| # taz.de -- Alternative Nobelpreise bekanntgegeben: Mit Wald gegen die Wüste | |
| > Alternative Nobelpreise gehen dieses Jahr vor allem an Projekte, die der | |
| > Umweltzerstörung trotzen. Erstmals geht ein Preis auch nach | |
| > Saudi-Arabien. | |
| Bild: Dieser Baum wird die Wüste wohl nicht wiederbeleben – andere aber schon | |
| Stockholm taz | Zum 39. Mal wird er in diesem Jahr verliehen. [1][Der | |
| „Right Livelihood Award“], auch „Alternativer Nobelpreis“ genannt, mit … | |
| seit 1980 KämpferInnen für Menschenrechte, Umweltschutz und Frieden geehrt | |
| werden. In diesem Jahr hoffe man, die Aufmerksamkeit der Welt auf die | |
| „bahnbrechende Arbeit der Preisträger für Rechenschaftspflicht, Demokratie | |
| und die Regeneration von degradiertem Land“ lenken zu können, erklärte Ole | |
| von Uexküll, der Geschäftsführer der Right Livelihood Award Stiftung am | |
| Montag in Stockholm. | |
| Deren Arbeit gebe „enorme Hoffnung“ und diese Menschen zeigten „in einer | |
| Zeit alarmierender Umweltzerstörung und fehlender politischer Führung den | |
| Weg in eine ganz andere Zukunft“. | |
| [2][Yacouba Sawadogo] ist einer von ihnen und vor 40 Jahren hatte er mit | |
| seinen Versuchen begonnen, unfruchtbar gewordenes Land durch nachhaltigere | |
| Nutzung des Regenwassers wieder zu regenerieren. Zu ineffektiv waren in der | |
| Folge des Klimawandels nämlich die traditionellen Pflanzgruben für die | |
| Speicherung von Wasser und Biomasse geworden. | |
| „Zaï“ heisst das im westlichen Sahel gebräuchliche Verfahren zur | |
| Landsanierung, bei dem in die Vertiefungen der Pflanzgruben organisches | |
| Material – Ernteabfälle und Viehdung – gelegt wird, das so zusammen mit dem | |
| gesammeltem Wasser gezielt der Pflanze zugute kommen soll. Sawadogo | |
| vergrösserte die Gruben, verbesserte und weiterentwickelte Zaï. | |
| ## Verspottet von den Nachbarn | |
| „Als ich damit begann, Bäume zu pflanzen, dachten meine Nachbarn: Jetzt ist | |
| er verrückt geworden“, berichtete der Bauer aus Burkina Faso 2011 auf der | |
| Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention gegen Wüstenbildung (UNCCD) im | |
| südkoreanischen Changwon. Aber trotz aller Widerstände habe er nicht | |
| aufgegeben. | |
| Damals waren die von ihm gepflanzten Bäume bereits zu einem 15 Hektar | |
| grossen Wald zusammengewachsen und UNCCD-Generalsekretär Luc Gnacadja | |
| betonte an Sawadogos Beispiel die wichtige Rolle der Kleinbauern beim Kampf | |
| gegen die Wüstenbildung und die Folgen des Klimawandels. | |
| Mittlerweile wächst auf dem ehemals kargen und verlassenem Land ein Wald | |
| von fast 40 Hektar mit einem grossen Artenreichtum aus rund 60 | |
| verschiedenen Baum- und Buscharten. Über Yacouba Sawadogos Geschichte wurde | |
| der Dokumentarfilm „The Man Who Stopped the Desert“ gedreht. | |
| Und wenn der „Mann, der die Wüste stoppte“ nun den Alternativen Nobelpreis | |
| bekommt, dann, so die Preisbegründung, weil der 76-Jährige „unfruchtbares | |
| Land in lebendigen Wald verwandelt und lokales und indigenes Wissen zur | |
| Regeneration des Bodens weiterentwickelt“ habe. | |
| ## Ein Mittel gegen Zwangsmigration | |
| Seinem Beispiel folgend hätten Tausende anderer Bauern mit dieser Technik | |
| ihr Land regeneriert, mittlerweile seien Zehntausende von Hektar in Burkina | |
