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# taz.de -- Afghanistan-Politik der Bundesregierung: Wortbruch in Serie
> Gerade erst hat Innenminister Dobrindt die deutsche Verantwortung für
> afghanische Ortskräfte betont. Nun wurde weiteren Afghan*innen die
> Aufnahmezusage entzogen.
Bild: Am 20. 11. 2025 landeten 192 Afghan:innen per Charterflug in Hannover
Erst am Mittwoch vergangener Woche hatte Bundesinnenminister Alexander
Dobrindt (CSU) im Innenausschuss bekräftigt, Deutschland habe eine
„nachlaufende Verantwortung“ für die afghanischen Ortskräfte. Doch kaum
schien die Bundesregierung ihre Blockadehaltung bei den Evakuierungen
ehemaliger deutscher Partner*innen in Afghanistan zu mäßigen, geht es
offenbar schon wieder rückwärts.
Wie sich herausstellte, entzog sie seit Mitte November 122 weiteren
Afghan*innen, denen im sogenannten Ortskräfteprogramm die Aufnahme in
Deutschland versprochen worden war, diese Zusagen wieder. Das teilte die
[1][Hilfsorganisation Kabul Luftbrücke] mit. Ihren Angaben zufolge treffen
diese Rücknahmen 26 Antragsteller*innen, die für die jetzt SPD-geführten
Ministerien für Verteidigung (BMVg) und Entwicklung (BMZ) gearbeitet
hatten, und deren Familienmitglieder.
Vier der Absagen kamen diesen Mittwoch, am selben Tag, als die
Bundesregierung 192 Afghan*innen per Charterflug einreisen ließ. Zuvor,
von August bis Ende November, kamen rund 180 einreiseberechtigte
Afghan*innen mit normalen Linienflügen. Bisher charterten
Bundesregierungen nur Flugzeuge für Abschiebungen nach Afghanistan.
## Fast die Hälfte betroffen
Vom Entzug der Aufnahmezusage betroffen ist damit [2][fast die Hälfte aller
noch nicht eingereister Personen] aus dem Ortskräfteprogramm, einem von
vier Afghanistan-Aufnahmeprogrammen. Darunter ist ein ehemaliger
Polizeiausbilder, der zehn Jahre lang im Auftrag des BMZ arbeitete. Die
afghanische Polizei stellte die erste Verteidigungslinie im Kampf gegen die
Taliban. Ihre Angehörigen und Familien werden deshalb bis heute von den
neuen Machthabern gesucht oder drangsaliert. Auch zwei Frauen mit Kindern
sind dabei, deren Männer bereits in Deutschland sind. Die Bundesregierung
trennt damit Familien.
Das BMZ, BMVg und das Bundesinnenministerium äußerten sich auf taz-Anfrage
jeweils nur, ohne auf die jüngsten Fälle einzugehen. Das BMI erklärte, man
äußere sich nicht zu „konkreten Einzelfällen“; im Übrigen seien die
Sicherheitsinterviews „für die Personen im Ausreiseverfahren aus dem
Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan und dem Ortskräfteverfahren“ bisher
„noch nicht vollständig abgeschlossen“. Keines der Ministerien dementierte
die Zahlen der Luftbrücke ausdrücklich.
Bei den weiteren Aufnahmeprogrammen handelt es sich zum einen um die
Menschenrechtsliste für gefährdete frühere afghanische
Mitarbeiter*innen von Nichtregierungsorganisationen, die die
Bundesregierung während des Afghanistan-Krieges 2001–21 finanziell
förderte. Sie war nur zwei Wochen lang offen.
Zum anderen gab es das im Oktober 2022 nach langer Verzögerung gestartete
und nie richtig in Gang gekommene Bundesaufnahmeprogramm (BAP) sowie dessen
Vorgänger, das sogenannte Überbrückungsprogramm. Seit Friedrich Merz’
Übernahme der Kanzlerschaft können auch für diese Programme keine
Kandidat*innen mehr benannt werden. Altfälle muss die Bundesregierung
aber noch abarbeiten. Das geschieht nicht freiwillig, sondern auf [3][Druck
von etwa 80 Gerichtsentscheiden].
## Dobrindt verhärtet Afghanistanpolitik
Auch an anderer Stelle [4][verhärtet Dobrindt die deutsche
Afghanistanpolitik]. Anfang der Woche erklärte er, dass sein Ministerium
Personendaten mit Vertretern der afghanischen Botschaft in Berlin
austausche. Die Bundesregierung verhandelt seit Längerem mit den Taliban
über eine Vereinbarung zu regelmäßigen Direktabschiebungen nach
Afghanistan. Dazu erlaubte sie deren Regime, Konsularbeamte in Deutschland
zu installieren. Die Daten dürften auch dem berüchtigten Geheimdienst GDI
in die Hände fallen, der alle Institutionen des Talibanregimes durchdringt.
Zudem ließ der CSUler durchblicken, dass er auch Abschiebungen afghanischer
Frauen nicht ausschließe. Es gehe ihm zwar zunächst um Straftäter und
Gefährder, aber zwischen Männern und Frauen unterscheide das Gesetz nicht.
Wohl aber der Europäische Gerichtshof: In einem Meilenstein-Urteil sprach
er im Oktober 2024 Afghaninnen pauschal Asylrecht zu.
Dieser Text wurde am 8. Dezember 2025 um Stellungnahmen aus den
Bundesministerien ergänzt.
5 Dec 2025
## LINKS
[1] /Protest-vor-dem-Auswaertigen-Amt/!6095397
[2] /Unterlassene-Evakuierung-von-Afghanen/!6124589
[3] /Bundesverfassungsgericht-ueber-Afghanen/!6135557
[4] /Dobrindts-Afghanistan-Abschiebeoffensive/!6135297
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Ortskräfte
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