| # taz.de -- Traditionelle Landwirtschaft: Kostbare Bäume in der Sahelzone | |
| > Ein Teil der Sahelzone wird durch traditionelle landwirtschaftliche | |
| > Anbaumethoden wieder grün und fruchtbar. Im Umfeld von Bäumen wächst auch | |
| > das Getreide besser. | |
| Bild: Im Schatten einer Akazie kann auch mehr geerntet werden. | |
| MÜNCHEN taz | Denkt man an die Sahelzone, kommen einem Bilder von | |
| unfruchtbaren, steinigen, zerfurchten Böden in den Sinn. Von verarmten, | |
| hungernden Bauernfamilien, von ausgetrockneten Brunnen und verendetem Vieh. | |
| Satellitenfotos besagen jedoch anderes: Sie zeigen vereinzelt grüne Flecken | |
| in der von Senegal nach Äthiopien reichenden Zone, die die Sahara im Norden | |
| von der Feuchtsavanne im Süden abgrenzt. Und auch die Zahlen von | |
| Organisationen und Wissenschaftlern passen nicht so recht zu dem tristen | |
| Bild. | |
| Laut der Welternährungsorganisation FAO hat sich die Ernährungslage in der | |
| Sahelzone seit den 1990er Jahren deutlich gebessert. Die | |
| landwirtschaftliche Produktion pro Kopf stieg in Nord- und Westafrika | |
| zwischen 1981 und 2005 um 40 Prozent. | |
| Vor allem im Niger geschieht Wundersames. Dort hat man fünf Millionen | |
| Hektar neuen Baumbestand vermessen, was in etwa der Fläche Kroatiens | |
| entspricht. Somit gibt es dort mehr Wald als in den 1950er Jahren. In dem | |
| westafrikanischen Land werden mehr Bäume anpflanzt als abholzt. Zudem | |
| können die Bauern dort 600.000 Tonnen mehr Getreide pro Jahr einfahren als | |
| früher. Das entspricht einem zusätzlichen Haushaltseinkommen von 200 | |
| US-Dollar pro Jahr. | |
| Und dies ist nicht das Resultat von Hilfszahlungen, mit denen man Wälder | |
| anpflanzte, auch die Regierung hatte - zumindest anfangs - keinen Anteil an | |
| dieser Entwicklung. Vielmehr hat sich zuerst nur eine Dorfgemeinschaft auf | |
| die alte Tradition besonnen, das war 1983. Gemäß dieser machen Bauern | |
| flache Kuhlen neben ihre Pflanzen, damit sich dort Regenwasser sammelt. | |
| Zudem gibt man Viehdung hinein. Dieser natürliche Dünger enthält Samen, die | |
| auskeimen und schließlich zu Bäumen heranwachsen. | |
| "Wenn bereits Baumstümpfe da sind, die austreiben, befreit man sie von | |
| buschigem Blattwerk, sodass die größten Triebe sich durchsetzen und der | |
| Baum wachsen kann", erklärt Tony Rinaudo von der Hilfsorganisation World | |
| Vision. Diese Technik namens "Farmed Managed Natural Regeneration" (FMNR) | |
| wird mittlerweile von gut drei Millionen Bauern in der Sahelzone angewandt | |
| und rettet sie auch in Dürreperioden, wie etwa im Jahr 2005, vor dem | |
| Hungertod. | |
| "Die Methode ist ausgesprochen einfach, und innerhalb weniger Monate hat | |
| man einen Gewinn, also Futter, Brennholz und Dünger", so meint Rinaudo. Je | |
| nach Baum kann der Bauer auch die Früchte verzehren oder Blätter und Rinde | |
| medizinisch nutzen. So soll die Rinde der Baumart Combretum glutinosum | |
| gegen verschiedenste Keime, unter anderem gegen den Malariaerreger wirksam | |
| sein. | |
| Der Wert der Medizinalpflanzen ist nicht zu unterschätzen, schließlich | |
| basieren 80 Prozent der Therapien in Afrika auf Naturmedizin. Zudem müssen | |
| Frauen mit der Methode nicht mehr stundenlang nach Brennholz suchen. | |
| Der gebürtige Australier Rinaudo reist um die Welt und lehrt Kleinbauern | |
