| # taz.de -- Aktionswoche von Extinction Rebellion: Blockieren schwer gemacht | |
| > Die Klimaaktionswoche „August Rise up“ startet mit einer Blockade am | |
| > Brandenburger Tor. Den Aktivisten steht ein Polizei-Großaufgebot | |
| > gegenüber. | |
| Bild: Kritisch beäugt: Die Blockierer*innen von Extinction Rebellion | |
| Berlin taz | Ein Aktivist von [1][Extinction Rebellion] (XR) hat einen | |
| Fahnenmast hinter dem Brandenburger Tor erklommen und sich mit einem Seil | |
| befestigt. Etwa drei Meter unter ihm steht eine Traube Polizisten. Er solle | |
| herunterkommen, sonst riefen sie die Feuerwehr – diesen Einsatz müsse er | |
| dann zahlen. Während die Augen auf den jungen Klimaaktivisten gerichtet | |
| sind, rennen hinter ihm plötzlich aus allen Richtungen Menschen auf den | |
| Platz des 18. März in Berlin-Mitte. Überraschte Polizist:innen | |
| versuchen noch ein, zwei von ihnen zu stoppen, doch nach wenigen Sekunden | |
| sitzen etwa 150 Menschen auf der Straße. | |
| Kurz nach halb 11 Uhr hat die Klimaaktionswoche unter dem Motto [2][„August | |
| Rise up“] damit begonnen. Seit dem Montagmorgen waren kleine Bezugsgruppen | |
| in Mitte unterwegs, schlenderten betont unauffällig über den Pariser Platz | |
| und waren doch am Kleidungsstil oder Aufnähern der Klimabewegung erkennbar. | |
| In der Ebertstraße kletterten Aktivist*innen auf zwei Bäume und | |
| spannten ein Transparent auf. Die angekündigte Blockade eines | |
| „symbolträchtigen Platzes“ hatte sich aber verschoben. Laut XR habe die | |
| Polizei ihnen Probleme bereitet. Wegen der Protestwoche sind die nächsten | |
| neun Tage sämtliche Berliner Einsatzhundertschaften im Dauereinsatz. | |
| Parallel zur Straßenblockade hinter dem Brandenburger Tor schaffen es auch | |
| etwa 50 Menschen auf die Ebertstraße kurz vor der Behrensstraße. | |
| „Klimakollaps stoppen“, steht auf einem ihrer Transparente, „Don't be a | |
| fossil fool“ auf einem weiteren. „Es ist einfach unerträglich, dass die | |
| Politik nicht dem wissenschaftlichen Konsens folgt“, sagt eine Aktivistin. | |
| „Da können Akte des zivilen Ungehorsams wie dieser in das Schweigen der | |
| Gesellschaft intervenieren“. Kurz darauf wird die Blockade wieder | |
| aufgelöst, ihr Zweck sei ohnehin nur gewesen, eine Ablenkung für die fast | |
| zeitgleich entstandene größere Blockade zu schaffen, so eine | |
| Protestierende. | |
| In Redebeiträgen auf der Hauptblockade wird die „vollständig gescheiterte | |
| Klimapolitik“ der Bundesregierung kritisiert. „Wir können die Klimakrise | |
| ohnehin nicht mehr verhindern“, so die Rednerin. „Aber wir können uns noch | |
| vor dem Schlimmsten bewahren – wenn wir jetzt entschlossen handeln“, sagt | |
| sie weiter. Die Aktivist*innen um sie herum packen derweil ihre | |
| Brotboxen und Kartenspiele aus. Wie lange sie bleiben wollen? Bis der | |
| Klimakollaps gestoppt sei, sagt eine. | |
| ## Woche des Zivilen Ungehorsams | |
| Gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Organisationen, Ortsgruppen von | |
| Fridays for Future, Sand im Getriebe oder Attac Berlin, hat Extinction | |
| Rebellion zu einer Woche des Zivilen Ungehorsams gegen die Klimakrise | |
| aufgerufen. Bis zu 2.000 Teilnehmer*innen sollten dafür von außerhalb | |
| nach Berlin anreisen, so die Schätzung im Vorfeld. Im Aufruf heißt es unter | |
| anderem, der Aufbau einer Massenbewegung sei die „letzte Chance, den | |
| Systemwandel zu schaffen“. | |
| Welche Orte wann besetzt werden, kündigt das Bündnis aus naheliegenden | |
| Gründen nicht im Vorfeld an. Informiert wird stattdessen kurzfristig über | |
| einen Telegramkanal. Für Dienstag ist ab 15 Uhr vor den Parteizentralen von | |
| CDU und SPD außerdem eine größere Demonstration geplant. | |
| Die Polizei hatte am Morgen aufgrund erwarteter Blockaden | |
| Autofahrer:innen dazu aufgerufen, auf Bus und Bahn oder das Rad | |
| umzusteigen. Nur beobachten will sie das Geschehen dennoch nicht. Am | |
| Brandenburger Tor fordert sie schon nach kurzer Zeit dazu auf, die Straße | |
| zu verlassen und sich auf den Platz zu begeben, sonst würde man die | |
| Aktivist*innen wegtragen. | |
| Einige Aktivist:innen klebten sich mit jeweils einer Hand auf der | |
