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# taz.de -- Aufstieg rechter Unternehmer: Galionsfigur des Tech-Faschismus
> Elon Musk setzt sein Geld ein, um einen digitalen Faschismus
> voranzutreiben – auch in Deutschland. Was steht uns bevor?
Bild: Elon Musk bei einem Wahlkampfauftritt für Donald Trump im Madison Square…
Elon Musk ist auf einem Kreuzzug. Der Tech-Milliardär will rechtsextreme
Positionen politisch legitimieren und in der breiten Öffentlichkeit
normalisieren. Als reichster Mann der Welt hat er das Potenzial und den
Willen, weit über die Beeinflussung der Wahlen in Deutschland hinaus einen
globalen Rechtsruck zu befeuern – und er ist gewillt, über den
parlamentarischen Arm hinaus mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten.
Eines der jüngsten Beispiele: Musk teilte etwa einen Post des
Verschwörungstheoretikers Alex Jones, der behauptete, die Waldbrände in Los
Angeles seien Teil eines größeren „globalistischen“ Planes, die USA zu
deindustrialisieren.
Musk ist die fleischgewordene Manifestation des „Move Fast and Break
Things“-Mottos des Silicon Valley der frühen 2000er. Dabei [1][setzt er auf
die größtmögliche Disruption]. Dem Motto folgend geht es Musk nicht darum,
strategisch und kalkuliert ein frühzeitig gesetztes Ziel zu erreichen.
Schnelligkeit und Schnelllebigkeit sind seine Devisen.
## Adolf Hitler als Kommunist
Grund dafür ist auch, dass sich Musk selbst in einem
Radikalisierungsprozess befindet: Denn er ist nicht nur Besitzer von und
Stimmungsmacher auf X, sondern auch Konsument seines Algorithmus, der
rechtsextremen Positionen immer mehr Reichweite gibt.
Politiker*innen suchen dabei Musks Unterstützung. „Only the AfD can
save Germany“, schrieb Musk auf X über die vom Verfassungsschutz als
rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte Partei. Kurz darauf bettelte
FDP-Chef Christian Lindner, seinerseits ausgesprochener Fan von
Rechtslibertären wie Elon Musk und Javier Milei, den X-Inhaber an, [2][der
FDP seine Gunst zu schenken].
Doch die Politik der Freien Demokraten ist Musk bislang nicht
migrationsfeindlich, nicht rassistisch, nicht verschwörungstheoretisch
genug.
Stattdessen trat Musk im Live-Space mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice
Weidel auf. Dort gab er ihr eine Bühne, um Adolf Hitler als Kommunisten zu
framen. Für die rechte Kanzlerkandidatin ist die Unterstützung durch Musk
kurz vor der Wahl wie ein Sechser im Lotto. Gleichzeitig verstärkt Musk
damit die Rolle, die Weidel in der AfD einnimmt: Sie ist das konservativ
anmutende Gesicht einer sich stetig radikalisierenden Partei, in der das
Höcke-Lager längst die Führung übernommen hat.
## Ein Spiel mit dem Feuer
Sich mit Musk einzulassen, ist für Politiker*innen allerdings ein
Spiel mit dem Feuer, denn sein Drang zur Zerstörung und seine Bereitschaft
zur Verwüstung können auch sie treffen. Obgleich Musks Fürsprachen rechte
Politik normalisieren und international legitimieren können, kann seine
zerschmetternde Ablehnung Personen und Entscheidungen in Windeseile
diskreditieren.
Wie schnell das passieren kann, zeigt ein Blick nach Großbritannien. Nigel
Farage, der Vorsitzende von Reform UK, musste dort schmerzhaft erfahren,
dass eine Liaison mit Musk für rechte Politiker*innen nicht zwingend
von Dauer oder Vorteil ist. Noch im Dezember lungerten die beiden gemeinsam
in Trumps Residenz in Mar-a-Lago herum, um zwielichtige
Parteispendenabwicklungen zu planen. Im Januar forderte Musk dann aber auf
X Farages Rücktritt, da er nicht in der Lage sei, die Reformpartei
anzuführen.
Was war passiert? Farage hatte Musks Forderung nach der Freilassung des
inhaftierten britischen Rechtsextremen Tommy Robinson nicht mittragen
wollen. Robinson sitzt derzeit in Haft, weil er wiederholt falsche
Behauptungen über einen syrischen Flüchtling verbreitete. Nach Musks
Frontalangriff ruderte Farage bald zurück. In einem Interview mit dem
Sender Great Britain News, das britische Pendant zu dem Trump-Haussender
Fox News, schwächte Farage seine Kritik an Robinson ab. Anschließend hob er
fast prahlend hervor, dass Musk seine Beiträge auf X weiterhin teilte.
