| # taz.de -- Geplantes Verbot des „Veggie-Burgers“: Triumph des Sandkasten-S… | |
| > Eigenverantwortung beim Autokauf, aber nicht beim Veggie-Burger? Wenn | |
| > Freiheit nur gilt, solange sie nach Wurst schmeckt, wird’s inkonsequent. | |
| Bild: Der Bundeskanzler der viertgrößten Volkswirtschaft macht klar: Eine Wur… | |
| Als unsere Kinder klein waren, also im späten Mittelalter, war der freie | |
| Wille in unserer Familie nur eine Fiktion. Wenn mein Sohn mit der Schere | |
| herumfuchtelte, wurde sie einkassiert. Ab zwei Metern Höhe pflückten wir | |
| unsere Tochter von jedem Klettergerüst, auch durch direkten Zwang. Als der | |
| Dritte mit dem Schraubenzieher die Steckdosen erkundete, verbannten wir das | |
| Werkzeug in einer Kurzschlusshandlung in den Keller. Nix mit freier | |
| Entfaltung der Persönlichkeit. Ich war ein Sandkasten-Stalinist. | |
| Dieser Hang zum Autoritären brachte eine gesunde Abgrenzung zum | |
| „Laisser-faire“ der Wirtschaftsliberalen. Ich finde ein Tempolimit richtig, | |
| die Jünger der Freiheit setzen auf den Verstand am Lenker. Ich finde, man | |
| muss nicht-recycelbares Plastik verbieten – sie setzen auf den mündigen | |
| Shampookäufer. Ich plädiere dafür, überzuckerte Joghurts für überfütterte | |
| Kinder aus dem Regal zu verbannen, sie schwören auf die Weisheit der | |
| Erziehungsberechtigten. Ich finde, Sprit schluckende Autos und fossile | |
| Heizungen sollten von der Effizienzpolizei verschrottet werden, sie finden: | |
| Freiheit hat die Form einer Rußfahne aus dem Auspuff. | |
| Es war die gute alte Zeit, wie gesagt, am Ende des Mittelalters. Den | |
| Freunden dieser angeblichen Freiheit war ich in freundlicher Abneigung | |
| verbunden. Ich hielt sie für durchgeknallt, sie fanden mich verbohrt. Alles | |
| in bester Ordnung also. | |
| Und jetzt der Schock: [1][Die Konservativen im EU-Parlament setzen einen | |
| Beschluss durch, nach dem ein Veggieschnitzel nicht mehr Schnitzel heißen | |
| darf]. Der Bundeskanzler der viertgrößten Volkswirtschaft fühlt sich zur | |
| Klarstellung bemüßigt, eine Wurst sei eine Wurst, deshalb nicht vegan. | |
| ## „Fleisch von einem Tier namens Tofu?“ | |
| Wo sind sie hin, die Cheerleader der Eigenverantwortung? Die Helden der | |
| mündigen BürgerInnen? Sie trauen den Menschen zu, bei ihrem | |
| Sparkassenberater den Unterschied zwischen einer Schrottimmobilie und einer | |
| soliden Geldanlage zu verstehen – aber nicht, das Wort „vegan“ auf einer | |
| Packung zu lesen? Sie meinen, all die verantwortungsvollen Citoyens, denen | |
| sie ihre Wahl verdanken, würden den Unterschied zwischen Fast Food und fast | |
| Fleisch nicht kapieren? Wie viele Wursthungrige denken: „Tofuwurst? Ah, | |
| Fleisch von einem Tier namens Tofu, das muss ich mal probieren!“. Und | |
| fallen dann ins Erbsenprotein-Koma, weil ihnen auf der Zunge der Geschmack | |
| des Todes fehlt? | |
| Kommt mündig also doch von Mund? Der Verdacht liegt nahe, dass all die | |
| Liberalen und Konservativen ihren Mitmenschen gar nicht so viel | |
| Urteilsvermögen zutrauen, wie es der von ihnen herbeigeredete homo | |
| oeconomicus eigentlich braucht. Dann gehen alle ihre anderen Rechnungen ja | |
| vielleicht auch nicht auf. Dann ist die Freiheit gar nicht unbegrenzt? Es | |
| gibt Grenzen, die die Natur uns setzt und unsere fossile Wirtschaft kann | |
| nicht einfach immer weiter wachsen? Meine Güte: Das wäre das | |
| Wurst-Case-Szenario. | |
| 9 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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