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# taz.de -- Erfolgreicher Volksentscheid in Berlin: Der Bürger ist in Schwung
> Erstmals ist in Berlin ein Volksentscheid gültig - dabei ging es nur um
> die Offenlegung längst offenliegender Verträge. Das ist Ausdruck eines
> bundesweiten Trends.
Bild: Höhere Wasserpreise? Beim Geldbeutel hört der Spaß auf. Da legt der W�…
Huch, dieses Volk aber auch. Wird immer unberechenbarer. Da durften die
Berliner am Sonntag darüber abstimmen, ob die Verträge zum Teilverkauf der
Berliner Wasserbetriebe nun offengelegt werden müssen oder nicht. Und
obwohl man die ganzen Details, die eh nur Juristen verstehen, schon seit
Monaten im Internet nachlesen kann, drängt der Wähler an die Urnen. Stimmt
mit über 98 Prozent für die Offenlegung. Und reißt - was noch viel
wichtiger ist - erstmals auch das Teilnahmequorum. Mehr als jeder vierte
Wahlberechtigte hat das Anliegen unterstützt. So viele Ja-Voten gab es noch
nie, bei keinem Volksentscheid in ganz Deutschland. Und das bei einer
Abstimmung, bei der es anscheinend um nichts mehr geht. Wie soll man dieses
Volk noch verstehen?
Zugegeben, das ist nicht ganz einfach. Normalerweise ist ja ein Vorteil von
Volksentscheiden, dass es ganz klar um eine Sache geht. Man ist dafür. Oder
dagegen. Fertig. Anders als bei Wahlen, bei denen stets ein ganzer
Themenkomplex die Entscheidungen beeinflusst, gibt es nichts zu deuteln.
Das war bei der Berliner Abstimmung anders. Denn die Hauptforderung war ja
längst erfüllt. Also geht nun das große Interpretieren los.
Als einer der Ersten hat sich Klaus Wowereit (SPD) gemeldet. Der Regierende
Bürgermeister von Berlin wertet das Ergebnis als Rückendeckung für seine
Politik. Tatsächlich war es eher eine eiskalte Dusche, die den Berliner
Senat von hinten erwischt hat. Immerhin hatte er das Volksbegehren zunächst
für unzulässig erklärt - bis er von einem Gericht zurückgepfiffen wurde.
Doch bis zum Schluss hatte die rot-rote Landesregierung betont, dass sie
den Volksentscheid für überflüssig, den zur Abstimmung stehenden
Gesetzentwurf gar für verfassungswidrig hält. Das Ergebnis nun als Erfolg
einzusortieren, grenzt an bodenlose Frechheit.
Genau diese Frechheit aber hat die Berliner an die Urnen getrieben. Wer
sich in den Wahllokalen umgehört hat, bekam vor allem drei Motive genannt:
Misstrauen. Unmut. Und Geld.
Misstraut wird grundsätzlich denen da oben. Wer da gerade in der Regierung
sitzt, ist zweitrangig. Viel wichtiger ist: Es ging um Geheimverträge. Ein
von CDU und SPD geführter Senat hatte 1999 den Konzernen RWE und Veolia
Gewinngarantien zugestanden, von denen die Öffentlichkeit nicht so recht
wissen sollte. In so einem Fall kann die Politik noch so oft beteuern, dass
alle Verträge nun offenliegen. Da nutzt es nicht einmal, dass in der
Regierung schon vor vielen Jahren die CDU durch die Linkspartei ersetzt
wurde. Solange ein letzter Zweifel bleibt, geht man gern an die Urne und
nutzt sein Stimmrecht.
Unmut erzeugt die Privatisierung öffentlicher Betriebe. Wasser, so war am
Sonntag vielfach zu hören, gehört nicht in Spekulantenhand. Zwar stand der
Ver- oder gar der Rückkauf der Wasserbetriebe gar nicht zur Abstimmung.
Aber ein Fanal gegen den Ausverkauf öffentlicher Güter, den wollten die
meisten mit ihrer Stimme schon setzen.
Denn andernfalls, das spürt der Bürger, geht es an den eigenen Geldbeutel.
Und da hört der Spaß auf. Die Wasserpreise sind in Berlin seit der
Teilprivatisierung deutlich gestiegen. Anderes ist noch viel teurer
geworden. Aber hier kann der Wähler mal den Finger in die Wunde, den
Stimmzettel in die Urne legen.
Ausschlaggebend dafür, dass das Quorum tatsächlich geknackt wurde, dürfte
aber ein bundesweit unübersehbarer Trend sein. Der Bürger ist gerade gut in
Schwung. In Stuttgart zwingen Demonstranten die Regierenden an einen Runden
Tisch. In Hamburg wird per Abstimmung eine Schulreform gekippt, in Bayern
ein Rauchverbot eingeführt. Demos, Bürgerbegehren, Volksentscheid. Der
Souverän der Demokratie hat in letzter Zeit erfahren dürfen, dass er
tatsächlich etwas bewirken kann. Nur so ist zu erklären, dass eine kleine,
versponnen wirkende Initiative ohne die massive Unterstützung einer Partei
mit einem äußerst komplexen Thema die Massen bewegen kann.
Einmal gewonnene Macht aber, das wissen nicht nur Politiker, gibt niemand
mehr gern aus der Hand. Das Volk lässt sich heute nichts mehr sagen. Nicht
einmal, ob eine Abstimmung noch sinnvoll ist oder nicht.
14 Feb 2011
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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