# taz.de -- Kunsthandel in der NS-Zeit: Die gierigen Helfer der Räuber | |
> "Gute Geschäfte" machten deutsche Kunsthändler mit den enteigneten | |
> Beständen ihrer jüdischen Kollegen. Das Aktive Museum beleuchtet in der | |
> gleichnamigen Schau im Centrum Judaicum den Berliner Kunsthandel von 1933 | |
> bis 1945 und darüber hinaus. | |
Bild: Beraubt und im Exil gestorben: der Kunstsammler Alfred Flechtheim (1878-1… | |
Halbseitige Anzeigen wie diese in der Zeitschrift Weltkunst gehörten | |
während der Nazizeit zum Alltag des Kunsthandels: Am 22./23. März 1935 | |
versteigerte das Antiquariat und Auktionshaus Paul Graupe in der Berliner | |
Bellevuestraße 3 "die Bestände der liquidierten Firma Galerie Dr. Otto | |
Burchard & Co". Ebenfalls unter den Hammer kam bei dieser Versteigerung die | |
hochwertige Sammlung moderner Kunst des jüdischen Kaufmanns Max Silberberg | |
sowie "Gemälde aus einer bekannten Schlesischen Privatsammlung und aus | |
Hamburger Privatbesitz". Graupe bot Bilder von Liebermann, Corot, Courbet | |
und Manet an - vieles aus "nichtarischem Besitz". | |
Paul Graupe zählte ab 1933 noch zu den wenigen seriösen Adressen, an die | |
sich jüdische Kunstsammler und Galeristen wenden konnten, wenn sie sich | |
gezwungen sahen, ihren Besitz zu veräußern, um mit dem Erlös sich und ihre | |
Familien in Sicherheit bringen zu können. Wegen des internationalen | |
Renommees galt Graupe, selbst Berliner Jude, der 1939 über Paris nach New | |
York floh, sowohl als solider Notverkäufer für die liquidierten Galerien | |
als auch als wichtiger Devisenbringer für den NS-Staat. | |
Andere, wie die Berliner Auktionshäuser Harms und Lange sowie die | |
Kunsthändler Karl Haberstock - "Hitlers Hoflieferant" -, Leo Spik oder | |
Hansjoachim Quantmeyer gingen weniger zimperlich mit dem Besitz und der | |
Notlage ihrer einstigen jüdischen Kollegen um. Eduard Plietzsch etwa diente | |
sich bei den Nazis an, um für diese in Holland versteckte Depots jüdischer | |
Sammler aufzuspüren. Im eigenen Interesse, im Auftrag der Partei oder aus | |
purer Gier assistierten sie dem NS-Regime bei der "Arisierung" jüdischen | |
Privateigentums und des Kunsthandels, unterschlugen Werke der verfemten | |
Moderne und machten schließlich dicke Geschäfte mit Bildern, Skulpturen, | |
Porzellan und Teppichen der exilierten oder deportierten Mitbürger und | |
Kollegen. | |
Das Aktive Museum widmet diesem Aspekt des Raubs und Vertreibung ab 1933 | |
auf dem Berliner Kunstmarkt seine Ausstellung "Gute Geschäfte. Kunsthandel | |
in Berlin 1933 bis 1945". Am Beispiel von 14 Kunsthandlungen und | |
Auktionshäusern dokumentiert die faktenreiche Schau, wie die NS-Politik | |
eine bis 1933 weitgehend unabhängige und respektierte Branche beeinflusste | |
und weitgehend zerschlug. | |
Die Kuratoren haben Fotographien, Originalrechnungen, Karten, Tonaufnahmen | |
und Tabellen in mühevoller Sorgfalt zusammengetragen. Ihre 14 Protagonisten | |
- Täter, Opfer und Mitläufer - zeigen sie in goldenen Rahmen, als wären | |
deren Geschichten selbst Kunstwerke. Es ist das einzige Stilmittel in einem | |
sonst äußerst sachlichen Ausstellungskonzept. Was gut ist, sind doch die | |
Lebensläufe drastisch genug. Zum Beispiel die der jüdischen Unternehmer und | |
Sammler Max Cassirer und Robert Graetz, die ausgebürgert beziehungsweise | |
deportiert und ermordet wurden und mit deren Bildern der Handel weiter | |
florierte. Es ist bitter zu sehen, wie die Geschäfte - oftmals von | |
krimineller Energie gesteuert - in der Hand ihrer nicht-jüdischen Kollegen | |
in aller Öffentlichkeit weiter gingen. | |
Anders als zur Eröffnung der Präsentation suggeriert ist es nicht das erste | |
Mal, dass eine Ausstellung oder ein Forschungsprojekt sich dem Thema | |
Kunsthandel in der Nazizeit annimmt. Bereits 1984 erschien Eberhard Roters | |
Buch über die Geschichte des Berliner Galeristen Ferdinand Möller. Dennoch | |
liegt der Schwerpunkt der Provenienzforschung nicht gerade im Bereich des | |
Kunsthandels. Umso wichtiger und mutiger war es, dass das kleine Aktive | |
Museum und seine Leiterin Christine Fischer-Defoy sich diese Arbeit | |
aufgehalst haben und die Profiteure, Opportunisten und Schnäppchenjäger - | |
aber auch die letzten Aufrechten der Branche - samt dem politischen Kontext | |
unter die Lupe nahmen. | |
Das Ende der jüdischen Kunsthändlerschaft und Sammler begann wie alles in | |
