| # taz.de -- Blood Orange-Album „Essex Honey“: Stimmung der Stadt | |
| > Der britische Künstler Blood Orange setzt der britischen Provinz seiner | |
| > Jugend ein Denkmal. Nun kommt er für ein Konzert nach Deutschland. | |
| Bild: Klingt elegisch, ohne sich in Nostalgie zu verlieren: Devonté Hynes alia… | |
| Liverpool, Manchester oder Bristol – diese britischen Großstädte sind fest | |
| mit einem charakteristischen Sound oder einer bestimmten musikalischen | |
| Szene verbunden. Was man von Romford nicht gerade behaupten kann. In diesem | |
| Ort, der zum Großraum von London, früher aber zur Grafschaft Essex gehörte, | |
| ist der Künstler Devonté Hynes aufgewachsen. Auf seinem aktuellen Album | |
| unter dem Namen Blood Orange spürt der inzwischen in New York lebende | |
| Musiker seiner alten Heimat und ihren Klängen nach. Betitelt mit „Essex | |
| Honey“ ist es das erste neue Werk von Blood Orange seit sieben Jahren. | |
| Der 40-jährige Hynes ist Multiinstrumentalist und besitzt enzyklopädisches | |
| Musikwissen. Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, lernte er schon als | |
| Kind Cello und spielte im Schulorchester, weshalb er schon früh mit | |
| klassischer Musik in Berührung kam. In der Jugend eignete er sich dann | |
| Bass, Schlagzeug, Keyboards und einige andere Instrumente an. Mitte der | |
| Nullerjahre spielte er Gitarre im Dancepunk-Trio Test Icicles. Sein | |
| Soloprojekt Lightspeed Champion changierte zwischen Folk und Indierock. | |
| 2011 erschien dann das Debütalbum als Blood Orange, dessen Stücke in | |
| Richtung R&B und New Wave gingen. [1][Doch auch wenn sich in den Liedern | |
| von Hynes] ganz unterschiedliche Einflüsse zeigen, entwickelt er hieraus | |
| jeweils einen eigenen, unverwechselbaren Stil jenseits von Kategorien und | |
| Zuschreibungen. | |
| Schnell wurde [2][Hynes zu einem gefragten Produzenten, der unter anderem | |
| mit Solange] und Mariah Carey zusammengearbeitet hat. In den vergangenen | |
| Jahren komponierte er vor allem Filmmusik, etwa für Gia Coppola und Paul | |
| Schrader. | |
| Ausgangspunkt für seines neues Album „Essex Honey“ war ein herber Verlust. | |
| Vor zwei Jahren verstarb die Mutter von Hynes, was den Musiker dazu | |
| brachte, sich intensiv mit der Kindheit und Jugend in der englischen | |
| Provinz auseinanderzusetzen. Entsprechend persönlich fällt „Essex Honey“ | |
| aus. Die 14 Stücke ergeben einen in sich geschlossenen Kreislauf zwischen | |
| Abschied und Aufbruch, Melancholie und Erinnerung. | |
| ## Einzigartig und ziemlich gut | |
| Insgesamt klingt Blood Orange elegisch und gedehnt, ohne sich jedoch in | |
| Nostalgie zu verlieren. Das liegt auch an dem hohen, weichen Gesang von | |
| Hynes, einer Stimme, die durch Verdoppelungen und sanfte Halleffekte | |
| ätherisch und dennoch diesseitig wirkt. | |
| Dazwischen blitzt feiner Humor durch: [3][Beststellerautorin Zadie Smith | |
| gibt in „Vivid Light“ ihren Einstand als Sängerin] – ausgerechnet mit ei… | |
| Text über Schreibblockaden. Durchzogen wird das Album von kurzen | |
| Cello-Passagen. [4][Ihr kratziger Ton erinnert zuweilen an Arthur Russell], | |
| wie Hynes ein Musiker, für den es keine Trennung zwischen Pop und | |
| Avantgarde gab. Dass es ein Werk über England ist, machen Anspielungen an | |
| Bands wie New Order und Durutti Column, aber auch die Drum’n’Bass-Rhythmen | |
| von „The Field“ und „The Last of England“ deutlich. | |
| Doch wie immer bei Hynes nimmt er diese Bezüge und unterwirft sie seiner | |
| Handschrift. Das gilt auch für die eingeladenen Gäste, darunter Caroline | |
| Polachek und Lorde. Ihre Stimmen gehen im Gesamtbild auf und ordnen sich | |
| ganz dem ästhetischen Konzept unter. Die Stadt Romford mag bislang keinen | |
| Markenzeichen-Sound haben, dank „Essex Honey“ wissen wir jetzt immerhin, | |
| wie sie für Devonté Hynes klingt: einzigartig und ziemlich gut. | |
| 28 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sven Beckstette | |
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