| Straße fest. Ein anderer, der dies gerade versuchte, wurde von der Polizei | |
| verhaftet. Dabei kam es zu einer kurzen Rangelei. Nachdem die Person zu | |
| einem Polizeiwagen geführt wurde, konnte sie sich allerdings losreißen und | |
| unbehelligt davon rennen. Aufregung gab es auch, als Polizist:innen | |
| versuchten, eine bereits festgeklebte Person wegzuzerren. Das hätte zu | |
| schweren Verletzungen führen können, so ein ebenfalls festgeklebter | |
| Aktivist. | |
| Am frühen Nachmittag begann die Polizei dann mit der Räumung und trug die | |
| Aktivst:innen von der Straße – teilweise ging sie dabei rabiat zu Werk. | |
| Währenddessen kündigte Extinction Rebellion an, mit der Besetzung des | |
| Monbijourparks zu beginnen. Aktivst:innen sollten ihre Zelte bringen und | |
| die nächsten Tage das Camp im Park halten. | |
| Extinction Rebellion hatte bereits im [3][Oktober 2019] und [4][2020] bei | |
| Aktionswochen Straßenblockaden in Berlin organisiert. Konkret fordert das | |
| Bündnis die Einberufung eines Bürger:innenrats, der sich mit den | |
| notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise auseinandersetzen und | |
| bindende Beschlussempfehlungen abgeben soll. Das Konzept sieht vor, per Los | |
| eine näherungsweise repräsentative Auswahl der Bevölkerung zu ermitteln, | |
| die sich anschließend umfassend von Expert:innen und Betroffenen beraten | |
| lässt. Derartige Konzepte werden schon länger als Möglichkeit debattiert, | |
| die Demokratie zu revitalisieren. | |
| Umgesetzt wurde die Idee etwa 2018 in Irland. Nachdem ein ausgeloster | |
| Bürger:innenrat sich für die Liberalisierung des Rechts auf | |
| Schwangerschaftsabbrüche ausgesprochen hatte, stimmten 66 Prozent der | |
| überwiegend erzkatholischen Bevölkerung für die entsprechende | |
| Verfassungsänderung. Zuvor hatte ein solches Ergebnis als höchst | |
| unwahrscheinlich gegolten. Das Klimabündnis hofft deshalb wohl, dass | |
| informierte Bürger:innen – im Gegensatz zur als in den Händen der | |
| fossilen Lobby begriffenen Politik – ausreichend radikale | |
| Klimaschutzmaßnahmen beschließen würden. Regierungen als solche könne das | |
| Konzept aber nicht ersetzen, so das Forderungspapier. | |
| 16 Aug 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Extinction-Rebellion/!t5602581 | |
| [2] /Klima-Umverteilung-Mieten/!5790966 | |
| [3] /Extinction-Rebellion-in-Berlin/!5632498 | |
| [4] /Extinction-Rebellion-blockiert-weiter/!5718843 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
| Timm Kühn | |
| ## TAGS | |
| Extinction Rebellion | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Ziviler Ungehorsam | |
| Schwerpunkt Klimaproteste | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Extinction Rebellion | |
| IG | |
| Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
| Mietenwahnsinn | |
| Extinction Rebellion | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fridays for Future im Regierungsviertel: Radikal zelten fürs Klima | |
| Klimaaktivist:innen haben neben dem Haus der Kulturen der Welt ein | |
| Protestlager aufgeschlagen. Sie wollen diese Wahl zu einer Klimawahl | |
| machen. | |
| Extinction Rebellion-Aktionen in Berlin: XR gehört rehabilitiert | |
| Die Aktionen der Klimaschützer*innen sind mutig und bildstark und | |
| treten genau jenen auf die Füße, die einem ökologischen Umbau im Wege | |
| stehen. | |
| Radikalität der Klimabewegung: „Auch Sabotage ist friedlich“ | |
| Reicht ziviler Ungehorsam wie von Extinction Rebellion nicht mehr aus? Ein | |
| Streitgespräch zwischen Annemarie Botzki und Tadzio Müller. | |
| Klima, Umverteilung, Mieten: Heiße Wochen bis zur Wahl | |
| Wer geht wofür in den nächsten Wochen auf die Straße? Den Überblick gibt es | |
| hier im taz-Protest-Poesiealbum zwischen zivilem Ungehorsam und Großdemos. | |
| Außerparlamentarischer Protest: Wahlkampf von der Straße | |
| Die Wochen bis zum 26. September wollen außerparlamentarische Akteure für | |
| ihre politischen Anliegen nutzen. Doch wie viel Einfluss können sie nehmen? | |
| Klimaprotest in Berlin: Ein Gipfel für Neukölln | |
| Im Neuköllner Ortsteil Rixdorf präsentieren sich am Freitag | |
| klima-aktivistische Gruppen. Sie wollen zum Engagement anregen. |