# taz.de -- Ausstellung über Erika Mann: Ade, Jeunesse dorée | |
> Mehr als nur Tochter: Die Nationalbibliothek Frankfurt widmet der | |
> Kabarettistin, Kriegsreporterin und politischen Aktivistin Erika Mann | |
> eine eigene Schau. | |
Bild: Erika Mann hielt unter anderem Vorträge über die Gefahren, die der Demo… | |
Vielen sind [1][Erika Mann (1905–1969)] und ihr [2][jüngerer Bruder Klaus] | |
(1906–1949) allenfalls als bewunderte oder beneidete Paradiesvögel der | |
skandal- und legendenreichen Jeunesse dorée der Weimarer Republik bekannt. | |
Es war deshalb eine weise Entscheidung der Kuratorin Irmela von der Lühe, | |
die Existenz und Bedeutung Erika Manns als „Kabarettistin, Kriegsreporterin | |
und politische Rednerin“ ins Zentrum der ersten ihr gewidmeten | |
Einzelausstellung in der Frankfurter Nationalbibliothek zu stellen. | |
Die spektakuläre(n) Geschichte(n) und Legenden über Erika Mann als Tochter | |
[3][des berühmten Dichtervaters] oder als Ehefrau zweier schwuler Männer | |
(des Schauspielers Gustaf Gründgens und des englischen Dichters W. H. | |
Auden) bleiben so zum Vorteil des Ausstellungsbesuchers den an derlei | |
Interessierten überlassen. | |
Erika Mann schaffte das Abitur mit Ach und Krach, das heißt mit | |
„mangelhaft“ in fast allen Fächern. Sie verbrachte ihr Leben als attraktive | |
junge Frau – wie in den „besseren Kreisen“ damals üblich – auf | |
Tennisplätzen, beim Ski- und Autofahren und rauchend in Straßencafés. | |
Sie nahm im Sportwagen an einer Rallye quer durch Europa teil, ließ darüber | |
mit Bild berichten und schrieb selbst kleine Artikel über ihr exklusives | |
Hobby: „Sehr wichtig ist das Verhalten den Wagen gegenüber, die von der | |
anderen Richtung kommen“– und empfahl den Verkehrsteilnehmern „chevaleres… | |
Regeln“, die sie als „Landstraßenritterlichkeit“ bezeichnete. | |
## Von der Bohemienne zur Bolschewistin | |
Nach der Schulzeit absolvierte sie eine Ausbildung als Schauspielerin bei | |
Max Reinhardt, während ihr Bruder Klaus Theaterstücke für sie schrieb. Sie | |
fand schnell Engagements an Theatern in Hamburg, Bremen, Frankfurt und | |
München. Sie beendete ihr luxuriös-harmloses Leben als Bohemienne und „Frau | |
ihrer Zeit“ (Irmela von der Lühe) am 13. Januar 1932 mit einem Auftritt auf | |
dem von der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ | |
organisierten Kongress zum Beginn der Genfer Abrüstungsgespräche. | |
Danach wurde sie von der nationalsozialistischen Presse wegen ihrer Rede in | |
der „pazifistischen Megärenversammlung“ als „bolschewistische Furie“ s… | |
attackiert. Den wegen Beleidigung und Verleumdung angestrengten Prozess | |
gewann sie allerdings. Zwei Blätter mussten je 1.500 Reichsmark Geldstrafe | |
bezahlen. | |
Die Erfahrung mit der Rechtspresse politisierte die junge Frau. An der | |
Seite von Therese Giehse trat sie vom 1. Januar 1933 bis zur Übergabe der | |
Macht an die Nazis am 30. Januar im Münchener Kabarett Die Pfeffermühle | |
auf, in dem der zukünftige Machthaber weitsichtig als „Prinz von Lügenland�… | |
verspottet wurde: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wer immer lügt, | |
dem wird man glauben.“ | |
Nach der Flucht in die Schweiz trat das Kabarett ab Oktober 1933 und bis zu | |
Manns Emigration in die USA in vielen Städten in der Schweiz, in Holland, | |
Belgien und Böhmen auf. In den USA wurde sie von einem Veranstalter als | |
politische Rednerin engagiert und hielt quer durch den ganzen Kontinent | |
monatlich 70 bis 80 Vorträge zum Boykott deutscher Waren, über die | |
Gefahren, die der Demokratie vom Rassismus drohen sowie zum Schicksal von | |
Frauen im Exil. | |
## Soldatin und Kriegsreporterin bei den Nürnberger Prozessen | |
Als Kriegsreporterin und Soldatin der 9. US-Armee kam sie nach Persien, | |
Palästina und Ägypten und 1944 schließlich nach Frankreich. Noch vor dem | |
Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gelang es ihr, die 52 in Luxemburg | |
internierten deutschen Kriegsverbrecher zu sehen. Vom Prozess selbst | |
berichtete sie lapidar: „Wie der Rest ihrer Landsleute haben sie nichts | |
getan, nichts gesehen und nichts gewusst.“ | |
Das Bild der von ihr bewunderten USA verdüsterte sich rapid, als Erika Mann | |
im Zuge des bereits 1947 einsetzenden Kalten Kriegs erfuhr, dass sie von | |
US-Geheimdiensten und dem FBI überwacht wurde. Am 11. Dezember 1950 zog sie | |
deshalb ihren Einbürgerungsantrag zurück. Sie protestierte gegen die | |
[4][Praktiken des McCarthyismus] ebenso wie gegen die willkürliche | |
Verhaftung Walter Jankas durch das noch vom Stalinismus geprägte DDR-Regime | |
am 17. Dezember 1956. | |
Außer mit Büchern, Dokumenten und Fotos wartet die sehr informative | |
Ausstellung mit Hörstationen auf, an denen Erika Mann in Rundfunk- und | |
Fernsehaufnahmen zu hören und zu sehen ist. | |
13 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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