# taz.de -- Arbeit von Langzeitarbeitslosen: Ein-Euro-Jobs keinen Cent wert | |
> Scharfe Kritik vom Bundesrechnungshof: Ein-Euro-Jobs verdrängen reguläre | |
> Arbeit und helfen nicht beim Sprung in den ersten Arbeitsmarkt. | |
Bild: Fast so wenig Wert wie eine Pfandflasche: Ein-Euro-Jobs. | |
BERLIN taz | Sie reinigen Seniorenheime, führen sämtliche Tätigkeiten der | |
klassischen Sozialarbeit aus oder helfen beim Umzug eines städtischen | |
Bauhofs. Alles dringend notwendige Arbeiten, für die Langzeitarbeitslose | |
als Ein-Euro-Jobber eingesetzt werden. | |
Etliche derartige Beispiele führt der Bundesrechnungshof in einem internen | |
Bericht auf. Er fällt dabei ein vernichtendes Urteil über ein wichtiges | |
Instrument der Hartz IV-Reformen. | |
Die Finanzkontrolleure kritisieren besonders die Vergabepraxis der | |
Ein-Euro-Jobs. In 62 Prozent der Fälle - geprüft wurden fünf regionale | |
Arbeitsgemeinschaften sowie zwei kommunale Träger - lagen "die | |
Voraussetzungen für eine Förderung nicht vor", heißt es in dem 46seitigen | |
Bericht, der der taz vorliegt. Meist seien die Tätigkeiten nicht zusätzlich | |
im Interesse der Allgemeinheit geschaffen worden, sondern verdrängten | |
reguläre Stellen. | |
Die rot-grüne Regierung hat die Billigjobs 2005 eingeführt. Sie werden | |
seitdem von Gewerkschaften und Sozialverbänden scharf kritisiert. Durch die | |
befristeten Stellen soll Hartz IV-Empfängern der Sprung in den ersten | |
Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Seit 2007 hat sich die Zahl von | |
Ein-Euro-Jobbern kaum verändert. Derzeit liegt sie bei rund 270.000, was | |
laut Bundesagentur für Arbeit jährlich 1,7 Milliarden Euro kostet. | |
Nicht nur, dass viele Billigjobs nach Ansicht des Rechnungshofes normale | |
Arbeitsplätze ersetzen, sie helfen auch kaum, die Chance der Geförderten | |
auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. In 40 Prozent lag "keine erkennbare | |
Eingliederungsstrategie zu Grunde", heißt es in dem Bericht. Nur 11,8 | |
Prozent der Ein-Euro-Jobber konnten später "in Arbeit, Ausbildung, | |
berufliche Weiterbildung oder Selbstständigkeit" überführt werden. | |
Die Arbeitsagentur weist darauf hin, dass sich die Untersuchung auf 2008 | |
beschränkt. "Es hat sich seitdem einiges verändert", sagte ein Sprecher zur | |
taz. So seien lokale Beiräte eingerichtet worden, um Kriterien und Qualität | |
der Jobs zu prüfen. Diese seien ab 2011 in ganz Deutschland Pflicht. "Zudem | |
ist die Überführung in den ersten Arbeitsmarkt gar nicht das oberstes Ziel | |
der Maßnahme. Wir wollen die Leute aktivieren und stabilisieren", sagte der | |
Sprecher. | |
Das Bundesarbeitsministerium erklärte, die Ein-Euro-Jobs seinen nur "ein | |
Instrument von vielen". 2011 würden außerdem alle arbeitsmarktpolitischen | |
Instrumente überprüft. Dabei werden die "Untersuchungsergebnisse und | |
Hinweise Dritter selbstverständlich einfließen", sagte ein Sprecher. | |
Hans-Peter Klös ist seit jeher ein Verfechter der Ein-Euro-Jobs, er ist der | |
Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft | |
Köln. "Gerade im Bereich der Pflege kann ein Verdrängungseffekt regulärer | |
Beschäftigung nicht ausgeschlossen werden." Dieser Konkurrenzeffekt sei ein | |
"absoluter Sündenfall", sagte Klös. Wenn dieser abgemildert werde, könne | |
man allerdings eine positive Bilanz ziehen. | |
Die Opposition hingegen sieht sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. "Dieser | |
arbeitsmarktpolitisch Fehlschlag versenkt jedes Jahr über eine Milliarde | |
Euro, ohne dass den Arbeitssuchenden damit geholfen wäre", kritisierte | |
Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen | |
Bundestagsfraktion. Die Ein-Euro-Jobs dienten lediglich der | |
Statistikbereinigung. Sie sollten nur für spezielle Gruppen eingesetzt | |
werden, die auf freiwilliger Basis behutsam an Arbeit herangeführt werden | |
sollten. Ansonsten gelte die Parole: "Qualifikation statt Ein-Euro-Job", | |
sagte Pothmer. | |
Die Linkspartei forderte die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs. Stattdessen | |
müssten reguläre Arbeitsplätze im Bereich der sozialen Dienstleistungen | |
ausgebaut werden, sagte Arbeitsmarktexpertin Sabine Zimmermann. | |
15 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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