| # taz.de -- Klimaschutz in Hamburg jetzt ernsthaft: Wie die SPD die Zukunft ver… | |
| > Wirtschaft, SPD und CDU in Hamburg jammern über das vom Volk beschlossene | |
| > scharfe Klimaschutzgesetz. Dabei hätte es nicht so weit kommen müssen. | |
| Bild: Peter Tschentscher (r, SPD und Katharina Fegebank (Bündnis 90/Die Grüne… | |
| Hamburg taz | Hamburg ist am Montagmorgen unversehens in der Zukunft | |
| aufgewacht. Unverbindliche, schöne Worte zum Klimaschutz sind Schnee von | |
| gestern. Ab jetzt wird nachgerechnet, nachgesteuert und, ja, auch mal was | |
| verboten – so lange, bis der Kurs in Richtung Klimaneutralität stimmt. So | |
| hat es das Volk am Sonntag mit dem „Zukunftsentscheid“ beschlossen. [1][53 | |
| Prozent der abgegebenen Stimmen lauteten auf Ja – bei einer | |
| Abstimmungsbeteiligung von knapp 44 Prozent.] In einem Monat wird der | |
| „Zukunftsentscheid“ Gesetz. | |
| Wie konnte es so weit kommen? Wie kann eine Initiative ein Gesetz dieser | |
| Tragweite durchbringen, gegen eine übergroße Mehrheit im Parlament, gegen | |
| die geballte Kampagnenkraft der Unternehmen? Vor allem die regierende SPD | |
| muss sich vorwerfen lassen, dass sie das Thema gewaltig unterschätzt hat. | |
| Und das ist einigermaßen unerklärlich. | |
| ## Der Unterschied zu Berlin | |
| Vielleicht haben die Genoss:innen sich darauf verlassen, dass der | |
| Entscheid für schärfere Klimaziele das nötige Quorum von einem Fünftel der | |
| Wahlberechtigten verfehlen würde, [2][wie 2023 in Berlin]. Schließlich hat | |
| der Klimaschutz seitdem nicht unbedingt an Sympathien gewonnen. | |
| Allerdings war das Ziel [3][in Berlin auch, bis 2030 klimaneutral zu | |
| werden], also von damals gesehen innerhalb von sieben Jahren. Und das mag | |
| auch manch überzeugtem Klimaschützer derart utopisch erschienen sein, dass | |
| er sich dafür nicht an die Urne bequemt hat. | |
| Auch der Blick in die Vergangenheit hätte Hamburgs SPD alarmieren müssen: | |
| Seit der Einführung hat der Hamburger Senat sechs von acht | |
| Volksabstimmungen verloren. Die Hamburger:innen lieben es, ihrer | |
| Regierung den Marsch zu blasen. | |
| Außerdem fanden jetzt in Hamburg – anders als vor zwei Jahren in Berlin – | |
| zwei Volksentscheide gleichzeitig statt. Jener zum Grundeinkommen | |
| appellierte zum Teil an ähnliche Milieus wie der Zukunftsentscheid. | |
| Wahrscheinlich haben sie einander bei der Mobilisierung geholfen. | |
| ## Finanzsenator wird zum Running Gag | |
| Und auf der Gegenseite? Hamburgs rot-grüner Senat war uneinig und hatte | |
| sich darauf verständigt, sich in der Kampagne nicht zu exponieren. Als | |
| erster hat es Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) nicht mehr ausgehalten | |
| und in den letzten Wochen vor der Abstimmung praktisch täglich vor der | |
| verheerenden Folgen des Zukunftsentscheids gewarnt, auch und gerade für | |
| sein Ressort. Dass er dabei immer betonte, eben nicht als Senator zu | |
| sprechen, sondern als einfacher Bürger, hat seiner Glaubwürdigkeit nicht | |
| aufgeholfen. Die Rede vom „Bürger Dressel“ ist in den vergangenen Wochen zu | |
| einer Art Running Gag in der Stadt geworden. | |
| Am Ende waren es sechs SPD-Senator:innen, die umschichtig die Gegenkampagne | |
