| # taz.de -- Abbau von Umweltschutz für Straßenbau: Maus und Lurch war gestern | |
| > Die Bundesregierung will den Naturschutz ausbremsen um wieder mehr und | |
| > schneller Parkplätze bauen zu können. Verbände sprechen von einem | |
| > „Frontalangriff“. | |
| Bild: Autobahn über alles? Davon soll es in Deutschland nach Wunsch von Schwar… | |
| Es ist vielsagend, wer im [1][geplanten Infrastruktur-Zukunftsgesetz der | |
| schwarz-roten Bundesregierung] Vorteile sieht. Der Bundesverband der | |
| Deutschen Industrie lobte den Beschluss am Donnerstag als „wichtigen | |
| Schritt, um schneller planen, genehmigen und bauen zu können. Das muss | |
| gelingen, damit wir die Infrastruktur zügig modernisieren und die Mittel | |
| aus dem Sondervermögen so in wirksame Investitionen umsetzen können“. | |
| Doch längst geht es bei den geplanten „Beschleunigungsregeln“ um mehr als | |
| den schnellen Einsatz der 500 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. So | |
| meldete sich schon am späten Donnerstagvormittag der Hauptgeschäftsführer | |
| des Bundesverbandes der Deutschen Kalkindustrie zu Wort: Martin Ogilvie | |
| begrüßte den Beschluss und wies darauf hin, dass ein beschleunigter Ausbau | |
| der Infrastruktur nur möglich sei, wenn dafür ausreichend heimische | |
| Rohstoffe zur Verfügung stünden. „Nur mit einer verlässlichen und schnellen | |
| heimischen Rohstoffversorgung kann das Infrastruktur-Zukunftsgesetz seinen | |
| Anspruch auch tatsächlich einlösen“, so Ogilvie. | |
| Investitionen in Rohstoffversorgung sind keine begrenzten Projekte auf | |
| Zeit, sondern weisen in die Zukunft. Das „Zukunftsgesetz“ könnte also ein | |
| Türöffner sein für den Abbau von Umweltregeln etwa auch im Bergbau. [2][Auf | |
| EU-Ebene ist Ähnliches geplant.] | |
| Hierzulande will die Bundesregierung künftig für schnellere Genehmigungen | |
| von Straßen, Lkw-Parkplätzen, Schienen, Wasserwegen und | |
| Pumpspeicherkraftwerken sorgen. „Naturschutz bleibt wichtig“, betonte | |
| Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), „aber er kann jetzt nicht mehr durch | |
| endlose Verfahren dringend notwendige Maßnahmen blockieren“. [3][Sein | |
| bayerischer Unionskollege Markus Söder wusste gar zu berichten, bislang | |
| habe jede Maus und jeder Lurch zu jahrelangen Verzögerungen geführt.] | |
| ## Ausgleichsflächen nicht mehr nötig | |
| Schwarz-Rot will das ändern, indem sie das Recht einschränkt, | |
| Verwaltungshandeln zu überprüfen; die Auswirkungen großer | |
| Infrastrukturprojekte auf Raum und Umwelt sowie mögliche Konflikte mit | |
| anderen Landnutzern sollen nicht mehr im Vorhinein aufgespürt werden. | |
| Wegfallen soll auch die Vorschrift, Ausgleichsflächen zu suchen, bevor | |
| Eingriffe in die Natur vorgenommen werden. | |
| Wer künftig etwa einen großen Lkw-Parkplatz baut, könnte einfach Geld in | |
| einen Fonds einzahlen – und nicht an anderer Stelle eine Fläche für den | |
| Naturschutz aufwerten. Verbunden werden all diese Vorhaben mit weniger | |
| Mitsprache von Ländern und Umweltverbänden. | |
| Die Reaktionen auf das „Zukunftsgesetz“ waren entsprechend eindeutig: Es | |
| sei eine „politische Vollbremsung beim Naturschutz“, kommentierte die | |
| rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne). „Straßenbau und | |
| Versiegelung im Überholspur-Modus ersetzen keine echte Zukunftspolitik, die | |
| angesichts des Klimawandels vielmehr Entsiegelung, Schutz der Natur, | |
| Stärkung unserer Wälder und Versickerung von Wasser bräuchte.“ Die | |
| Ministerin kritisierte insbesondere, dass große Infrastrukturvorhaben – | |
| selbst umstrittene Straßenneubauten – pauschal in das ‚überragende | |
| öffentliche Interesse‘ gestellt werden sollten: „Wenn man alles | |
| priorisiert, hat man am Ende nichts priorisiert“, so Eder. | |
| Ihr Schleswig-Holsteiner Umweltminister- und Parteikollege Tobias | |
| Goldschmidt kritisierte, statt Fachkräftemangel, Digitalisierung und | |
| Prozessoptimierung nach vorn zu stellen, um den Investitionsstau der | |
| Infrastruktur zu bewältigen, „macht die Koalition den Umweltschutz – und | |
| damit den Schutz der Bürgerinnen und Bürger – zum Prügelknaben“. | |
| ## Infrastrukturfrieden im Keim erstickt | |
| Das Ergebnis werde sein, dass das zarte Pflänzchen eines | |
| Infrastrukturfriedens im Keim erstickt wird. „Und das, obwohl gute Lösungen | |
| zwischen Naturschutz und Infrastrukturvorhaben, zwischen Projektierern und | |
| Betroffenen und Naturschutzverbänden häufig möglich wären“, so Goldschmid… | |
| Auch Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings (DNR), | |
| sieht in dem Beschluss einen „Frontalangriff“ auf das Naturschutzrecht. | |
| „Wir müssen jetzt retten, was wir noch haben“, sagt er. Beispiel | |
| Ausgleichsflächen: „Wenn wir die Realkompensation verloren haben, kommt sie | |
| nicht wieder.“ Geldzahlungen statt Flächenausgleich seien ein | |
| Paradigmenwechsel im Naturschutz, sagt Johann Rathke, Teamleiter Politik | |
| beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Wichtig für den Naturschutz seien | |
| Wiesen, Moore, Wälder. [4][Ohne Flächen, die vorrangig für den Naturschutz | |
| zur Verfügung stehen, geht es nicht. ] | |
| Nun komme es darauf an, wie die Bundesregierung das | |
| „Naturflächenbedarfsgesetz“ ausgestalte, das sie schon im Koalitionsvertrag | |
| angekündigt hat. Bislang ist noch kein Entwurf bekannt, trotzdem soll er, | |
| laut Beschluss, schon Ende Februar vorliegen. „Wenn der Plan sein soll, | |
| eine Vernetzung von starken Naturflächen in Deutschland herzustellen, dann | |
| wäre das grundsätzlich zu begrüßen“, sagt Umweltministerin Eder, „aber … | |
| fehlt der Glaube, dass das ausgerechnet dieser Bundesregierung gelingen | |
| soll, die sich bisher nur mit dem Abbau des Umweltrechts hervorgetan hat.“ | |
| 11 Dec 2025 | |
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| [4] /Signale-vom-Weltnaturgipfel/!6069951 | |
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