| FMNR. Auch Einheimische ziehen von Dorf zu Dorf, um die Technik | |
| weiterzuverbreiten. So wachsen mittlerweile Millionen Affenbrotbäume und | |
| Mahagonis, Orchideen- und Tamarindenbäume oder Akazien - und machen die | |
| einstige Wüste grün. | |
| Im Umkreis der Bäume kann man dann auch Äcker anlegen. Denn sie verbessern | |
| die Bodenqualität, schützen vor Wind, Sandverwehungen und Sonne und | |
| steigern damit den Ertrag des Ackerlandes. Besondere Vorteile sagt man dem | |
| Anabaum, Faidherbia albida, nach. Er zählt zur Familie der Hülsenfrüchte | |
| und speichert Stickstoff. Wenn die Früchte abfallen, dienen sie als | |
| Bodendünger und erhöhen die Fruchtbarkeit. | |
| So zeigt eine aktuelle Studie von Kiros Hadgu, Geowissenschaftler an der | |
| niederländischen Universität Wageningen, durchgeführt in Äthiopien: Gerste, | |
| die nah an Anabäumen kultiviert wird, wächst um 50 Prozent besser im | |
| Vergleich zu einem Abstand von 25 Metern. | |
| Zudem waren Feuchtigkeit sowie Stickstoff- und Phosphorgehalt der Böden | |
| höher, je näher am Baum man Proben nahm. Die Bäume helfen auch das Wasser | |
| in der Erde zu fixieren. Normalerweise fließt Regenwasser einfach in | |
| kleinen Bächen und natürlichen Gullys ab, überflutet Äcker oder sogar | |
| Dörfer. | |
| Dass sich gerade im Niger diese grüne Revolution ereignen konnte, hat auch | |
| mit einem geänderten Landrecht zu tun. "Vormals gehörten Bäume der | |
| Regierung, und daher hatten Privatpersonen keinen Anreiz, diese zu hegen | |
| und zu pflegen", meint Chris Reij, Geologe von der Universität Amsterdam. | |
| Seit dem neuen Forstrecht habe sich nun die Ernährungslage im Land | |
| erheblich verbessert. Das alles, obwohl die Bevölkerungszahlen explodiert | |
| seien, was normalerweise dazu führe, dass Böden degradieren. Auch die | |
| stärkeren Regenmengen, die man nach den niederschlagsarmen 1970er und 80er | |
| Jahren misst, haben ihr Scherflein zu dem Wunder beigetragen. | |
| "Für die Farmer bedeutet das einen Gewinn von 200 Millionen Euro pro Jahr, | |
| in Form von Futter, Früchten, Feuerholz und organischem Dünger", so Reij, | |
| der seit 30 Jahren in der Sahelzone forscht. Auch die Konflikte zwischen | |
| Bauern und Viehhirten seien um 80 Prozent zurückgegangen, weil die Tiere | |
| auf Ackerland weiden dürften und dabei die Felder düngten. | |
| Allerdings sind Wissenschaftler nicht nur optimistisch, was die Lage in der | |
| gesamten Zone anbelangt. An anderen Orten schreitet die Degradierung der | |
| Böden nämlich weiter voran und verschärft den Hunger. | |
| "Die Wüstenbildung ist beileibe kein Mythos", so meinte Hannelore Kußerow, | |
| Biogeografin an der FU Berlin, unlängst auf einem Bonner Symposium zu dem | |
| Thema. Ihre Studien zeigen, dass die Desertifikation in manchen Gegenden | |
| voranschreitet. | |
| So haben auch Experten der UNO im Rahmen des Global Assessment of Land | |
| Degradation and Improvement gezeigt, dass 24 Prozent der Böden in der | |
| afrikanischen Region degradierten, dagegen nur 16 Prozent fruchtbarer | |
| wurden. Und das ist nicht nur von Nachteil für die ansässige Bevölkerung. | |
| Der Verlust des Bodens mindert seine Funktion als Speicher von | |
| Treibhausgasen. Degradierung verstärkt somit auch den Klimawandel. | |
| 21 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Kathrin Burger | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |