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# taz.de -- Spekulative TV-Serien über Mozart: Angenehm respektlos
> Zwei neue Serien über Mozarts Leben und Wirken verdrehen die reale
> Kulturgeschichte und widmen sich den Frauen im Umfeld des Komponisten.
Bild: Sie gestatten? Mozart
Ein [1][Mozart-Jubiläum] steht derzeit nicht an. Dennoch starten in der
Vorweihnachtszeit zwei Miniserien, die sich mit Leben und Wirken des
Musikgenies beschäftigen, das Ende Januar vor 270 Jahren in Salzburg zur
Welt kam.
Den Aufschlag macht die ARD mit dem Sechsteiler „Mozart/Mozart“. Er macht
aus den Wiener Jahren des jungen Komponisten ein durchgeknalltes,
ahistorisches Popspektakel. Die Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim ist
bekannt für die prämierte Serie „Die Zweiflers“ und zuletzt „Marzahn Mon
Amour“.
In „Mozart/Mozart“ erzählt sie auch die [2][Geschichte von Mozarts]
Schwester Maria Anna (Havana Joy). Das Nannerl, wie sie genannt wurde,
stand stets im Schatten ihres genialen Bruders Wolfgang (Eren M. Güvercin).
Aber da das jugendliche Musikgenie in der Serie mit zunehmendem Alter und
rebellischem Gehabe oft betrunken oder mit Laudanum zugedröhnt in der Ecke
liegt und gar nicht mehr spielen kann, verkleidet sich die Schwester
kurzerhand als Mozart und musiziert am Wiener Hof, um Kaiser Joseph zu
unterhalten.
Da sie wirklich ambitioniert ist, schreibt sie auch gleich noch die Oper
„Die Entführung aus dem Serail“, während Bruder Wolfgang Amadeus
notfallmäßig zur Entgiftungsreha in einer frühneuzeitlichen Nervenklinik am
Stadtrand weilt.
„Mozart/Mozart“ inszeniert das Geschwisterpaar als urbane Hipster im
[3][imperialen Wien] des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Im
Habsburger-Schloss wie in den Kaschemmen der Stadt werden wilde Partys
gefeiert. Das macht als opulente Produktion einiges her, hat mit der realen
Geschichte des Komponisten aber wenig zu tun.
## Rotzfrech weitergesponnen
Mozarts Musik kommt in der Serie kaum vor. Nur in der Anfangsszene spielen
der 6-jährige Wolfgang und seine vier Jahre ältere Schwester gemeinsam die
berühmte Sonate in C-Dur (Sonata facile, KV 545), ein Standardklavierstück,
um Fingerläufe zu üben.
Doch das komponierte Mozart eigentlich erst im Alter von 32 Jahren. Auf
einer Party am Wiener Hof, wo die französische Königin Marie-Antoinette
(Verena Altenberger) ihrem griesgrämigen Bruder Kaiser Johann (Philipp
Hochmair) zeigt, wie man richtig feiert, tritt eine Sopranistin auf, die
eher nach zeitgenössischem Pop klingt.
Und auch bei anderen Gelegenheiten, wenn Mozarts Schwester etwa dirigierend
im Konzertsaal steht, sind popmusikalische Klangteppiche zu hören, statt
wirklicher Kompositionen Mozarts. Für musikalische Puristen ist diese
hanebüchene Geschichte, in der sich Mozarts Schwester auch noch in
Hofkapellmeister Salieri (Eidin Jalali) verliebt und Marie-Antoinette ein
wildes Tête-à-Tête mit Wolfgang Amadeus erlebt, nichts.
Aber die rotzfreche, kreative Art so frei mit der Biografie eines großen
Mannes umzugehen und zur Abwechslung der manipulative Bösewicht Salieri mal
von den Frauen erzählt, die sich damals unterzuordnen hatten, was sie hier
aber explizit nicht tun, hat seinen ganz eigenen Charme. Auch wenn das
stellenweise in eine simpel gestrickte Herz-Schmerz-Schmonzette abrutscht.
