| # taz.de -- Bundestag zu Asylrecht: Mehr sichere Herkunftsstaaten | |
| > Künftig kann die Bundesregierung bestimmen, in welche Länder leichter | |
| > abgeschoben werden kann. Der Pflichtanwalt bei Abschiebehaft wird | |
| > abgeschafft. | |
| Bild: Alexander Dobrindt möchte am liebsten in möglichst viele Länder abschi… | |
| Berlin taz | Die schwarz-rote Koalition setzt die ausgerufene | |
| „[1][Migrationswende]“ fort. Der Bundestag beschloss an diesem Freitag, | |
| dass die Bundesregierung künftig „sichere Herkunftsstaaten“ per Verordnung | |
| festlegen kann. Außerdem wurde die erst 2024 eingeführte Pflicht-Anwält:in | |
| bei Abschiebehaft wieder gestrichen. Das entsprechende Gesetz wurde mit | |
| großer Mehrheit von CDU/CSU, SPD und AfD beschlossen. Grüne und Linke | |
| stimmten dagegen. | |
| Bisher müssen sichere Herkunftsstaaten vom Bundestag per Gesetz bestimmt | |
| werden, der Bundesrat muss zustimmen. Künftig soll eine | |
| [2][Rechtsverordnung der Bundesregierung] genügen. So soll die bisherige | |
| Blockade der grün-mitregierten Bundesländer im Bundesrat ausgehebelt | |
| werden, wie Alexander Throm, der innenpolitische Sprecher von CDU/CSU, | |
| offen bekundete. | |
| Bisher hatte der Bundestag neben den EU-Staaten zehn weitere Staaten als | |
| sichere Herkunftsländer bestimmt: Albanien, Bosnien und Herzegowina, | |
| Georgien, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Moldau, Senegal und | |
| Serbien. Der Abgeordnete Throm kündigte an, dass vier Staaten demnächst | |
| folgen sollen: Algerien, Marokko, Tunesien und Indien. „Bei Antragstellern | |
| aus diesen Staaten liegt die Anerkennungsquote bei nur 0,3 bis 2,2 | |
| Prozent“, sagte Throm. | |
| Ex-Ministerin Claudia Roth (Grüne) fragte, wie man Tunesien angesichts der | |
| dortigen „Repressionswelle gegen die demokratische Opposition“ zum sicheren | |
| Herkunftsstaat erklären könne. Throm verwies darauf, dass auch die | |
| Anerkennungsquote bei tunesischen Flüchtlingen bisher nur bei zwei Prozent | |
| gelegen habe. Außerdem sei die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat nur | |
| eine „Vermutung“, die im Einzelfall auch widerlegt werden könne. Clara | |
| Bünger (Linke) befürchtet dennoch, dass die Ablehnung von Asylanträgen aus | |
| diesen Ländern dann zur „Formsache“ werde. | |
| Throm nannte vor allem drei Vorteile einer Einstufung als sicherer | |
| Herkunftsstaat: „Die Verfahren werden beschleunigt, es gibt ein | |
| Arbeitsverbot für alle Antragssteller aus diesen Staaten und es wird ein | |
| Signal in diese Länder gesendet, dass es sich nicht lohnt, in Deutschland | |
| Asyl zu beantragen.“ | |
| Die Grünen-Abgeordnete Feliz Polat hält das Gesetz allerdings für | |
| „verfassungswidrig“. Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten sei eine | |
| wesentliche Entscheidung, die der Bundestag nicht der Exekutive überlassen | |
| dürfe. Außerdem müsse der Bundesrat beteiligt werden; das sehe Artikel 16a | |
| Grundgesetz ausdrücklich vor. Dem widersprach Detlef Seif (CDU): Die | |
| Grundgesetznorm beziehe sich nicht auf die heute übliche Asylgewährung nach | |
| EU-Recht. | |
| ## Abschiebehaft ohne Anwält:in | |
| Der zweite große Punkt des Gesetzes betrifft die Abschiebehaft. Auf | |
| Betreiben der Grünen hatte die Ampel-Koalition erst 2024 eingeführt, dass | |
| die ausreisepflichtige Migrant:in bei der richterlichen Entscheidung über | |
| die Anordnung von Abschiebehaft zwingend anwaltlich vertreten sein muss. | |
| Die Koalition schafft diese Anwaltspflicht nun wieder ab, weil sie die | |
| Abschiebeverfahren verlängere. „Die Zuordnung eines Anwalts vor der | |
| Entscheidung über die Abschiebehaft hat ein Frühwarnsystem geschaffen, das | |
| es den Betroffenen ermöglichte, rechtzeitig unterzutauchen“, so der | |
| CDU-Mann Seif. | |
| Für die Grünen verteidigte der rechtspolitische Sprecher Helge Limburg die | |
| einstige Errungenschaft: „Vor Einführung der Anwaltspflicht waren 50 bis 60 | |
| Prozent der Abschiebehaft-Entscheidungen rechtswidrig.“ Detlef Seif, ließ | |
| das aber nicht gelten, es gebe hierzu keine wissenschaftlichen | |
| Untersuchungen, nur Behauptungen von Anwälten und Pro Asyl. Sebastian | |
| Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD, wies darauf hin, dass die | |
| Gerichte bei „schwieriger Sach- und Rechtslage“ auch weiterhin einen Anwalt | |
| zuordnen können. | |
| Erst zwei Tage vor der Abstimmung war in den Gesetzentwurf noch eine | |
| weitere relevante Regelung aufgenommen worden: Wer im | |
| Einbürgerungsverfahren besticht, bedroht oder falsche und unvollständige | |
| Angaben macht, soll eine zehn-jährige Einbürgerungssperre erhalten. Der | |
| CDU-Abgeordnete Throm verwies auf hunderte Fälle von gefälschten | |
| Sprachzertifikaten und sprach von Organisierter Kriminalität. | |
| SPD-Mann Fiedler erklärte: „Wer Deutscher werden will, muss sich redlich | |
| verhalten“. Die Grünen-Abgeordnete Polat warnte jedoch: „Wenn schon | |
| unvollständige Angaben für eine Sperre reichen, kann das auch ehrliche | |
| Familien treffen.“ | |
| 6 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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