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# taz.de -- Haus der Poesie im Silent Green: Traurige Gedichte werden zu wüten…
> Im Berliner Silent Green trafen sich bei der Veranstaltungsreihe
> „Vocations“ ukrainische und deutsche Poet:innen und Musiker:innen.
Bild: Die deutsch-ukrainische Sängerin Ganna
Cонце – Sonne! Die zwölf Sängerinnen des ukrainischen Alter Ratio Vocal
Ensembles schicken das ukrainische Wort für den Feuerball im All immer
wieder in den Raum. Chorleiterin Olga Prychodko dirigiert die einzelnen
Stimmen, die sich so wie an einem unsichtbaren Faden aneinanderhängend in
den Raum schrauben.
Das Herz des Silent Green, die Aussegnungshalle des früheren Weddinger
Krematoriums, hat eine ausgezeichnete Akustik und so schwingen die
verschiedenen Oberstimmen noch nach, während parallel dazu die nächste
Stimme der Sonne den Weg in den Raum bahnt. Mit dem Wort Sonne beginnt
Viktor Rekalos Gedicht „Verschwindende Stimmen“.
Der ukrainische Dichter schreibt im Herbst 2021: „Die Sonne vibriert in den
Pinienwäldern … der Fluss in deiner Hand wird zum Traum … und es gibt
absolut nichts, was wir vergessen müssten, was wir miteinander teilen
müssen, sind die wenigen Mauern, die uns umgeben und den Tod.“ Die
Vertonung der Verse durch den ukrainischen Komponisten Maxim Kolomilets
erlebt im Berliner Silent Green im Rahmen der Reihe „Vocations – open
space, Songs and vocal practice based in poetry“ ihre Uraufführung.
Das Gedicht ist kurz, die Vertonung fast 20 Minuten lang. Sie ummantelt das
Poem mit einem elektronisch erzeugten sphärischen Klangteppich, arbeitet
mit Wort- und Satzwiederholungen, lässt Stimmen fallen und steigen, sich
voneinander abstoßen und wieder aufeinandertreffen. Kolomilets überführt
damit das Gedicht auf eine neue Ebene. So kommt es durch die totale
Verschmelzung mit dem Gesang zu einem körperlichen Erspüren des Textes.
## Das Haus der Poesie organisiert die Reihe
Organisiert wird die Reihe „Vocations“ vom Berliner Haus für Poesie. Das
Alter Ratio Vocal Ensemble bringt zwei weitere Vertonungen zur
Uraufführung. Obwohl die Gedichte von drei AutorInnen stammen, die wiederum
von drei KomponistInnen vertont wurden, gelingt Prychodko und ihrem Chor
eine so stimmige Verknüpfung, als hätten sich alle Beteiligten bis ins
kleinste Detail aufeinander abgestimmt.
Nach der Pause gibt es mit dem ukrainisch-deutschen Poesiekollektiv
„Landschaft“ einen brüsken Wechsel. Lyrik wird jetzt durch Sprechgesang,
begleitet von meist konventionellen elektronischen Beats, performt.
Ukrainische Gedichte, die seit Beginn des Krieges entstanden sind, wie
Grigori Sementschuks Poem „UkrTears Incorporated“ werden so zu
traurig-wütenden Liedern.
Ulrike Almut Sandig singt die deutsche Übersetzung: „Wenn wir unsere Feinde
mit Tränen töten könnten, wenn wir unsere Toten mit unseren Tränen
aufwecken könnten, dann hätten wir längst alle unsere Probleme
beiseitegefegt … Aber wir haben keine Tränen mehr, nur noch Wut und blinden
Hass und gehen so die Straße der Kälte bis zum bitteren Ende.“
Die bekannte deutsch-ukrainische Sängerin Ganna, Stimmenakrobatin, Zauberin
am elektronischen Set und lässige Musikerin an ungewöhnlichen Instrumenten,
ist seit Langem Sammlerin von alten ukrainischen Volksliedern. Mit „Baba“,
das mit Humor von der Willensstärke und der Durchsetzungskraft der
ukrainischen Frauen erzählt, hat sie wieder eins neu vertont. Was alle
Texte des Abends vereint, ist die Resilienz, die aus ihnen spricht. Sie
gemeinsam zu hören, ist ein wichtiger Verstärker in unserer Zeit.
29 Oct 2025
## AUTOREN
Katja Kollmann
## TAGS
Ukraine
Musik
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Poesie
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