| Faso und Niger wieder zu produktivem Land geworden: „Bäume, die zusammen | |
| mit den Feldfrüchten gepflanzt werden, dienen der Bodenanreicherung, | |
| produzieren Viehfutter und können Einkommensmöglichkeiten wie die | |
| Bienenzucht generieren. | |
| Dies hilft den Landwirten, sich an den Klimawandel anzupassen, ländliche | |
| Armut zu reduzieren und lokale Konflikte in Bezug auf Ressourcen und Wasser | |
| zu verhindern. Zusammen mit anderen von Bauern betriebenen natürlichen | |
| Regenerationstechniken könnte Zaï ein wichtiges Instrument gegen | |
| Zwangsmigration werden und friedensschaffende Wirkung haben.“ | |
| Auch bei einem weiteren der insgesamt sieben PreisträgerInnen geht es um | |
| Einsatz gegen die Folgen des Klimawandels und für die Regeneration | |
| unfruchtbaren Bodens. Zu Beginn der 1980er Jahre war der damals 24-Jährige | |
| [3][australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo] mit seiner Familie für | |
| die Missionsorganisation „Serving in Mission“ in den Niger gezogen. Er | |
| versuchte mit der Anpflanzung von Bäumen die sich ständig weiter | |
| ausbreitende Wüste aufzuhalten. Mindestens 6000 waren es insgesamt, | |
| erinnert er sich – doch fast alle verdorrten in kurzer Zeit wieder. | |
| Die Lösung des Problems habe er dann im Untergrund entdeckt. Im Boden des | |
| Halbwüstensands verbargen sich die Wurzelreste einst dort gefällter Bäume. | |
| In diesem „Untergrundwald“ schlugen nach jedem Regen frische Triebe aus. | |
| Die Baumsprösslinge, die da spontan wuchsen, mussten eigentlich nur | |
| aufgezogen und kultiviert werden. Und sie mussten eine Chance bekommen, | |
| wieder heranwachsen zu können. Nämlich einige Monate lang vor grasenden | |
| Tieren geschützt und richtig beschnitten werden. | |
| ## Minimaler Aufwand, maximales Grün | |
| Ähnlich wie Sawadogo wurde auch Rinaudo anfangs verspottet. Doch mit seiner | |
| natürlichen Aufforstungsmethode „Farmer Managed Natural Regeneration“, | |
| FMNR, wurden allein in Niger 50.000 Quadratkilometer Wald mit 200 Millionen | |
| Bäumen wiederhergestellt. In mehreren afrikanischen, asiatischen und | |
| lateinamerikanischen Ländern wurde das Modell kopiert. | |
| Den Right Livelihod Preis erhält der „Waldmacher“ „für den praktischen | |
| Beweis, wie Trockengebiete in großem Umfang und mit minimalen Kosten | |
| begrünt werden können und damit die Lebensgrundlage von Millionen von | |
| Menschen verbessert werden kann“. | |
| Der 61-jährige Rinaudo selbst kommentiert, „wenn man nicht immer mit dem | |
| Vorschlaghammer auf die Natur einschlägt, sondern mit ihr arbeitet, dann | |
| erlebt sie ein Comeback“ und hofft, dass der Preis mehr Aufmerksamkeit auf | |
| FMNR lenken und damit „die weltweite Verbreitung der Methode exponentiell | |
| beschleunigen wird“. | |
| Denn noch immer sei sie „Regierungen, Gebern und auch den Menschen, die sie | |
| am meisten benötigen, zu wenig bekannt“. Und von Uexküll ergänzt: Wären d… | |
| politischen Entscheidungsträger bereit, „den von den Landwirten gesteuerten | |
| Ansatz der natürlichen Regeneration zu unterstützen, könnten degradierte | |
| Trockengebiete mit einer Fläche von der Größe Indiens wiederhergestellt | |
| werden“. | |
| ## Ausgezeichnete in Haft | |
| Erstmals geht in diesem Jahr ein Alternativer Nobelpreis nach | |
