| # taz.de -- 500. Todestag von Hieronymus Bosch: Alte und neue Meister | |
| > Inspiriert vom Werk des Malers Hieronymus Bosch erscheint zu dessen 500. | |
| > Todestag ein prachtvolles Bilderbuch von Thé Tjong-Khing. | |
| Bild: Aus dem besprochenen Bildband „Hieronymus“ von Thé Tjong-Khing: Im A… | |
| Ganz ohne Worte entwickelt der 1933 in Indonesien geborene Illustrator Thé | |
| Tjong-Khing auch in seinem neusten Kinderbuch „Hieronymus“ eine rasante | |
| Verfolgungsjagd und erzählt gleichzeitig eine universelle Geschichte von | |
| Habgier, Niedertracht, aber auch Hilfsbereitschaft. Diese ist inspiriert | |
| vom Werk des niederländischen Renaissancemalers Hieronymus Bosch (ca. 1450 | |
| bis 1516), dessen Gemälde wie das berühmte Triptychon „Garten der Lüste“ | |
| die menschlichen Schwächen und Laster darstellen und von Fabelwesen und | |
| Kuriositäten bevölkert sind. Im August jährt sich der 500. Todestag des | |
| Künstlers. | |
| Nun mag diese Verbindung zum Kinderbuch ambitioniert klingen, doch gelingt | |
| es dem seit 1956 in den Niederlanden lebenden Thé Tjong-Khing, mit leichter | |
| Hand und größter Selbstverständlichkeit Boschs mittelalterlichen Geschöpfe | |
| in seine eigene fantasievolle Bilderzählung zu integrieren: Ein Junge, | |
| ausgestattet mit Kappe, Ballnetz und Rucksack – in der holländischen | |
| Ausgabe heißt er Jeroen, in der deutschen Hieronymus – stürzt in eine | |
| Schlucht und taucht auf in einer Welt, bevölkert von Amphibien, weißen | |
| Einhörnern und anderen seltsamen Wesen. | |
| Sein Rucksack ist verschwunden, seine Mütze sitzt auf dem Kopf eines | |
| Drachens. So macht sich der Knabe furchtlos auf den Weg durch die | |
| unwirkliche Landschaft. Dabei tauchen nicht nur zahlreiche aus Boschs | |
| Gemälden bekannte Figuren wie die Eule, der Vogelmann oder ein „Grillhuhn“ | |
| auf. Auch Elemente seines eigenen Erfolgstitels „Die Torte ist weg“ (2006) | |
| zitiert Thé Tjong-Khing humorvoll und bedient sich gleichzeitig der | |
| erprobten Dramaturgie, der von ihm geschaffenen Torten-Trilogie. | |
| Personen tauchen auf, Gegenstände gelangen in fremde Hände, werden | |
| weitergereicht. Streit bricht aus, Freundschaften werden geschlossen. Woher | |
| kommt der hilfreiche Seitenschneider und zu wem gehören die gefangenen | |
| Kinder? Wer intensiv vor- und zurückblättert, dem erschließen sich bald all | |
| die Zusammenhänge in dieser schaurig-schönen Abenteuergeschichte – ohne ein | |
| geschriebenes Wort. | |
| Ebenfalls dieses Frühjahr erschienen ist im Kunstmann-Verlag das zweite | |
| Aufklappbuch der britischen Illustratorin Alice Melvin. „Omas Haus“ | |
| entstand aus der leicht nostalgischen Erinnerung der Autorin an die Besuche | |
| bei ihrer Großmutter, der Freude, wie in einer Wunderkammer all die Dinge | |
| an ihren angestammten Plätzen wiederzufinden. So begleitet das Buch ein | |
| (recht brav) gezeichnete Mädchen durch das Haus der Großmutter, über | |
| Treppen, Flure und durch altmodisch eingerichtete Zimmer mit | |
| Blümchentapeten. | |
| ## Verblüffende Räumlichkeit | |
| Der Gang führt bis zum Speicher und gibt den Blick auf sorgfältig | |
| Aufbewahrtes aus einer anderen Zeit frei. Mit jeder Doppelseite betreten | |
| wir einen neuen spannenden Raum, der sich zuvor bereits durch einen | |
| Türspalt erahnen lässt. Diese Aussparungen lassen auf den Seiten eine | |
| verblüffende Räumlichkeit entstehen, die im reizvollen Kontrast zum flächig | |
| konstruktiven Stil der Illustrationen steht. Gleichzeitig inszeniert dieser | |
| 3-D-Effekt wirkungsvoll das neugierige Stöbern und die erwartungsfrohe | |
| Suche des Mädchens im Haus der Großmutter. Trotzdem hätten ein paar Brüche | |
| dem klassischen Raum- und Rollenverständnis gut getan. | |
| Carson Ellis Bilderbuch „Zuhause“ handelt ebenfalls von Häusern und anderen | |
| Orten, die man sich zum Wohnen vorstellen kann – mal fantastisch, mal real, | |
| in der Stadt oder auf dem Land, in einem Baum oder auf dem Mond. Deutlich | |
| beeinflusst sind die freundlichen Aquarellzeichnungen der in Oregon | |
| lebenden Illustratorin von ihrem Lebensumfeld in den USA – der Natur, den | |
| Städten, traditionellen Märchen und bekannten Kinderreimen, wie dem von der | |
| alten Frau, die in einem Schuh wohnte. In gedecktem Blau, Ziegelrot und | |
| Braun zeichnet Ellis großzügig gestaltete Szenen voller Atmosphäre, die zum | |
| aufmerksamen Betrachten locken und einander abwechseln wie die Strophen | |
| eines guten Songs. | |
| Am Ende bleibt noch die Frage: „Wo wohnst du?“ | |
| 8 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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