# taz.de -- Arbeitspflicht für Geflüchtete: Arbeit oder Pflicht, schon wieder | |
> Die Debatte um Arbeitspflichten gab es schon einmal: Bei den | |
> Ein-Euro-Jobs. Das ging nicht so gut aus. Das wird bei Geflüchteten nicht | |
> anders sein. | |
Bild: Könnte das nicht auch ein Geflüchteter machen? | |
Verflixt, ich hätte doch darauf wetten sollen. Darauf, dass auf eine | |
[1][hohle, populistische Debatte (Bezahlkarten)] zwangsläufig die nächste | |
folgt (Arbeitspflicht). Erinnert sich eigentlich noch jemand daran, dass | |
wir das alles schon einmal hatten? Als es um die sogenannten | |
Arbeitsgelegenheiten vulgo Ein-Euro-Jobs ging? | |
Damals wie heute gab es diese schräge Mischung aus Ressentiment (sollen | |
gefälligst was tun für ihr Geld) und pädagogisch verbrämten Paternalismus | |
(Tagesstruktur geben, an den Arbeitsmarkt heranführen). | |
So ganz naiv gedacht, ist das ja auch erst einmal charmant: Da sitzen | |
welche rum, die haben nichts zu tun, die könnten sich doch nützlich machen | |
für die Gemeinschaft, damit geht es am Ende allen besser. Es war dann aber | |
am Ende gar nicht so einfach, dieses gemeinnützige Etwas zu finden. | |
Im Moment denkt man natürlich zuerst an die [2][Arbeiten in der | |
Flüchtlingsunterkunft selbst.] Es ist nur so: Damit kriegt man gar nicht | |
alle beschäftigt. Dafür reichen eigentlich die, die sich freiwillig melden. | |
So oft muss man den Flur halt auch nicht wischen. | |
## Jobs, die möglichst weit vom Arbeitsmarkt entfernt waren | |
Nun ja, dachte man sich damals bei den 1-Euro-Jobs, aber die könnten doch | |
auch mal ein Klassenzimmer streichen oder den Park auf Vordermann bringen. | |
Das wiederum fanden die örtlichen Malermeister und Gärtner, die damit | |
bisher Geld verdienten, nicht so gut. | |
Also richtete man es so ein, dass diese Ein-Euro-Jobs erst einer | |
umfassenden bürokratischen Überprüfung unterzogen werden mussten, damit sie | |
auch ganz sicher als gemeinnützig gelten durften und niemandem irgendwas | |
wegnahmen. | |
Ein Treppenwitz: Das Instrument, mit dem man Leute angeblich für den | |
Arbeitsmarkt befähigen wollte, durfte nur Jobs beinhalten, die | |
[3][möglichst weit vom regulären Arbeitsmarkt weg waren]. | |
Ein weiteres Problem, warum die meisten Städte und Gemeinden von diesem | |
Instrument nicht sonderlich begeistert waren: Irgendwer musste diese | |
Arbeitseinsätze ja auch koordinieren, anleiten und beaufsichtigen. | |
Da kommt man halt schnell an seine Grenzen, weil man ja weite Teile der | |
90er Jahre damit verbracht hatte, alles, was mit soliden handwerklichen | |
Tätigkeiten zu tun hatte, outzusourcen oder in Tochterfirmen zu verklappen | |
– um stattdessen in den öffentlichen Verwaltungen mehr Arbeitsplätze für | |
Juristen zu schaffen, die sich mit Ausschreibungen befassen. | |
## Wie wäre es denn mit Arbeitserlaubnissen statt Pflichten? | |
Festzuhalten bleibt: Man hat sich damals mit großer Inbrunst gestritten, ob | |
diese Art von mittelbarer Zwangsarbeit nun gut oder schlecht sei, es ging | |
dabei immer sehr um Affekte und das (teilweise desaströse) Menschenbild der | |
politisch Handelnden und ihres Wahlvolkes. In der Praxis erwies sich das | |
Instrument dann relativ schnell als untauglich. | |
Mal eine verwegene Idee: Wenn es wirklich darum geht, geflüchteten Menschen | |
eine Tagesstruktur zu geben und sie für den Arbeitsmarkt fit zu machen, wie | |
wäre es mit flächendeckendem, professionellem Deutschunterricht von Tag 1 | |
an? | |
Auch für die, die vielleicht nicht bleiben dürfen? Wäre das so schlimm, | |
wenn die um ein paar Sprach- und Landeskenntnisse reicher sind, wenn sie | |
gehen? Man könnte das ja auch als Investition in internationale Beziehungen | |
oder Entwicklungshilfe betrachten? Aber nee, schon klar, alles viel zu | |
teuer, wir haben ja auch nicht genug Lehrer. | |
Wie wäre es dann wenigstens mit [4][großzügig erteilten | |
Arbeitserlaubnissen]? Wie wäre das, wenn man einfach erst einmal jeden, der | |
will, arbeiten lässt, bevor man über eine Arbeitspflicht redet? Ja, nee, | |
ähm, das geht nicht so einfach. Am Ende denken die noch, dass sei hier ein | |
freies Land. | |
9 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5989249 | |
[2] /Debatte-um-Bezahlkarte-fuer-Gefluechtete/!5994527 | |
[3] /Arbeit-von-Langzeitarbeitslosen/!5132234 | |
[4] https://www.arbeitsagentur.de/fuer-menschen-aus-dem-ausland/voraussetzungen… | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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