| Saudi-Arabien. Wobei die drei Preisträger sich derzeit aber alle im | |
| Gefängnis befinden. 2013 waren Abdullah al-Hamid und Mohammad Fahad | |
| al-Qahtani wegen „Anstiftung zur Unruhe durch den Aufruf zu | |
| Demonstrationen“ und „Bildung einer nicht lizenzierten Organisation“ zu e… | |
| und zehn Jahren Haft verurteilt worden. | |
| 2014 erhielt Abu al-Khair sogar eine 15-jährige Haftstrafe, unter anderem | |
| wegen „Ungehorsam gegenüber dem Herrscher“ und „Schädigung des Ansehens… | |
| Staates durch Kommunikation mit internationalen Organisationen“. | |
| Al-Hamid und al-Qahtani sind Akademiker und Mitbegründer einer der wenigen | |
| saudischen Menschenrechtsorganisationen, der „Saudi Civil and Political | |
| Rights Association“ (ACPRA). Die derzeit ebenso verboten ist wie „Monitor | |
| of Human Rights in Saudi-Arabien“ (MHRSA), die von Abu al-Khair gegründet | |
| wurde. Al-Khair ist ein für seine rechtliche Verteidigung prominenter | |
| saudischer Aktivisten – so wie Blogger Raif Badawi – bekannter | |
| Rechtsanwalt. | |
| Die Jury des Right Livelihood Award wählte dieses Trio aus, weil es „im | |
| Streben nach Reformen in diesem Land standhaft geblieben“ und „das | |
| autoritäre System durch friedliche Methoden herausgefordert“ habe: „Sie | |
| fordern die Gewaltenteilung und die Gleichheit für alle, einschließlich der | |
| Abschaffung der männlichen Vormundschaft, die den Frauen ihre | |
| grundlegendsten Rechte nimmt.“ Inhaftiert seien sie „als Folge ihres | |
| mutigen Kampfes für eine pluralistischere und demokratischere | |
| Gesellschaft“. | |
| ## Arbeit für die Demokratie | |
| Ausdrücklich konstatiert die Stiftung, dass es im Jahr, in dem die | |
| Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 70 Jahre alt werde, besonders | |
| beschämend sei zu sehen, „wie sich die führenden Politiker der Welt auf die | |
| Seite der repressiven Herrscherfamilie von Saudi-Arabien schlagen, statt | |
| für die mutigen Reformisten, die Demokratie und Gleichheit im Land fördern, | |
| Partei zu ergreifen“. | |
| „Bahnbrechende Arbeit für Transparenz und Demokratie“ (von Uexküll) wird | |
| auch mit dem Ehrenpreis anerkannt, der in diesem Jahr an Thelma Aldana | |
| (Guatemala) und Iván Velásquez (Kolumbien) geht, „für deren wegweisende | |
| Arbeit zur Aufdeckung von Machtmissbrauch und Verfolgung von Korruption und | |
| für die Wiederherstellung von Vertrauen in öffentliche Institutionen“. | |
| Seit 2014 bzw 2013 würden diese als oberste Staatsanwältin bzw als Leiter | |
| der [4][„Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala“ | |
| (CICIG)] an der Spitze „einer der erfolgreichsten | |
| Anti-Korruptions-Bemühungen auf der ganzen Welt“ stehen. Sie hätten damit | |
| eine „Kampagne zur Bekämpfung tief verwurzelter krimineller Netzwerke und | |
| Korruption angeführt, die Guatemala seit Jahrzehnten plagt“. | |
| Diese „mutige und vorbildliche Arbeit“ habe dazu geführt, dass „bislang | |
| mehr als 60 kriminelle Strukturen aufgedeckt werden konnten, es mehr als | |
| 310 Verurteilungen gegeben hat und 34 Gesetzesreformen vorgeschlagen | |
| wurden“. Damit sei das „Vertrauen in öffentliche Institutionen wieder | |
| aufgebaut“ worden: „Als Folge davon waren sie anhaltendem Widerstand und | |
| einem grossen persönlichem Risiko ausgesetzt.“ | |
