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# taz.de -- Volksentscheid zu Wasserverträgen erfolgreich: Der Tag der Jasager
> Der Erfolg beim Volksentscheid überrascht selbst die Initiatoren. Künast
> spricht von kalter Dusche für Wowereit. Der aber wertet das Ergebnis als
> Rückendeckung.
Bild: Das Ende vom Wahlkampf - und auch noch ein Erfolgreiches.
Um 19.19 Uhr, noch vor dem Ende der Auszählung, ist das Ergebnis klar: Der
Volksentscheid über die Offenlegung der Wasserverträge ist erfolgreich. Bei
einer Wahlbeteiligung von 27,5 Prozent stimmten über 98 Prozent für das
Anliegen des Berliner Wassertisches. Damit ist erstmalig in der Stadt ein
Gesetz per Volksentscheid durchgesetzt worden.
"Großartig", kommentiert Michel Tschuschke vom Wassertisch das Ergebnis.
Für die Anhänger war es ein Zittern bis zur letzten Minute. Nachdem die
Landeswahlleiterin bis zum Mittag lediglich eine Beteiligung von 8,6
Prozent meldete und damit einen Erfolg sehr unwahrscheinlich aussehen ließ,
stieg die Zahl bis 16 Uhr auf 21,6 Prozent. Plötzlich rückte das
Zustimmungsquorum von 25 Prozent in greifbare Nähe.
Insgesamt waren 2,47 Millionen Berliner dazu aufgerufen, über den
Gesetzesentwurf der Initiative Berliner Wassertisch abzustimmen. Der
Entwurf sieht vor, dass die 1999 geschlossenen Verträge über die
Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe offengelegt werden sollen.
Damals waren 49,9 Prozent des Unternehmens für rund 3,3 Milliarden Mark an
private Investoren verkauft worden. Der Haken: Der Vertrag garantiert den
Unternehmen hohe Renditen - die in der Konsequenz die Wasserpreise steigen
ließen.
Die Mehrheit des Abgeordnetenhauses lehnte den Gesetzesentwurf der
Volksinitiative ab. Politiker der Regierungsfraktion argumentieren, dass
eine in dem Entwurf enthaltene Klausel, nach der nicht offengelegte
Vertragsbestandteile ungültig sein sollten, verfassungswidrig sei.
Umstritten ist außerdem, ob tatsächlich noch Vertragsbestandteile geheim
gehalten werden. Nachdem die taz im Herbst einen Großteil der Verträge
veröffentlichte, stellte der Senat Anfang November mehrere hundert Seiten
ins Internet - und erklärte, dass es sich dabei um den gesamten Vertrag
handle. Der Wassertisch geht aber davon aus, dass noch nicht alles bekannt
ist.
"Wir sind noch in Schockstarrre, aber wenn wir die überwunden haben, dann
geht das Feiern los", reagierte die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche auf das
Ergebnis. Sie war eine tragende Säule des Volksbegehrens.
Für den Vorstandssprecher des Vereins "Mehr Demokratie", Michael Efler, ist
es schlicht "sensationell, dass es gerade eine Initiative mit so geringen
finanziellen Ressourcen geschafft hat." Die Bedeutung endet für ihn nicht
an den Landesgrenzen: "Das wird gewaltigen Rückhalt für die direkte
Demokratie geben, innerhalb und außerhalb Berlins." Dieser erste
erfolgreiche Volksentscheid werde mehr Menschen daran glauben lassen, "dass
sie mit direkter Demokratie etwas bewegen können."
"Die Berlinerinnern und Berliner haben die Politik daran erinnert, wer der
eigentliche Souverän ist", sagt Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in
BürgerInnenhand. Er rechnet damit, dass Vertragsbestandteile auftauchen,
die bislang geheim gehalten wurden.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sieht das Ergebnis nicht
als Niederlage. Es zeige, dass die Berliner Transparenz beim Umgang mit
öffentlichem Eigentum wollten, sagt er. "Das betrachte ich auch als
Rückendeckung für das Ziel des Senats, privatisierte Anteile an den
Wasserbetrieben zurückzukaufen." Die Grüne Renate Künast, die Wowereit bei
im September ablösen will, sah eine "klare kalte Dusche" für den
Regierungschef und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei). Wolf hatte
mitgeteilt, dass er nicht abstimmen wolle. Linkspartei-Landeschef Klaus
Lederer sagte, angesichts des Ergebnisses habe er "Respekt" vor den
Initiatoren des Volksbegehrens.
Nach Logik der rot-roten Koalition müsste es demnächst eine Klage gegen den
umstrittenen vierten Paragraphen des Gesetzes geben. Dort ist
festgeschrieben, dass Vertragsbestandteile nichtig werden, wenn sie nicht
offen gelegt werden. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ging im November
davon aus, dass die Privaten bei einem erfolgreichen Volksentscheid sofort
beim Berliner Verfassungsgericht klagen.
13 Feb 2011
## AUTOREN
Stefan Alberti
Svenja Bergt
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