Weitaus werkgetreuer, zumindest hinsichtlich der Musik, ist die Sky-Serie
„Amadeus“, ein Remake des Miloš Forman-Films (1984) gleichen Titels, in
dessen Zentrum die Feindschaft von Mozart und Antonio Salieri steht.
Die ist eigentlich eine Erfindung von Alexander Puschkin, der 1830 daraus
ein Versdrama machte, das Ende der 1970er Jahre vom britischen Dramatiker
Peter Schaffer erfolgreich für die Bühne adaptiert und dann von Miloš
Forman verfilmt wurde. Im Sky-Fünfteiler spielt Paul Bettany hingebungsvoll
verzweifelt, hinterhältig und stocksteif angespannt (als hätte er einen
Kochlöffel verschluckt) den eifersüchtigen Hofkapellmeister Salieri, der im
Schatten des Genies Mozart (Will Sharpe) steht, „durch den Gott spricht“,
wie es immer wieder so schön heißt.
Im Gegensatz zur Verfilmung von 1984 ist Mozart hier kein gackernder Clown,
sondern ein getriebener, vielschichtiger Charakter, der unter seinem Genie
leidet. Außerdem hängt Mozart im nicht auflösbaren Streit mit seinem Vater
fest und zündet irgendwann in dessen Haus sogar das Klavier an, auf dem er
als Kind spielen musste. Und immer wieder geht es auch um die prekären
ökonomischen Zwänge, unter denen die Familie Mozart zu leiden hat.
## Manipulativer Bösewicht Salieri
Deutlich mehr Raum als in Formans Film erhält in der Sky-Serie Mozarts
Ehefrau Constanze (Gabrielle Creevy), die ihre musikalischen Ambitionen als
Opernsängerin zugunsten des Ehemannes hintenan stellen muss. Sie ist es
dann auch, die Salieris halluzinatorisches Geständnis entgegennimmt, er
habe Mozart ermordet.
Die Serie handelt von der Perspektive der Ehefrau, die für die Carearbeit
zuständig ist, während der große Ausnahmekünstler gar nicht in der Lage
ist, sich um seine Familie zu kümmern. Der Fünfteiler ist den großen
musikalischen Werken Mozarts auf der Spur und verwebt biografische Traumata
mit seinen Kompositionen.
Dabei fabuliert die Serie fleißig vor sich hin und geht sehr frei mit der
Geschichte um. So kommt es bei der Premiere von „Don Giovanni“ in Wien zu
Krawallen im Opernhaus, was auch gleich zu politischen Verwicklungen führt.
Und von Wiener Freimaurern wird Mozart sogar wegen der „Zauberflöte“ in
einer dunklen Gasse zusammengeschlagen, weil er in der Oper angeblich
Logen-Interna ausgeplaudert habe.
Das alles orchestriert natürlich der manipulative Bösewicht Salieri, der
dann dem todkranken Mozart aufträgt, ein Requiem zu schreiben. Am Ende
tritt dann sogar noch ein junger Alexander Puschkin auf, der die gealterte
Constanze nach Mozarts Feindschaft zu Salieri befragt, weil er darüber
schreiben will.
Das Schlusswort dieser sehenswerten Verfilmung hat der gescheiterte Antonio
Salieri bzw. Paul Bettany auf einer Theaterbühne des 20. Jahrhunderts mit
Peter Schaffers finalem Monolog seines Stückes. So unterschiedlich diese
beiden, kaum miteinander vergleichbaren Serien in ARD und Sky auch sind,
berichten sie doch ausführlich von den Frauen aus Mozarts Leben, deren
musikalischen Ambitionen. Sie lassen ihnen auf wohltuende Weise mehr Raum
als in bisherigen Erzählungen.
16 Dec 2025
## LINKS
[1] /Neue-Mozart-Inszenierung-in-Berlin/!6004883
[2] /Die-Zauberfloete-wird-upgedatet/!6017071
[3] /Musikerin-ueber-Frauen-der-Wiener-Klassik/!5982489
## AUTOREN
Florian Schmid
## TAGS
Mozart
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