| ## Auszeichnung mit Aufforderung | |
| Die Bekanntgabe des Preises kommt wenige Wochen nachdem der | |
| guatemaltekische Präsident Jimmy Morales angekündigt hatte, die von den | |
| Vereinten Nationen unterstützte Kommission im kommenden Jahr schliessen zu | |
| wollen. Ole von Uexküll verband die Preisverleihung deshalb auch mit der | |
| Aufforderung an Morales, „diese guatemaltekische Erfolgsgeschichte | |
| fortzusetzen“: „Die von Aldana und Velásquez geleitete Arbeit ist ein | |
| einzigartiges Modell einer effektiven Zusammenarbeit zwischen der | |
| nationalen und der UN-Ebene, um eine gute Regierungsführung zu etablieren.“ | |
| Die Verleihung der Alternativen Nobelpreise findet am 23. November in | |
| Stockholm statt. Die traditionelle Right Livelihood Lecture wird Tony | |
| Rinaudo am 28. November an der Universität Zürich halten. Thelma Aldana und | |
| Iván Velásquez werden am 27. November im Deutschen Bundestag zu Gast sein. | |
| 24 Sep 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.rightlivelihoodaward.org | |
| [2] https://www.zeit.de/2012/49/Hunger-Sahelzone-Baeumepflanzer | |
| [3] /Traditionelle-Landwirtschaft/!5128276 | |
| [4] /Proteste-gegen-Guatemalas-Praesidenten/!5537386 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Menschenrechte | |
| Alternativer Nobelpreis | |
| Alternativer Nobelpreis | |
| Greta Thunberg | |
| Umwelt | |
| Burkina Faso | |
| Samar Badawi | |
| Alternativer Nobelpreis | |
| Alternativer Nobelpreis | |
| Cumhuriyet | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Alternative Nobelpreise: „AkteurInnen des Wandels“ | |
| Die PreisträgerInnen des „Alternativen Nobelpreises“ 2021 stehen fest. Sie | |
| haben sich für Frauen, Indigene und Klimaschutz eingesetzt. | |
| Alternativer Nobelpreis für Thunberg: „Niemand war erfolgreicher“ | |
| Neben Greta Thunberg ehrt die Jury des Right Livelihood Award auch drei | |
| weitere „praktische Visionäre“. Wer sind sie? | |
| Forstforscher zum Waldschadenbericht: „Die Schäden waren noch nie so groß“ | |
| Wälder sollten Orte der Erholung sein, Lebensraum bieten, CO2 und Wasser | |
| speichern. Das können sie nicht mehr erfüllen, sagt der | |
| Forstwissenschaftler Ulrich Dohle. | |
| Alternativer Nobelpreis: Der Mann, der die Wüste aufhält | |
| Yacouba Sawadogo pflanzt Bäume, um im Niger und in Burkina Faso der Wüste | |
| Einhalt zu gebieten. Dafür erhält er nun den Alternativen Nobelpreis. | |
| Alternativer Nobelpreis für Saudi: Reformer Abu al-Khair ausgezeichnet | |
| Mit unermüdlichem Willen kämpfte Walid Abu al-Khair für mehr politische | |
| Rechte in Saudi-Arabien. Nun wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis | |
| geehrt. | |
| Kommentar Alternativer Nobelpreis: Anbiederung stoppen | |
| Die aserbaidschanische Journalistin Khadija Ismayilova bekommt den | |
| Alternativen Nobelpreis. Damit einher geht eine doppelte Botschaft. | |
| Alternative Nobelpreise bekanntgegeben: Gegen die Übel der Welt | |
| Korruption, Umweltsauereien von Chemiefirmen, Diskriminierung von | |
| Minderheiten: Dagegen kämpfen die diesjährigen Preisträger. | |
| Die Geschichte von „Cumhuriyet“: Atatürks Wunschkind | |
| Lange galt die Zeitung als einseitig, zuletzt aber nahm der | |
| Meinungspluralismus zu. Über Kurdenkonflikt und Armeniergenozid berichtete | |
| sie sensibel. |