# taz.de -- Neue Bücher für junge Leser_innen: Du brauchst dringend Hilfe | |
> Eckige Ostereier – ein Jugendroman von Fleur Beale. Und neue Bilderbücher | |
> illustriert von Maurice Sendak und Alexandra Huard. | |
Bild: Bildausschnitt aus „Herr Hase und das schöne Geschenk“. | |
„Ein Bilderbuch ist nicht nur das, was die meisten Leute dafür halten – | |
leicht vorzulesen für kleine Kinder, mit vielen Bildern.“ Der 2012 | |
verstorbene US-amerikanische Zeichner und Kinderbuchautor Maurice Sendak, | |
weltbekannt geworden durch sein Meisterwerk „Wo die wilden Kerle wohnen“, | |
suchte stets nach dem perfekten Rhythmus und einem gelungenen Wechselspiel | |
zwischen Text und Bild. | |
Er verstand sich als „interpretierenden Illustrator“, der Bilder zu Texten | |
schuf, die ihre Seite der Geschichte erzählten. Auch in dem Bilderbuch | |
„Herr Hase und das schöne Geschenk“ („Mr. Rabbit and the Lovely Present�… | |
der Autorin Charlotte Zolotow, das 1962 erstmals in den USA erschien, wurde | |
Sendak diesem Anspruch absolut gerecht. | |
1971 bemerkte er rückblickend, dass diese Illustrationen deutlich seine | |
Bewunderung für den in den USA sehr geschätzten Landschaftsmaler Winslow | |
Homer (1836–1910) und dessen Wasserfarbzeichnungen ausdrückten. Pünktlich | |
zu Ostern ist „Herr Hase und das schöne Geschenk“ nun wieder in deutscher | |
Übersetzung aufgelegt. | |
## Doppelbödige Ebene | |
„Herr Hase“, sagt das kleine Mädchen, „ich brauche Hilfe.“ Das Bilderb… | |
beginnt mit einem ernsthaften Anliegen. Mit gelbem Strohhut, weißen | |
Strümpfen und Spangenschuhen scheint dieses Mädchen tatsächlich einem Bild | |
Winslow Homers entliehen zu sein. Dringend sucht es nach dem passenden | |
Geburtstagsgeschenk für seine Mutter. Dabei will der schlanke, | |
hochgewachsene Hase gerne beraten. | |
So schlendern sie gemeinsam über Wiesen, durch Wälder, am Wasser entlang – | |
immer abwägend, diskutierend und doch findig: „Etwas Rotes? Ja? Nein, mag | |
sie nicht? Etwas Gelbes? Vielleicht? Etwas Blaues … genau das Richtige.“ | |
Äußerst zurückhaltend fügt Sendak mit ganzseitigen Aquarellzeichnungen | |
Zolotows Geschichte hier eine weitere, eigentümliche, fast doppelbödige | |
Ebene hinzu. | |
Von ganz anderen Ebenen und Schichten handelt das Bilderbuch „Drüber & | |
drunter – die Stadt“, das, illustriert von Alexandra Huard, mit wenig | |
erläuterndem Text auskommt. Hinter kleineren und größeren Klappen lässt | |
sich hier entdecken, was in der Stadt – hinter Büschen, Mauern, Türen, aber | |
auch unter dem Asphalt – in den Schächten und Kanälen unter der Erde zu | |
finden ist. | |
## Verborgene Tunnel | |
Aufgeklappt präsentiert sich plötzlich eine Straße als überraschender | |
Querschnitt. Wohin fließt das Abwasser aus den Küchen und Toiletten der | |
Häuser, wo liegen Telefon- und Stromkabel? Bauarbeiter stoßen beim Graben | |
auf Spuren der Vergangenheit. Archäologische Fundstücke, verborgene | |
Katakomben oder alte Tunnel tauchen unvorhergesehen auf. | |
Auf (leider nur) fünf faltbaren Doppelseiten erscheint die Stadt in „Drüber | |
und drunter“ wie eine wunderbare, mehrstöckige Torte – bereit zum | |
Anschneiden oder Aufklappen. Doch Alexandra Hards Illustrationen sind | |
glücklicherweise nicht süß. Sie scheinen vielmehr mit dem ungelenk | |
konstruktiven Stil detailreicher Kinderzeichnungen zu sympathisieren. | |
Eine zeitgenössische Aschenputtel-Geschichte aus Down Under erzählt die | |
neuseeländische Jugendbuchautorin Fleur Beale in ihrem neuen Roman „Am Ende | |
des Alphabets“. Die vierzehnjährige Ruby Yarrow ist Legasthenikerin. | |
Bekommt sie auf ihrem Handy eine SMS, muss sie jemand bitten, ihr die | |
Nachricht vorzulesen. Ihr ein Jahr jüngerer Bruder Max dagegen ist in der | |
Schule ein Überflieger – zu Hause aber ein Ekel, das die Mutter ständig um | |
den Finger wickelt. | |
## Geld ist immer knapp | |
Eigentlich müssten in der Patchworkfamilie alle mithelfen. Das Geld ist | |
immer knapp. Die Mutter geht tagsüber im Krankenhaus putzen. Calvin, der | |
Stiefvater, arbeitet als Lkw-Fahrer. Die kleinen Brüder Davey und Theo | |
wollen versorgt werden. Doch der Haushalt und die Verantwortung für die | |
jüngeren Geschwister bleiben allein an Ruby hängen. | |
Pflichtbewusst erledigt sie alles. Doch irgendwann droht selbst ihre beste | |
Freundin Tia Ruby die Freundschaft zu kündigen, falls sie sich nicht | |
endlich gegen diese Ungerechtigkeit zur Wehr setzt. | |
Überzeugend gelingt es Fleur Beale die Perspektive der Heranwachsenden | |
einzunehmen, ihre Zerrissenheit zu zeigen, aber auch ihren Welt abzubilden. | |
Zu der gehören vor allem ziemlich gute Freunde, die Ruby nicht für blöd | |
halten – auch wenn sie in der Schule nicht mitkommt und weder richtig lesen | |
noch schreiben kann. Die vage Möglichkeit, an einem Schüleraustausch nach | |
Brasilien teilzunehmen, wird in der verfahrenen familiären Situation für | |
die Vierzehnjährige zu einem vielversprechenden, wenn auch fernen Ausweg. | |
Aber natürlich wird sie von ihren Lehrern nicht für den begehrten Austausch | |
ausgewählt. Unterstützung erhält Ruby trotzdem ganz unverhofft, fast | |
märchenhaft von anderer Seite. So lernt sie zur Verblüffung aller | |
Portugiesisch – und kommt damit nicht nur ihrem Fernziel Brasilien, sondern | |
auch sich selbst ein ganzes Stück näher. | |
29 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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