| befeuerten – aber viel zu spät. Als die letzten von ihnen aufsprangen, | |
| waren schon über 100.000 Briefwahlstimmen im Kasten. Und ein, zwei Wochen | |
| sind auch für die kampferprobte SPD wenig Zeit, um ein paar zigtausend | |
| Gegenstimmen zu mobilisieren. | |
| In diesem Fall haben 35.000 gefehlt – sportlich, aber nicht unmöglich. Aber | |
| nur, wenn die Führung die Parteibasis auf ihrer Seite wüsste. Und das war | |
| bei diesem Thema nicht gewiss. Wobei ja lange auch gar nicht deutlich | |
| wurde, was die Führung wollte. | |
| ## SPD bremst, Grüne dürfen nicht unterstützen | |
| Die große Leerstelle war der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), | |
| der sonst gern robust seinen Führungsanspruch erhebt. Beim | |
| Zukunftsentscheid ist er derart abgetaucht, dass man sich aus seinen | |
| übrigen Grundüberzeugungen zusammenreimen musste, was er wohl davon halten | |
| mag. | |
| Seine grüne Stellvertreterin Katharina Fegebank, inzwischen | |
| Umweltsenatorin, hingegen hatte [4][zuletzt im taz Salon] keinen Hehl | |
| daraus gemacht, dass allein die Koalitionsräson sie daran hinderte, den | |
| Zukunftsentscheid zu unterstützen – wie es viele Parteifreunde und | |
| Abgeordnete auch taten. Sie vergoss reichlich Krokodilstränen in Richtung | |
| der Initiative und betonte ein ums andere Mal, wie sehr sie bedaure, sich | |
| nicht mit ihr geeinigt zu haben. | |
| Deren Vertreterin Lou Töllner konterte eiskalt mit Geplauder aus dem | |
| Nähkästchen: Die Koalition habe ein „völlig unzureichendes“ Angebot erst | |
| wenige Tage vor Ablauf der Anmeldefrist zum Volksentscheid auf den Tisch | |
| gelegt – und eine Einigung damit schon rein zeitlich verunmöglicht. | |
| Man darf davon ausgehen, dass das nicht auf die Kappe der Grünen geht, | |
| sondern die SPD der Bremser war – auch das schon ein strategischer Fehler, | |
| wie sich nun gezeigt hat. Dabei wäre es sicher möglich gewesen, die Spitzen | |
| aus dem Gesetzentwurf herauszuverhandeln, wie es Rot-Grün in den | |
| vergangenen Jahren oft erfolgreich getan hat. Denn am Ende ist so einer von | |
| viel ehrenamtlichem Kraftaufwand getragenen Volksinitiative häufig der | |
| Spatz in der Hand lieber als die Fotovoltaikanlage auf dem Dach. | |
| ## In Schleswig-Holstein ist selbst die CDU weiter | |
| Die SPD hätte den Grünen natürlich auch einfach schon im Koalitionsvertrag | |
| einen Schritt weiter entgegenkommen können: Null-Emissionen bis 2040, | |
| [5][so wie es im benachbarten Schleswig-Holstein sogar die CDU mit den | |
| Grünen beschlossen hat]. Und wie es auch die über den Volksentscheid laut | |
| jammernde Handelskammer längst anstrebt. Damit hätte man der | |
| Volksinitiative die Punchline geklaut. Diese ganzen angeblich furchtbar | |
| bürokratischen Detailbestimmungen über Monitoring und Zwangsmaßnahmen wären | |
| sicher nicht so sexy gewesen wie der Claim „wir machen’s fünf Jahre | |
| schneller“. Vielleicht wäre es nie zum Volksentscheid gekommen. | |
| Aber dazu müssten Hamburgs Sozialdemokraten gönnen können – und das ist | |
| ihre Stärke nun mal nicht. | |
| 13 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Kahlcke | |
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