gemeinsam Lesungen, auch die Schauspielerin | |
Brigitte Alexander begann dort ihre mexikanische Karriere. | |
„Wir in Mexiko formulierten in unseren Zeitschriften Vorstellungen, die auf | |
die Sammlung aller demokratischen Kräfte und nicht auf ein neues | |
autoritäres Regime, auch nicht auf eine proletarische Diktatur, | |
ausgerichtet waren“, erinnert sich Janka, der später in der DDR den | |
Aufbau-Verlag leitete. Aber auch an den nach Mexiko Exilierten zogen die | |
Konflikte innerhalb der Linken nicht vorbei. Flügelkämpfe spalteten deren | |
Organisationen, Libertäre standen gegen die Kader der stalinistischen KPD. | |
Wer wie der Komponist Eisler den Hitler-Stalin-Pakt kritisierte, wurde von | |
den kommunistischen Freunden boykottiert. Der Herausgeber der | |
anarchistischen Aktion, Franz Pfemfert, hielt sich den Emigrantenkreisen | |
einfach fern. Einzig mit Natalia Sedowa, der Witwe des 1940 in Mexiko-Stadt | |
ermordeten Leo Trotzki, hatte er Kontakt. | |
## Kollaborateure des „zionistischen Feindes“ | |
Vor allem jene, die der kommunistischen Bewegung nahe standen, gingen | |
später in die DDR. Für manche wurde es eine Heimkehr mit Schrecken. Als | |
„Westemigranten“ standen sie bei den im Moskauer Exil geschulten | |
Stalinisten ohnehin unter Generalverdacht, wegen ihrer Kontakte zu | |
jüdischen Organisationen galten sie schnell als Kollaborateure des | |
„zionistischen Feindes“. | |
Janka etwa wurde als „Agent der Imperialisten“ zu fünf Jahren Haft | |
verurteilt. Von Glück können jene reden, die in Mexiko geblieben sind. Etwa | |
Brigitte Alexander, deren Mann Alfred Alexander-Katz die Aussteller mit | |
schmeichelnden Worten zitieren: „Die Einzigen, die sich anständig benommen | |
haben auf dieser Welt, waren die Mexikaner gewesen, und hier bleiben wir.“ | |
4 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Mexiko | |
Nazis | |
Flucht | |
Exil | |
Weimarer Republik | |
Drogenkrieg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Linker Franz Pfemfert: Zum Glück zufällig Fotograf | |
Bekannt ist Franz Pfemfert als linker Aktivist und Publizist der Weimarer | |
Republik. Ein neues Buch zeigt: Als Fotograf porträtierte er sein Umfeld. | |
Werkschau zu Hanns Eisler: Ändere die Welt, sie braucht es | |
Unbedingt immer wieder Hanns Eisler hören! Eine große CD-Box bietet nun zum | |
Glück eine gute Gelegenheit dazu. | |
Berlinale-Film über Mexikos Drogenkrieg: 3.600 Tote pro Jahr | |
Obszöne Gewaltkultur im Drogenmilieu und der aussichtslose Kampf der | |
Polizei in Ciudad Juárez: Shaul Schwarz Dokumentarfilm „Narco Cultura“. | |
Mahnmal Deportationslager Les Milles: Staub und Elend | |
In Frankreich wurde das ehemalige Internierungs- und Deportationslager Les | |
Milles eröffnet: als Mahnmal gegen Menschenverfolgung. | |
Neonazi-Hetze per Internet: Liste der Einschüchterung | |
Neonazis veröffentlichen im Internet eine Hass-Liste von Organisationen und | |
Personen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Betroffene nehmen | |
sie ernst. | |
Biografie zu Künsthändler Alfred Flechtheim: Wahnsinniges mit Kunst | |
Alfred Flechtheim war der einflussreichste deutsche Kunsthändler der 1920er | |
Jahre. Jetzt erinnert endlich eine detaillierte Biografie an den Galeristen | |
der Avantgarde. | |
Jud Süß und die Nibelungenfestspiele: Zum Sündenbock gemacht | |
Die Nibelungenfestspiele Worms luden zu einem Filmwochenende. Im | |
Mittelpunkt stand die Instrumentalisierung des Josef Süßkind Oppenheimer | |
als Jud Süß. | |
Historikerin Meyer über jüdisches Bleiben: "Die Älteren wiegten sich in Sich… | |
Beate Meyer von Hamburger Institut für die Geschichte der deutschen Juden | |
hat einen Tagungsband mit herausgegeben, der sich mit jüdischem Bleiben und | |
Fliehen zwischen 1938 und 1941 befasst. | |
Kunsthandel in der NS-Zeit: Die gierigen Helfer der Räuber | |
"Gute Geschäfte" machten deutsche Kunsthändler mit den enteigneten | |
Beständen ihrer jüdischen Kollegen. Das Aktive Museum beleuchtet in der | |
gleichnamigen Schau im Centrum Judaicum den Berliner Kunsthandel von 1933 | |
bis 1945 und darüber hinaus. |