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# taz.de -- Anschlag in Nizza: Lkw-Fahrer identifiziert
> Ermittlern zufolge handelt es sich bei dem Angreifer um einen 31-jährigen
> Franzosen, der in Nizza lebte. Über sein Motiv ist noch nichts bekannt.
Bild: Dieser Lkw raste in die Menschenmenge
Nizza taz/dpa/afp | Die Atmosphäre war festlich und fröhlich an diesem
Nationalfeiertag in Nizza. Tausende Einheimische und auch viele Touristen
hatten sich wie jedes Jahr an der Uferpromenade eingefunden und das
prächtige Feuerwerk bewundert, als das Unvorstellbare geschah: Ein
31-jähriger Mann raste mit einem gemieteten weißen Kühllaster absichtlich
in die Menge. Erst nach etwa zwei Kilometern mörderischer Raserei gelang es
den anwesenden Polizisten schließlich, den Amokfahrer mit mehreren Salven
zu erschießen. Er hatte zuvor selber noch mit einer Pistole geschossen.
Laut Augenzeugen war er im Zickzackkurs gefahren mit dem offensichtlichen
Ziel, ein Maximum an Leuten umzufahren.
Ein Journalist der lokalen Tageszeitung Nice Matin sah, wie die Menschen
vom Fahrzeug „wie die Kegel einer Bowling-Bahn von der Wucht der Kugel“
weggeschleudert wurden. Er stand nur ein paar Meter davon entfernt und war
angeblich vor Schreck wie gelähmt. Er beschrieb auch die Schreie und
Szenen, wie Eltern in der Flucht ihre Kinder suchten. Ebenfalls im Internet
waren Videos zu sehen, die von Augenzeugen mit ihren Samrtphones
aufgenommen worden waren.
Trotz solcher Berichte und Dokumente kann man sich nur annähernd ein Bild
der Panik machen, die an der Uferpromenade ausbrach, als die Leute
begriffen, was geschah. Im Tumult versuchten alle, sich in Sicherheit zu
bringen und zugleich die anderen zu warnen. Die Menschen stießen und
rannten, um von der Fahrbahn wegzukommen, die anschließend den
Schilderungen zufolge einem Schlachtfeld glich: Überall lagen zum Teil
spärlich bedeckte Leichen oder Körperteile und blutende Verletzte,
terrorisierte Menschen suchten verstört oder verzweifelt nach ihren
Angehörigen.
Die erste Bilanz ist grauenhaft: Mindestens 84 Menschen, darunter mehrere
Kinder, sind tot, andere wurden schwerverletzt, achtzehn von ihnen schweben
noch in Lebensgefahr. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden sind unter den
Opfern insgesamt 58 Kinder ins Krankenhaus eingeliefert worden. Das
Feuerwerk zum Nationalfeiertag zieht traditionellerweise vor allem Familien
an.
## Hollande: Tat mit „terroristischem Charakter“
Ein Luxushotel am Tatort an der Promenade des Anglais wurde in ein
Feldlazarett umgewandelt. Anwohner brachten den schockierten Opfern des
Anschlags Decken, Wasser und – sofern dies möglich war – ein wenig Trost.
Der Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, ersuchte die Bürger via
Internet, zu Hause zu bleiben.
Bemängelt wird die Panne einer Smartphone-Applikation, mit der das
Innenministerium die Bürger im Fall von laufenden Terroranschlägen in
Echtzeit, das heißt unverzüglich, warnen will. Der Alarm wurde erst Stunden
nach dem terroristischen Blutbad in Nizza gegeben.
Beim Amokfahrer soll es sich laut Medienberichten um einen aus Tunesien
stammenden Mann handeln, der die französische Staatszugehörigkeit besaß und
in Nizza wohnhaft gewesen war. Seine Wohnung wurde im Rahmen der
gerichtlichen Ermittlungen in der Hoffnung auf Spuren seiner Vorbereitungen
und Hinweise auf seine eventuellen Kontakte von der Polizei durchsucht. Im
LKW, den er zwei Tage zuvor in Saint-Laurent-du-Var, einem Vorort von Nizza
gemietet hatte, wurden seine Ausweispapiere zusammen mit Waffen und einer
Granate entdeckt, bei der sich um eine Attrappe handeln soll. Das
Innenministerium wollte sich zuerst noch nicht eingehend zu seiner
Identität äußern, solange die Resultate der DNA-Tests zur Überprüfung noch
ausstehend waren.
Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, die Polizei habe „einen
Terroristen ausschalten können“. Präsident François Hollande sprach von
einem terroristischen Charakter der Tat. Das Motiv des Täters und weitere
Hintergründe der Tat waren zunächst nicht bekannt. Hollande zufolge gab es
bisher keine Hinweise auf Komplizen des Täters.
## Ausnahmezustand soll verlängert werden
Er kündigte an, dass aufgrund der dramatischen Vorkommnisse der Notstand
mit seinen Ausnahmegesetzen nicht wie geplant Ende Juli beendet, sondern
für drei Monate verlängert werde. Zudem würden militärische
Reserveeinheiten mobilisiert, um die bereits völlig überlasteten Polizisten
und Gendarmen zu entlasten.
Ebenfalls ist die von Hollande noch am Vortag angekündigte Verringerung der
im Rahmen der Operation „Sentinelle“ in Bahnhöfen, Flughäfen und auf
Plätzen patrouillierenden 10.000 Militärs nicht mehr aktuell. Der Präsident
hat bereits erklärt, Frankreich werde im Kampf gegen den islamistischen
Terror nicht weichen, sondern im Gegenteil die militärischen Aktionen auch
in Syrien und im Irak verstärken.
In einem Fernsehgespräch zum Nationalfeiertag hatte er noch am
Donnerstagmittag eine eher beruhigte Bilanz der Sicherheitspolitik gezogen.
Trotz einer eminenten Terrordrohung habe die Fußball-EM mit Erfolg und
unbeschadet durchgeführt werden können. Diese nachträgliche Erleichterung
war tragisch verfrüht.
## Solidarität mit Frankreich
Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich erschüttert über die Attacke. Er
sprach von einem „brutalen Anschlag auf friedlich feiernde Menschen“, der
ihn „mit Entsetzen“ erfülle. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte
Frankreich die volle Solidarität Deutschlands zu. „Deutschland steht im
Kampf gegen den Terrorismus an der Seite Frankreichs“, sagte sie am Freitag
am Rande des Asem-Gipfels im mongolischen Ulan-Bator. US-Präsident Barack
Obama verurteilte die Attacke von Nizza und sprach von einem offenbaren
„schrecklichen Terroranschlag“. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Tat
noch in der Nacht als „barbarischen und feigen Akt des Terrorismus“.
In Frankreich herrscht seit den islamistischen Anschlägen vom 13. November
der Ausnahmezustand. Attentäter hatten bei Attacken auf das Fußballstadion
Stade de France, den Pariser Musikclub Bataclan und eine Reihe von Bars und
Restaurants 130 Menschen getötet. Zum schwersten Anschlag in der Geschichte
Frankreichs bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
Zum Anschlag von Nizza bekannte sich zunächst niemand.
Korrektur: Ursprünglich war in diesem Artikel von einem 21-jährigen
Angreifer die Rede. Nach neuesten Erkenntnissen wurde er jedoch 1985
geboren.
15 Jul 2016
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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