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# taz.de -- Neuer „Dracula“-Film: Nichts mehr herauszusaugen
> Mit Luc Besson widmet sich ein weiterer Regisseur dem berühmtesten
> Blutsauger der Welt. Trotz Bildsprache hält „Dracula“ wenig
> Überraschungen bereit.
Bild: Wieder einmal sagt sich Dracula (diesmal: Caleb Landry Jones) von Gott los
Auch bei kalten Untoten loderte einst das Feuer der Leidenschaft. Wie bei
Dracula zum Beispiel, dem berühmtesten Blutsauger der Welt, den sein
Adelstitel zwar sogar zum Blaublut macht, ihn jedoch nicht vor dem
Schicksal bewahrte, das Romanautor Bram Stoker 1897 für ihn ersann. Als
einer in einer Reihe von über 30 Regisseur:innen hat Regisseur Luc
Besson [1][sich nun jenes Schicksals angenommen] und lässt es weit vor den
meisten Filmadaptionen beginnen.
Graf Dracula (Caleb Landry Jones) ist ein wollüstiger Ehemann, der weder
die vollen Lippen noch die Hände, noch sonstiges von seiner Partnerin
Elizabeta (Zoë Bleu) lassen kann. Als dem Prinzen, der im Rumänien des 15.
Jahrhunderts seine Frau durch das ganze Schloss liebt, der Krieg in die
Quere kommt, wird bis zum letzten Moment weitergefummelt. Erst dann zieht
er in die Schlacht – und muss kurz darauf Elizabetas Tod miterleben. Die
Abkehr des designierten Höllenfürsten von Gott hat Besson als
fuchsteufelswilde, blutrünstige Enttäuschung inszeniert.
Doch anders als in Stokers literarischer Vorlage, die im Übrigen aus
Briefen, Tagebucheinträgen und Notizen von Jonathan und Mina Harker, Dr.
Van Helsing und Dr. Seward besteht, lässt der opulenzbesessene Besson
seinen dunklen Helden eine ganze Weile, vier Jahrhunderte nämlich, auf der
sich verändernden Welt herumspuken, sich durch Rokokoperücken und den
Klassizismus wühlen, die Elektrizität entdecken und jede Menge Frauen und
(wenige) Männer aussaugen – um schließlich im 19. Jahrhundert endlich bei
einem Immobilienhandel auf Mina, das Abbild (oder die Wiedergeburt) von
Elizabeta, zu stoßen.
## Bekannte Blutbahnen
Der Rest des Films bewegt sich in bekannten Blutbahnen, sowohl was Story
als auch was Visualität betrifft: Hauptdarsteller Jones scheint sich mit
Gary Oldman, dem Dracula der [2][Francis-Ford-Coppola]-Inszenierung aus dem
Jahr 1992, neben dem Friseur auch noch den Schneider zu teilen. Allein aus
Bessons Fantasie stammt allerdings, dass Dracula, der wieder in „junger“
Gestalt Mina umgarnt, mal die Mini-Drehorgel, mal einen ganzen Jahrmarkt
zur Hilfe nimmt. Der notorische Nebenrollenakteur Christoph Waltz, der auch
[3][bei der neuen „Frankenstein“-Adaption] den im [4][Horrorgenre]
etablierten deutschen Wissenschaftler mimt, ist ein akzeptabler
Van-Helsing-Epigone.
[5][Bessons Set- und Kostümdesign], seine schwitzende Haptik ist
beeindruckend – nicht nur Nonnen geben sich irgendwann dem Sinnesrausch hin
wie im sündigen Sextraum eines italienischen Geistlichen, sondern auch die
steinernen Horrorfresken der Dracula’schen Burg steigen vom Sims und
mischen sich mit Gebrüll ins Kampfgewühl.
Doch vielleicht, weil der Dracula-Stoff eh schon so reich ist und seine
Adaptionen es dementsprechend ebenfalls sind, kann Bessons Werk nichts
Elementares hinzufügen. Im Gegenteil: Je mehr er sich bemüht, die Leinwand
in ein verwirrendes Hieronymus-Bosch-Gemälde zu verwandeln, desto mehr
sehnt man sich nach den reduzierten, aber bedeutungsschweren Wackelbildern
aus Murnaus den eigenen Sarg tragenden „Nosferatu“, dem schlürfenden
Kinski-Vampir, oder dem CGI-freien, aber gänsehauterzeugenden, schwebenden
Oldman.
## Alles schon gesehen
Alles, was Dracula symbolisiert, wurde von seinen Vorgängern längst
herausgefaucht – sei es die Pestgefahr, die Personifizierung der
Kriegsschrecken, der Zweifel am Glauben und am Paradies, die männliche Lust
oder der Vampir als Gentrifizierer und Geldsauger.
Zudem verzichtet auch Besson darauf, endlich einmal den von Stoker
angedeuteten Freiheitskampf der weiblichen Heldinnen Mina und ihrer
modernen Freundin Lucy auszuarbeiten. Stattdessen macht er aus Mina einfach
nur das nächste schlafwandlerisch-schöne „Love Interest“. Darüber könnte
man aus Langeweile fast zu Staub zerfallen.
30 Oct 2025
## LINKS
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[5] /Neuer-Luc-Besson-Film-Dogman-im-Kino/!5962585
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
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Rezension
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