der Nazizeit früh. Bereits im September 1933 wurden Verordnungen gegen | |
Kunsthandelsfirmen erlassen. Das Ziel war deren systematische | |
wirtschaftliche und persönliche Zerstörung. Jeder Kunsthändler musste | |
Mitglied der neu gegründeten Reichskulturkammer werden. Wohl wissend, dass | |
Juden angesichts der wachsenden Bedrohungen ihre Auswanderung planten, | |
erließen die Nazis Gesetze, die ihnen ganze Sammlungen, Bestände oder | |
exklusives Wohnungsinventar in die Hände spielten. Zwangsabgaben wie | |
"Reichsfluchtsteuer", "Sühneleistungen der Juden" und | |
"Judenvermögensabgabe" waren so hoch angesetzt, dass diese nur durch den | |
Verkauf oder die Versteigerung ganzer Galeriebestände abgelöst werden | |
konnten. | |
Nicht alle rettete der Ertrag: Während der bekannte Kunsthändler Alfred | |
Flechtheim seinen Kunsthandel 1936 aufgab und sich nach Paris und London | |
absetzte, konnte seine Frau Betti die hohe Reichsfluchtsteuer nicht | |
bezahlen und blieb in Berlin. 1941, am Vorabend ihrer Deportation, beging | |
sie Selbstmord. Die Gestapo versiegelte ihre Wohnung, deren Wände mit | |
Werken moderner Künstler, darunter Beckmann, Chagall oder Picasso, drapiert | |
gewesen sein sollen. Diese gelten bis dato als verschwunden. | |
Ab 1938 galt ein generelles Berufsverbot für jüdische Kunsthändler. Ihre | |
Geschäfte wurden liquidiert oder arisiert. Das einst international | |
bedeutende Galerienviertel im Tiergarten, dessen Kunsthäuser und Galerien | |
sich auf Werke der Moderne, Kubisten, Dadaisten oder Expressionisten | |
spezialisiert hatten, existierte fortan nicht mehr. 312 jüdische | |
Niederlassungen in Berlin hatten bis dahin den von der NS-Kunstkammer | |
umstrukturierten Berufsverband verlassen müssen. | |
In der Schau ist nicht nur zu sehen, "wer von der NS-Politik aktiv | |
profitiert hat, sondern auch in welchem großen Maß es gelang, mit | |
unlauteren Mitteln sich Vorteile zu verschaffen", betont Fischer-Defoy. | |
Kunsthändler rissen sich Sammlungen in Gänze unter den Nagel. Sowohl | |
geraubte als auch angekaufte Werke niederländischer, deutscher oder | |
italienischer Maler wanderten ins Projekt Führermuseum Linz. Oft mussten | |
die jüdischen Besitzer eilig und zu Schleuderpreisen verkaufen. Ihre | |
Kunstwerke, Münzen, Bücher, Möbel, Antiquitäten, Teppiche und | |
Haushaltsgegenstände wurden dann auf Auktionen hochpreisig an neue deutsche | |
Käuferschichten versteigert. | |
Kunsthändler, Versteigerungshaus, Spediteure, Hehler - alle machten ihren | |
Schnitt. So listet "Gute Geschäfte" eine Tabelle der NS-Finanzbehörde auf, | |
wonach vom Berliner Auktionshaus Hans W. Lange allein 16.558 Kunstwerke bis | |
1945 versteigert wurden. Von der Umverteilung profitiert haben Firmen, die | |
es heute noch gibt: Das Auktionshaus Leo Spik am Ku'damm etwa führte bis | |
1944 Auktionen beschlagnahmter und in besetzten Ländern erbeuteter Kunst im | |
Auftrag der NS-Behörden durch. Spik konnte nach dem Krieg - und mit dem | |
Bundesverdienstkreuz geehrt! - weitermachen. | |
Belangt wurde die Mehrzahl der Kunsthändler und AuktionatorInnen, die sich | |
als Arisierer, Verkäufer, Hehler oder Versteigerer betätigten, selten. Es | |
herrscht bis dato ein Stillschweigen über die NS-Geschichte ihrer Häuser. | |
Nur Hansjoachim Quantmeyer, "der Kunsthändler der Partei", wurde belangt | |
und kam nach dem Krieg in sowjetischer Gefangenschaft um. | |
Zeichnet die Ausstellung exemplarisch die Wege vom Kunsthändler zum | |
Kunsthehler für die Nazis nach, so lässt sie doch die Fragen nach den | |
Käufern und dem Werdegang vieler Werke zum Teil unbeantwortet. Dass Göring | |
und Hitler sich Kunst aneigneten, dass viele Bilder und Skulpturen der | |
Aktion "Entartete Kunst" ins Ausland verkauft wurden, ist bekannt. Aber | |
welche Museen, städtischen Galerien und staatlichen Einrichtungen bis 1945 | |
an den "guten Geschäften" beteiligt waren, welche Rolle der nochmals | |
enteignete Kunsthandel in der DDR spielte, und mit welchen Mitteln und aus | |
Angst vor Restitution bis dato Museumschefs Blicke in ihre Depots und | |
Geschäftsbücher verhindern, verdient Aufklärung. | |
Was nicht als Vorwurf an die Ausstellungskuratoren gemeint sein soll: Denn | |
dies kann nicht der Job des kleinen Aktiven Museums bleiben. Das muss die | |
Aufgabe von wissenschaftlichen Projekten und der großen Institutionen zur | |
Provenienzforschung sein. | |
11 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |