| # taz.de -- Schärferes Klimaschutzgesetz kommt: Hamburg wählt die Zukunft | |
| > Die mit dem Volksentscheid für ein schärferes Klimaschutzgesetz | |
| > beschlossenen Änderungen müssen binnen eines Monats in Kraft treten. Eine | |
| > große Aufgabe. | |
| Bild: „Kein Grund für Aktionismus“: die Zweite Bürgermeisterin Katharina … | |
| Die Hamburger haben am Sonntag ihr Klimaschutzgesetz verschärft. Die mit | |
| dem Volksentscheid beschlossenen Gesetzesänderungen müssen binnen eines | |
| Monats in Kraft treten. Dann ist der rot-grüne Senat am Zug. | |
| [1][Mit 53 Prozent der abgegebenen Stimmen hatte das Wahlvolk für die | |
| Volksinitiative Zukunftsentscheid] votiert. Sie sieht vor, das Zieldatum | |
| für Klimaneutralität um fünf Jahre vorzuziehen – von 2045 auf 2040; im Jahr | |
| 2045 soll nach geltender Gesetzeslage ganz Deutschland klimaneutral sein. | |
| Darüber hinaus wird ein linearer Reduktionspfad für CO2 mit jährlichen | |
| Zwischenzielen festgelegt. Diese werden überprüft, bei Nichteinhaltung muss | |
| der Senat handeln. Über- oder Untererfüllungen von Zwischenzielen können | |
| über fünf Jahre verrechnet werden. Im bestehenden Gesetz ist nur ein | |
| Zwischenziel – minus 70 Prozent CO2-Ausstoß bis 2030 – festgelegt. Das | |
| novellierte Klimaschutzgesetz sieht überdies vor, den Klimaschutz | |
| verpflichtend sozialverträglich zu gestalten. Im heutigen Gesetz ist nur | |
| vom Prinzip der Sozialverträglichkeit die Rede. | |
| ## Viele Argumente gegen die Verschärfung | |
| Gegen die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes hatte zuvor neben CDU und | |
| SPD eine ganze Riege von Verbänden argumentiert – allen voran die | |
| Wohnungswirtschaft, die vor schneller steigenden und höheren Mieten warnte, | |
| während der Mieterverein zu Hamburg das als Panikmache bewertete. | |
| Industrievertreter warnten vor einer Überforderung – obwohl sich die | |
| Unternehmen via Handelskammer selbst das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 | |
| gesetzt hatten. | |
| „Hamburg ist ab jetzt das einzige Bundesland, dessen Menschen sich ihr | |
| Klimaschutzgesetz selbst gegeben haben“, kommentierten die Initiatoren des | |
| Zukunftsentscheids ihren Erfolg. „Weil sie sich entschieden haben, nicht | |
| länger untätig zusehen zu wollen, sondern die notwendigen Maßnahmen | |
| anzugehen.“ Jetzt werde Hamburgs Klimapolitik sozial, planbar und | |
| verantwortungsbewusst. | |
| Für den rot-grünen Senat ergibt sich daraus jetzt die Notwendigkeit, sein | |
| Arbeitsprogramm beim Klimaschutz dichter zu takten und dafür politisches | |
| Kapital zu investieren – in der Hoffnung, dass die Unterstützer des | |
| Zukunftsentscheids nach ihrem Erfolg nicht einfach die Hände sinken lassen. | |
| Zunächst wiesen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite | |
| Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) allerdings darauf hin, dass es | |
| „keinen Grund für Aktionismus“ (Fegebank) gebe, denn der Reduktionspfad bis | |
| 2030 ändere sich nicht. Nur die Emissionen müssten bis dahin schneller und | |
| präziser geschätzt werden. | |
| Für den weiteren Weg hat der Senat immerhin schon eine Art Blaupause: | |
| Während der Kampagne für den Zukunftsentscheid ließ der Senat Mitte | |
| September das Öko- und das Hamburg-Institut untersuchen, was getan werden | |
| müsste, um Hamburg schon 2040 klimaneutral zu machen. Die Gutachter | |
| erklärten das für möglich, warnten aber: „Ein Vorziehen der Zielsetzung der | |
| Netto-CO2-Neutralität auf das Jahr 2040 würde erhebliche | |
| Zusatzanstrengungen bedeuten, die, je nach Ausgestaltung, zu spürbaren | |
| Mehrbelastungen für private Haushalte, Unternehmen und den Landeshaushalt | |
| führen würden.“ | |
| ## Gutachten: In der Stadt sollte Tempo 30 gelten | |
| Dem Gutachten zufolge muss das Gasnetz stillgelegt und das Fernwärmenetz | |
| schneller ausgebaut werden. In der Stadt sollte Tempo 30 gelten und die | |
| Autos sollten nur noch elektrisch fahren. Das Netz der Busse und Bahnen | |
| müsste verdichtet und verbessert werden ebenso wie das Radwegenetz. Die | |
| Industrie müsste fossile Energie durch Wasserstoff und E-Fuels ersetzen. | |
| Gebäudeheizungen müssten auf erneuerbare Energien umgestellt und der Ausbau | |
| von Wind- und Solarenergie beschleunigt werden. | |
| [2][Offen ist, wie teuer das wird]. Andreas Breitner, Direktor des | |
| Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen, der vor allem Genossenschaften | |
| und kommunale Unternehmen vertritt, hatte das im taz Salon zum | |
| Zukunftsentscheid vorgerechnet: Würde das Klimaziel vorgezogen, müssten | |
| seine Unternehmen in kürzerer Zeit mehr Kredite aufnehmen und mit | |
| Eigenkapital unterlegen. Letzteres könnten einige Unternehmen nur durch | |
| Mieterhöhungen aufbringen. | |
| Rolf Bosse, der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, betonte hingegen | |
| die Vorteile einer energetischen Sanierung: „Wer in einer modernisierten | |
| Wohnung lebt, hat keinen Schimmel und spart Heizkosten.“ Damit | |
| einhergehende Mieterhöhungen seien gesetzlich gedeckelt. Bosse warb dafür, | |
| private Vermieter zu unterstützen. Viele wüssten nicht, wie sie vorgehen | |
| sollen. „Ihnen gebührt die größte Unterstützung“, sagte Bosse. | |
| Die klimagerechte Mobilitätswende ist bereits eines der großen Projekte der | |
| Koalition. „Wenn man uns an einer Stelle keinen Vorwurf machen kann, dann | |
| beim Verkehr“, findet Umweltsenatorin Fegebank. In der Tat hat der Senat | |
| die Bedingungen für den Fahrradverkehr deutlich verbessert und er plant den | |
| Hamburg-Takt: Bis 2030 soll jeder Hamburger von morgens bis in die | |
| Abendstunden binnen fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsangebot | |
| erreichen können. | |
| Andererseits hat die SPD vor der jüngsten Bürgerschaftswahl [3][ein | |
| Parkplatzabbaumoratorium verkündet] und sie setzt auf den Ausbau von | |
| U-Bahnen. Von der Einführung eines Straßenbahnsystems, das billiger und | |
| besser zugänglich wäre, will der Senat bisher nichts wissen. | |
| ## Dieser Weg ist ziemlich steinig | |
| Auch bei der Energieversorgung hat der Senat sich auf den Weg gemacht. Es | |
| zeigte sich jedoch, dass dieser Weg ziemlich steinig ist. Der Ausbau des | |
| Fernwärmenetzes braucht Zeit, seine Umstellung auf erneuerbare Energie hat | |
| sich immer wieder verzögert. Manche Projekte, wie die [4][Idee Buschholz | |
| aus Namibia zu verbrennen, scheiterten] an politischem Widerstand und auch | |
| daran, dass die Latte für Klimaneutralität höher gelegt wurde. | |
| Dabei bieten verschärfte Klimaschutzanstrengungen auch Chancen. So möchte | |
| der Senat Hamburg zur Drehscheibe für die Wasserstoffwirtschaft machen. | |
| [5][Ein großer Elektrolyseur soll überschüssigen Windstrom in Wasserstoff | |
| verwandeln], der von der Industrie als klimaneutraler Rohstoff verwendet | |
| werden könnte. Das Projekt schreitet voran, aber von den ursprünglichen | |
| Partnern der Stadt sind alle abgesprungen. | |
| Immerhin ist das neue Klimaschutzgesetz nicht so starr und unflexibel, wie | |
| es Norbert Aust, der Präses der Handelskammer unterstellt. Zwar ist von | |
| Jahr zu Jahr eine gleichmäßige Verringerung des Gesamtausstoßes von CO2 | |
| vorgesehen. Sollte es aber in einem Jahr einen großen Sprung geben, etwa | |
| indem eine Flusswärmepumpe an den Start geht, kann das über Plan | |
| gedrosselte CO2 auf die nächsten Jahre angerechnet werden. | |
| Zudem [6][berücksichtigt das Gesetz, dass Hamburg zur Erreichung des Ziels | |
| 2040 auch von Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene abhängig] bleibt – | |
| etwa, ob die Elektrifizierung von Autos entsprechend vorangetrieben wird. | |
| Lässt sich der Zielpfad nur durch Maßnahmen einhalten, für die der Senat | |
| keine Regelungskompetenz hat, ist er aus dem Schneider. | |
| 13 Oct 2025 | |
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| [3] /Verkehrswende-rueckwaerts/!6084235 | |
| [4] /Umweltbewegung-feiert-Entscheidung/!6055416 | |
| [5] /Wasserstoff-statt-Kohlekraft-in-Hamburg/!6028312 | |
| [6] https://zukunftsentscheid-hamburg.de/forderungen/gesetz-lesefassung | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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