| # taz.de -- COP30 in Brasilien: Grüne Bühne, schwarzer Boden | |
| > Brasilien als COP30-Gastgeber stellt sich als Vorreiter der Energiewende | |
| > dar. Gleichzeitig fördert die Regierung immer mehr Öl. Mit ernsten | |
| > Folgen. | |
| Bild: Auch eine Form von steinreich: In Garten des Fischers Humberto Almeida in… | |
| „Nach rechts, nach rechts“, brüllt Humberto Almeida und fuchtelt heftig mit | |
| dem Arm. Das kleine Boot neigt sich leicht, als der junge Mann am Steuer | |
| reagiert. Der Motor heult auf, der Bug schneidet durch das tintenschwarze | |
| Wasser. Am Ufer glitzern friedlich die Lichter. | |
| Almeida, 41 Jahre, hochgewachsen, deutet auf zwei Schatten, die Rücken an | |
| Rücken im Hafen liegen. Ein scharfer Geruch liegt in der Nase. „Siehst du | |
| diesen U-förmigen Schlauch?“, ruft er über das Dröhnen des Motors. „Da | |
| fließt das Öl durch.“ | |
| Eine Runde drehen, beobachten, dann verschwinden, bevor die | |
| Sicherheitsleute sie bemerken – so der Plan. Almeida erklärt, was hier | |
| passiert: Ein Tanker füllt Öl in einen anderen. Ship-to-Ship-Transfer nennt | |
| man das. Das Risiko? „Wenn da was schiefgeht, landet Öl im Meer.“ Almeida | |
| ist überzeugt: Genau das passiert hier. | |
| Er lebt in São Sebastião, einer Küstenstadt im Bundesstaat São Paulo. Er | |
| ist Fischer in dritter Generation, wie er betont. Doch wie lange er noch | |
| fischen kann, ist ungewiss. „Dieses verfluchte Öl zerstört alles.“ | |
| Unter der Küste Brasiliens schlummern riesige Mengen „schwarzen Goldes“. | |
| Der Großteil wird offshore gefördert, vor allem aus dem Pre-Sal-Vorkommen, | |
| das tief unter einer Salzschicht liegt und zu den ertragreichsten Ölfeldern | |
| des Landes zählt. Auch vor der Küste São Paulos stehen Bohrinseln. Das Öl | |
| mache das Land reich, behaupten Politiker*innen und Konzernchefs | |
| unisono. [1][Petrobras], der halbstaatliche Ölkonzern, ist Brasiliens | |
| größtes Unternehmen, Öl das wichtigste Exportgut. | |
| Im Juni versteigerte die Regierung Förderflächen in der Amazonas-Mündung. | |
| Im Oktober genehmigte die Umweltbehörde Ibama Probebohrungen, kurz darauf | |
| begannen die ersten Operationen. Gleichzeitig verhandelt die [2][COP30 in | |
| Belém] über Maßnahmen gegen die Klimakrise. Brasilien präsentiert sich als | |
| Vorreiter der grünen Wende. Doch wie passt das zum Ölrausch? | |
| Almeida fährt oft hinaus, um die Operationen zu beobachten. Mit anderen | |
| Fischern teilt er Bilder und Videos in einer Whatsapp-Gruppe – Beweise, wie | |
| sie hoffen. Sie haben Behörden angerufen, Beschwerden geschrieben, | |
| Journalisten kontaktiert. Doch nichts hat sich geändert. Der Gegner scheint | |
| übermächtig. | |
| Petrobras betreibt in São Sebastião über die Tochterfirma Transpetro einen | |
| Ölexporthafen. Auf Anfrage der taz erklärte das Unternehmen, man halte sich | |
| an die Vorschriften der brasilianischen Behörden und sei auf Notfälle | |
| vorbereitet. Medien berichten jedoch von wiederholten Öllecks. Die | |
| Ermittlungen seien eingestellt worden, betont Petrobras. Es habe „keine | |
| Anzeichen für ein Verbrechen oder einen relevanten Schaden“ gegeben. | |
| Am nächsten Tag steht Almeida vor seinem Haus am Araçá-Strand. Sein Blick | |
| geht hinüber zum Hafen, wo ein Frachter vor Anker liegt. Er bückt sich, | |
| greift in den Sand. Schwarze Körnchen bleiben in seiner Hand zurück. | |
| „Ölreste.“ | |
| In seinem Garten liegen brotlaibgroße Klumpen. Die glänzenden Brocken spült | |
| das Meer regelmäßig an, sagt er. Das Wasser sei verschmutzt, die Fischer | |
| brächten immer weniger Fang zurück. Keines seiner fünf Kinder wolle seinen | |
| Beruf übernehmen. Für Almeida eine Katastrophe. | |
| Er versteht sich als caiçara. So nennt sich die traditionelle | |
| Küstenbevölkerung in Südbrasilien. Sie leben von Fischerei, Landwirtschaft | |
| und Kunsthandwerk, sprechen einen eigenen Dialekt, pflegen eigene Bräuche. | |
| „Ich kann nicht ohne das Meer leben“, sagt Almeida. | |
| Weil die Fischerei kaum noch etwas einbringt, suchte er sich eine andere | |
| Arbeit. Doch für Arme gibt es kaum gute Jobs. Viele hätten nur zwei | |
| Optionen: Drogendealer oder für einen Petrobras-Zulieferer schuften. Auch | |
| Almeida arbeitete dort. Stundenlang bearbeitete er Betonplatten mit dem | |
| Presslufthammer, lud Lkws ab. | |
| Vier Monate hielt er durch. Kurz, aber lang genug, um seinen Körper zu | |
| ruinieren. Die Folgen spüre er bis heute, Schmerzmittel gehören zu seinem | |
| Alltag. Als er nicht mehr arbeiten konnte, sei er entlassen worden. Almeida | |
| wehrte sich und erhielt nach langem Kampf eine Entschädigung. Damit baute | |
| er sein Haus fertig und kaufte ein kleines Boot. Doch das Geld war schnell | |
| aufgebraucht. Heute fischt er wieder. „Aber davon wirklich leben geht | |
| eigentlich nicht.“ | |
| São Sebastião ist ein typischer Fischerort mit Altstadt und einer Promenade | |
| voller Restaurants. Vor der Küste liegt Ilhabela, die „schöne Insel“, ein | |
| beliebtes Ziel für gestresste Paulistanos. In der Stadt prangt überall das | |
| gelb-grüne Logo von Petrobras. Der Ölkonzern ist allgegenwärtig. Viele | |
| Menschen arbeiten für den Ölriesen. Für die einen ein Segen, für die | |
| anderen ein Fluch. | |
| Evaldo Pereira, 51 Jahre alt, trägt die Geschichte seiner Familie in einer | |
| Plastiktüte: Fotos, Dokumente, Zeitungsausschnitte. Auf einem der Bilder | |
| sieht man einen kleinen Jungen, vielleicht vier Jahre alt. Es ist Pereira. | |
| Er steht vor einer palafita, einem Stelzenhaus. Dort wurde er geboren, dort | |
| wuchs er auf. Heute ist dort der Hafen. | |
| Auch Pereira ist Fischer. Er ist ein etwas hyperaktiver, herzlicher Mann, | |
| der Fragen beantwortet, bevor sie gestellt werden. Wenn er spricht, wirbeln | |
| seine kräftigen Hände durch die Luft, als zöge er unsichtbare Fische | |
| heraus. Er redet wie jemand, der sein ganzes Leben gegen Wind und Wellen | |
| ansprechen musste. | |
| Seine Familie kam vor mehr als 100 Jahren aus dem Nordosten hierher. Seine | |
| Wurzeln: afrikanisch, europäisch, indigen. „Ich bin Brasilien in einer | |
| Person.“ Er habe eine schöne Kindheit gehabt, sei oft mit dem Boot | |
| rausgefahren, in den Wäldern Capybaras jagen gegangen. Sein Vater war einer | |
| der besten Kokospalmen-Kletterer, damals ein Volkssport. Doch 1998 mussten | |
| sie ihr Haus verlassen, weil der Hafen erweitert wurde. Eine Entschädigung | |
| gab es nicht. Sie zogen auf einen Hügel. Doch damit gingen die Probleme | |
| erst richtig los. | |
| Itatinga heißt das Viertel, 20 Gehminuten vom Strand entfernt, das sich | |
| scheinbar die Anhöhe hinaufzieht. Motorräder knattern, Musik dröhnt, und | |
| gefühlt ist jedes dritte Haus eine evangelikale Kirche. Daumen hoch, „tudo | |
| bem?“, „alles gut?“ Pereira läuft durch die Straßen, als kenne er jeden… | |
| vermutlich tut er das auch. Er ist ein bunter Hund: Aktivist, Poet, | |
| Musiker, Kanubauer. Ob er irgendetwas nicht mache? Pereira lacht. „Geld!“ | |
| Dass er überhaupt noch lebt, sagt er, sei dem Glück zu verdanken. | |
| 2012 fühlte er sich plötzlich schlapp. Schmerzen in der Lunge, Schwindel, | |
| Halluzinationen, Blut im Stuhl. Der Arzt fragte: „Haben Sie Drogen | |
| genommen?“ Hatte er nicht. Als Pereira seinen Wohnort nannte, folgten | |
| Tests. Er zieht einen Arztbericht aus einer Plastiktüte. „Ich wurde | |
| vergiftet. “ | |
| Der taz liegt ein Bericht des Medizinischen Rechts- und Kriminalinstituts | |
| von São Paulo (IMESC) vor. Daran heißt es, „dass die begutachtete Person an | |
| einem myelodysplastischen Syndrom mit deutlicher Neutropenie leidet, | |
| wahrscheinlich sekundär aufgrund einer Benzolexposition.“ Heißt: Der | |
| Kontakt mit Öl war wahrscheinlich für die Knochenmarkerkrankung Pereiras | |
| verantwortlich. Petrobras wollte sich auf Anfrage der taz nicht äußern. | |
| In den 1970er Jahren hatte Petrobras im Stadtteil Itatinga eine Grube | |
| geöffnet und dort Rückstände der Ölförderung entsorgt. Berichte und | |
| Zeitungsartikel belegen das. 2018 stimmte Petrobras zu, rund 1,2 Millionen | |
| Euro in die Reinigung des verseuchten Gebiets zu investieren. | |
| Doch noch immer soll Öl im Boden stecken. Pereira zeigt Stellen im Schlamm, | |
| an denen sich offenbar Öl sammelt. Das am stärksten kontaminierte Gelände | |
| liegt direkt vor seinem Haus. Ein Zaun sperrt es ab, Sicherheitsleute | |
| bewachen es. Sie beobachten Pereira skeptisch, während er vorbeigeht. | |
| Pereira habe überlebt, weil er „zu den richtigen Ärzten“ ging. Nach zehn | |
| Jahren Kampf ist er heute gesund. Viele seiner Nachbar*innen sind es | |
| nicht. Eine alte Frau klagt am Holztor über Ausschlag am Hals, eine andere | |
| musste ihren Uterus entfernen lassen, und wieder eine weitere Frau liegt | |
| mit Krebs in ihrem Bett. Man spricht von auffällig vielen autistischen | |
| Kindern, von Depressionen, von Erblindungen. Viele glauben, das Öl sei | |
| schuld. Tatsächlich können Erdölderivate Krankheiten auslösen. Ob die | |
| Leiden der Bewohner*innen aber wirklich damit zusammenhängen, ist | |
| schwer nachzuweisen. | |
| Dass nun auch in Amazonien Erdöl gefördert werden soll, findet Pereira | |
| wahnsinnig. Eine sichere Ölförderung gebe es nicht. | |
| Ein paar Wochen zuvor, Berlin. Edinho da Silva sitzt im Besprechungsraum | |
| der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der Blick fällt auf den Landwehrkanal, unten | |
| rauscht der Verkehr, es nieselt. Da Silva, 60, ist seit Juli 2025 | |
| Vorsitzender der Arbeiterpartei PT. Ein freundlicher Mann mit | |
| unprätentiöser Art. | |
| Er teilt mit Präsident [3][Luiz Inácio Lula da Silva] nicht nur den | |
| Nachnamen, sondern auch eine Überzeugung: dass Brasilien das Recht – ja, | |
| sogar die Verpflichtung – habe, [4][sein Öl abzubauen]. „Ein Land mit so | |
| viel Armut wie Brasilien kann nicht auf potenziellen Reichtum verzichten.“ | |
| Solche Töne sind typisch für die Arbeiterpartei PT. | |
| Die Partei verfolgt schon lange das Entwicklungsziel, den | |
| Ressourcenreichtum des Landes für soziale Fortschritte zu nutzen. In | |
| Amazonien baute sie einst riesige Staudämme, holte Bergbaufirmen ins Land | |
| und arbeitete eng mit dem Agrarsektor zusammen. Kritiker*innen weisen | |
| darauf hin: Viele dieser Projekte gingen auf Kosten traditioneller | |
| Gemeinschaften und der Natur. Warum sollte es diesmal anders laufen? | |
| Die Partei habe gelernt, heißt es. Sollte Öl gefördert werden, müsse ein | |
| Fonds eingerichtet werden, betont da Silva. Zunächst sollen die Einnahmen | |
| genutzt werden, um zerstörte Waldflächen wieder aufzuforsten. Und | |
| langfristig? Investitionen in Bildung, Gesundheit und Forschungszentren. | |
| Gerne wird von den Granden der PT das Beispiel Maricá herangezogen, einer | |
| Küstenstadt in der Nähe von Rio de Janeiro. Die von der PT geführte Kommune | |
| finanziert Projekte wie eine Sozialwährung und kostenlosen Nahverkehr mit | |
| Abgaben aus der Ölindustrie. Das „rote Maricá“ gilt als Leuchtturmprojekt | |
| der PT. | |
| Präsident Lula betont, die Förderung müsse verantwortungsvoll erfolgen. | |
| Doch er sagt auch, Brasilien sei nicht bereit, auf fossile Brennstoffe zu | |
| verzichten. Seine Logik: Wenn die USA und die Golfstaaten weiter Öl | |
| fördern, warum sollte Brasilien darauf verzichten? Dahinter steht die | |
| Debatte über die Verantwortung für die Klimakrise. Brasiliens Regierung | |
| hebt die historische Verantwortung der Industrieländer hervor und setzt | |
| sich auf der COP-Konferenz für finanzielle Verpflichtungen ein. | |
| Und tatsächlich ist Brasilien bei der Energiewende weiter als viele andere | |
| Länder. 2024 stammten fast 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. | |
| Doch bei der gesamten Energieversorgung liegt der Anteil niedriger. Die | |
| Regierung sieht die Ölförderung als notwendig, um die grüne Wende | |
| voranzutreiben. Energieminister Alexandre Silveira sagte, das Öl ebne einer | |
| „Zukunft der energetischen Souveränität“ den Weg. Fraglich bleibt dennoch, | |
| wie Brasilien seine Klimaziele erreichen will, wenn es weiterhin stark auf | |
| Öl setzt. | |
| Öl spielt in Brasilien seit Langem eine zentrale Rolle, oft mit | |
| nationalistischen Untertönen. Bereits in der Zeit des Estado Novo unter | |
| Getúlio Vargas war die Parole „O petróleo é nosso“ – „Das Öl gehör… | |
| verbreitet. Nationalistische Bewegungen erreichten in den 1940er und 1950er | |
| Jahren die Gründung von Petrobras und dem staatlichen Monopol für die | |
| Ölförderung. Heute nutzen auch Linke gerne die Parole. Dabei wird oft | |
| übersehen, dass internationale Unternehmen kräftig mitverdienen. Bei der | |
| jüngsten Offshore-Versteigerung schlugen Firmen aus aller Welt zu. | |
| Umweltministerin Marina Silva steht Ölbohrungen kritisch gegenüber. Die | |
| Tochter von armen Kautschukzapfern und langjährige Umweltaktivistin aus dem | |
| Amazonas-Bundesstaat Acre trat bereits einmal aus Protest gegen Lula | |
| Umweltpolitik zurück. Ob das erneut passieren könnte? Der Dialog mit Silva | |
| laufe gut, sagt Edinho da Silva knapp. „Sie unterstützt Entwicklung, sofern | |
| sie nachhaltig ist.“ Tatsächlich ist es um Silva auffällig ruhig geworden. | |
| Sie scheint den Kurs von Lula mitzutragen. | |
| Und die Kritik von Umweltschützer*innen? Studien seien gemacht worden, sagt | |
| der Parteivorsitzende der PT. Es gebe kein Risiko für eine Kontaminierung | |
| der Amazonasküste. Das sieht Gustavo Moura völlig anders. Er sitzt in einem | |
| grell beleuchteten Raum voller Plastikstühle mit integrierten Pulten. | |
| Normalerweise sitzen hier Student*innen. | |
| Moura – 44 Jahre, randlose Brille, Flipflops – wirkt selbst wie ein | |
| Student. Er ist Ozeanograf und Professor an der Bundesuniversität von Pará. | |
| Sie liegt in der Amazonasmetropole Belém, wo auch die COP30 stattfindet. | |
| Auf dem Campus wachsen Bananenstauden, bunte Wandbilder zeigen Indigene, | |
| ein Schild mit Schlangensymbol warnt vor wilden Tieren. | |
| Mit einem Beamer strahlt Moura eine Karte an die Wand, die Küstenregion | |
| Amazonies. Die geplanten Bohrungen liegen zwar 170 Kilometer von der Küste | |
| entfernt, doch er zeigt auf rot markierte Kreise im Wasser: „Die | |
| Fischgebiete befinden sich gerade einmal 40 Kilometer entfernt.“ Ein Ölleck | |
| könnte verheerend sein – wie 2010 im Golf von Mexiko, als eine Explosion | |
| auf einer Bohrplattform eine der größten Ölkatastrophen der Geschichte | |
| auslöste. Auch die wachsende Zahl von Schiffen könnte die Fischer | |
| beeinträchtigen. | |
| In Amazonien sind erst einmal Probebohrungen gestartet, heißt: Es wird | |
| geprüft, ob es überhaupt Öl dort gibt. Doch das ist sehr wahrscheinlich. | |
| Das Gebiet an Brasiliens Küste weist ähnliche geologische Eigenschaften auf | |
| wie das benachbarte Guyana, wo ExxonMobil derzeit riesige Ölfelder | |
| erschließt. | |
| Während in Belém über die Zukunft des Planeten diskutiert wird, legen im | |
| Hafen Schiffe ab, um Ausrüstung für die Probebohrungen ins Amazonasdelta zu | |
| bringen. Von der Metropole aus wird die gesamte Arbeit koordiniert. | |
| Warum die Umweltbehörde Ibama die Genehmigung noch vor der COP erteilte, | |
| bleibt unklar. Moura will als Professor nicht spekulieren, vermutet aber: | |
| Sollte die Ölförderung genehmigt werden, könnte dies entlang der gesamten | |
| Küste einen Dominoeffekt auslösen. | |
| Laut Petrobras wurde das Projekt seit einer ursprünglichen Ablehnung im Mai | |
| 2023 mehrfach überarbeitet und verbessert worden. Das Unternehmen erklärte, | |
| die jüngste Entscheidung sei „ein Erfolg für die brasilianische | |
| Gesellschaft“. Sie zeige die „Robustheit der gesamten | |
| Umweltschutzstruktur“, die für die Bohrungen vorgesehen sei. Petrobras | |
| betonte, dass man „sicher, verantwortungsbewusst und mit technischer | |
| Qualität“ arbeiten werde. | |
| Der Ozeanograf Gustavo Moura äußert sich hingegen skeptisch: „Petrobras hat | |
| Know-how für die Küste im Südosten Brasiliens, aber nicht hier.“ Es fehle | |
| sowohl die notwendige Ausstattung als auch die Zeit. Eine angemessene | |
| Reaktion auf eine Ölkatastrophe sei kaum möglich. Auch das Argument, dass | |
| in der Region wenige Menschen leben, lässt er nicht gelten: Im | |
| Einzugsgebiet wohnen über zwei Millionen Menschen, darunter viele Indigene | |
| und traditionelle Gemeinschaften. Diese seien nicht konsultiert worden, | |
| kritisiert Moura – ein Verstoß gegen die ILO-Konvention 169. | |
| Für Andrea Rocha, 46, krause Haare, grüne Perlenohrringe, sind sowohl | |
| Amazonien als auch São Sebastião „klassische Fälle“. Sie arbeitet für d… | |
| Pastoralen Rat der Fischer und Fischerinnen, der sich für die Rechte von | |
| Küstenbewohner*innen einsetzt. Ihre Erfahrung: „Ein Fortschritt der | |
| Industrie bedeutet nicht automatisch Entwicklung für die Gemeinden.“ | |
| Auffällig sei, dass es sich häufig um Gemeinden handelt, in denen | |
| überwiegend Schwarze und Indigene leben. „Umweltrassismus“ nennt sie das. | |
| Umweltgruppen haben Klagen eingereicht und Proteste organisiert, doch diese | |
| bleiben klein. Umweltthemen schaffen selten große Schlagzeilen. Kaum jemand | |
| glaubt, dass die COP den Ölboom in Brasilien stoppen wird. | |
| Evaldo Pereira, der Fischer aus São Sebastião, hofft, dass es im | |
| Amazonasgebiet nicht zur Ölförderung kommt. „Sie sollen nicht durchmachen, | |
| was wir erleiden mussten.“ Brasilien könne energieautark sein, ohne auf Öl | |
| angewiesen zu sein. Die Einnahmen machten wenige reich und viele krank. | |
| Sein Traum? Ein Stück Land, ein kleines Haus, am besten in Strandnähe – und | |
| irgendwann wieder in Ruhe fischen zu können. | |
| Transparenzhinweis: Teile der Recherche entstanden auf einer Pressereise | |
| von Misereor. | |
| 12 Nov 2025 | |
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| Niklas Franzen | |
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