Wie der Fall Farage zeigt, könnte sich Musks Positionierung auch auf
innerparteilichen Kämpfe um die Ausrichtung der AfD auswirken. Sollte sich
Weidel, die das selbsternannte „libertär-konservative“ Lager der Partei
vertritt, der tieferen Faschisierung der Partei ihrer Partei
entgegenstellen, könnte sie das gleiche Schicksal wie Farage ereilen.
## Musk zu unterschätzen ist gefährlich
Dass Musk mit seiner Taktik Erfolg hat, liegt vor allem daran, dass seine
politische Radikalisierung und sein unternehmerischer Erfolg nach wie vor
getrennt betrachtet werden. Für viele gilt Musk weiterhin vor allem als
genialer, disruptiver Erfinder und Unternehmer. Zwar wird anerkannt, dass
er vermehrt radikale politische Meinungen vertritt.
Doch gilt dieser Fakt oft als zweitrangig, ganz nebensächlich. Wegen Musks
beispielloser Wirtschaftsmacht in Schlüsselindustrien – den sozialen
Medien, Elektromobilität, und Internetsatelliten – ringen
Politiker*innen verschiedenster Couleur um seine Gunst als Investor.
Gleichzeitig profitiert Musk von einem verharmlosenden Umgang mit ihm.
Nicht nur wird er als genialer Unternehmer dargestellt. Parallel – und fast
schon widersprüchlich – wird er beinahe kindlich behandelt, als
sozial-unbeholfener Jugendlicher hingestellt, der sich zu früh auf die
Spielwiese der Großen begeben und sich eben im Ton vergriffen hat.
Ganz ernst genommen werden seine politischen Interventionen selten. Als
Musk sich offen für die AfD aussprach, äußerte sich FDP-Generalsekretär
Marko Buschmann mit den Worten, jeder Mensch habe das Recht, „auch dumme
Vorschläge zu machen“. Und Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte auf einen
X-Beitrag Musks („Olaf ist ein Narr“) mit der Weisung, man müsse bei
solchen Kommentaren „cool bleiben“.
## Marc Zuckerberg deutet eine politische Wende an
Längst hat Musk mächtige Nachahmer*innen gefunden. Die Unterstützung
rechter Parteien und Politiker*innen verspricht den Tech-Milliardären
nämlich auch wirtschaftliche Vorteile. Laut dem Milliardärs-Index von
Bloomberg ist das Vermögen der zehn reichsten Menschen der Welt – und
insbesondere derer, die Trump unterstützen – nach dem Wahlsieg des
Republikaners kollektiv um 64 Milliarden US-Dollar gestiegen. Musk allein
fuhr mit einem Vermögensanstieg von 26,5 Milliarden US-Dollar mehr als ein
Drittel der Summe ein.
Doch nicht alle gingen mit noch volleren Taschen aus der Wahlnacht hervor.
Miese machte etwa Facebook-Gründer und Meta-Chef Mark Zuckerberg, der mit
Musk in Rivalität steht und von einem Wahlaufruf für Trump absah. Erst nach
dem Attentat auf Trump im Juli bewegte er sich langsam auf den Republikaner
zu.
Zuckerbergs politische Wende deutete bereits eine weitere politische
Radikalisierung an. Dass Facebook und Instagram in den USA Anfang Januar
fast über Nacht die Zusammenarbeit mit Faktencheck-Redaktionen beendeten
und die Regeln für Hassrede aufweichten, ist die logische Konsequenz des
Musk-Effekts, der auch bei Zuckerberg fruchtet. Nur wenige Tage nachdem
sich Zuckerberg dem Feldzug der Desinformation angeschlossen hatte,
[3][öffnete Trump dem Meta-Chef die Türen in Mar-a-Lago].
Elon Musk mag mit seiner Radikalisierung nach rechtsaußen ein Vorreiter
gewesen sein. Doch Musk ist keineswegs einzigartig. Das Zeitalter des
digitalen Faschismus, das er als Galionsfigur anführt, wurde gerade erst
eröffnet.
Welche Lehren sollten wir aus dem Aufstieg rechter politischer
Entrepreneure ziehen? Um diesen Entwicklungen zu begegnen, hilft nur ein
breites Register an Gegenmaßnahmen. Aktuell werden Musks Interventionen vor
allem als unrechtmäßige Wahleinmischung bewertet. Ein
zivilgesellschaftlicher Aufruf auf der Petitionsseite WeAcT, X im Rahmen
des EU-Gesetzes über Digitale Dienste abzuschalten, hat über 500.000
Unterschriften gesammelt – das ermutigt.
Jenseits des Legalismus und des Fokus auf die anstehenden Wahlen braucht es
gegen den Schulterschluss zwischen Tech-Milliardären und rechten Parteien
robuste, antifaschistische Antworten.
20 Jan 2025
## LINKS
[1] /Elon-Musks-politischer-Feldzug/!6058331
[2] /Anbiederungen-an-Elon-Musk/!6057145
[3] /Elon-Musks-politischer-Feldzug/!6058331
## AUTOREN
Tatjana Söding
William Callison
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