Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der Wahnsinn mit der Plastikfolie: La Folie de la Frischhalté
> Beim Schnorcheln über Kunststoffmüll wundern, aber alles in Plastikfolie
> einpacken: Mit ein bisschen Vorausdenken kann man Gewohnheiten ändern.
Bild: Everybody's darling, the Frischhaltefolie
Es waren tolle Tage am Mittelmeer, mit denen wir Ende September bei Toulon
den Sommer verlängerten: die Sonne genießen, wenn sie keine Löcher mehr in
die Haut brennt; im Meer nach bunten Fischen schnorcheln, wenn die marine
Hitzewelle langsam abklingt; Baguettes, Rosé und Restaurants genießen, wenn
sie nicht von Menschenmassen überrannt werden. Nur bei der Planung des
Picknicks standen mir regelmäßig die Haare zu Berge: Sandwiches schmieren,
und dazu die Rolle mit der Plastikfolie so routiniert nutzen wie das
Buttermesser: ssssst, ratsch, einwickeln; sssst, ratsch, einwickeln, immer
und immer wieder. Und sich dann beim Schnorcheln über [1][den
Kunststoffmüll] wundern, der überall rumliegt und rumtreibt.
Unsere französischen Freundinnen und Freunde haben ein schönes Wort für
Wahnsinn, Quatsch, Verrücktheit: La Folie. Wenn ich mich in den Küchen und
Haushalten so umsehe, ist es bei uns vor allem: La Folie de la Frischhalte.
Der Wahnsinn der Plastikfolie, mit der alles immer dauernd schnell mal eben
verschweißt wird: die Sandwiches in der Brotbox, die Äpfelschnitze, die
Pizzastücke von gestern für den Kühlschrank; die Avocado gegen’s
Braunwerden, jedes noch so kleine Stückchen Käse. Sssst, ratsch,
einwickeln. Wieder 400 Quadratzentimeter Plastik mehr in der Tonne und
damit in der Welt.
Eigentlich bin ich ein Fan der Strategie: Für die Rettung der Welt sollten
wir die großen Entscheidungen mit Öko-Bewusstsein fällen und beim Rest
flexibel sein: Kauft Ökostrom, dreht die Heizung runter, fahrt Fahrrad und
Zug statt Auto, fliegt nicht in den Urlaub, [2][esst wenig oder kein
Fleisch], wählt eine Partei, die versucht, Klimaschutz ernst zu nehmen –
und macht ansonsten doch, was ihr wollt. Aber manchmal explodiert in mir
dann doch die Öko-Wut: Braucht jedes Sandwich eine sterile Verpackung? Jede
Kekspackung eine eigene Plastikhülle? Muss jede Gurke ein Kondom
übergezogen bekommen?
Und der Einpackenwahn ist ja überall: Beim Asia-Imbiss verschwindet Tofu
süßsauer in Plastikdose mit Plastikgabel in Plastiktüte, ehe ich „Weniger
Plastikscheiß wäre doch …“ sagen kann. Döner? Wenn man nicht sofort
widerspricht, wickeln die Babos am Grill den Fladen in einen Meter
Aluminiumhaut. Ja genau, Aluminium, dieses Metall, das bei Bergbau und
Herstellung einen Öko-Fußabdruck wie eine Müllverbrennungsanlage hat. Das
man nutzen sollte, [3][um Windräder] und Flugzeuge zu bauen – aber doch
nicht, um „Einmal alles mit scharf“ für eine Minute warmzuhalten.
## Die Folie im Schrank zu lassen, tut nicht weh
Natürlich geht das alles besser und vor allem weniger: Reste im Kühlschrank
in Glas- oder Tupperware, Papierservietten zum Einwickeln (jaja,
Papiertüten haben nicht unbedingt die bessere Ökobilanz), eigene Becher im
Coffeeshop und eigene Behälter mitbringen, wenn Opa unbedingt Ente kross
vom Chinesen haben will. Für all das braucht man keine Nobelpreisträger,
sondern nur ein bisschen Nachdenken und Vorausdenken und dann ein paar
Gewohnheiten ändern. Nicht nur im Urlaub.
Die gute Nachricht: Es tut nicht wirklich weh, die Folie de la Frischhalté
im gleichen Schrank zu lassen, in dem man noch alle seine Tassen hat. Den
Wahnsinn bei den kleinen Dingen zu stoppen. Denn sonst können wir auch bei
den großen Fragen – ganz genau – einpacken.
26 Oct 2025
## LINKS
[1] /Konferenz-soll-Loesungen-finden/!6101836
[2] /Fleischindustrie/!t5009077
[3] /Mehr-Antraege-fuer-Windraeder/!6099141
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Wir retten die Welt
Plastik
Kunststoff
Reden wir darüber
Wir retten die Welt
Plastik
Plastikmüll
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geplantes Verbot des „Veggie-Burgers“: Triumph des Sandkasten-Stalinisten
Eigenverantwortung beim Autokauf, aber nicht beim Veggie-Burger? Wenn
Freiheit nur gilt, solange sie nach Wurst schmeckt, wird’s inkonsequent.
Wenig Ambitionen bei Kunststoffen: Deutschlands Banken im Plastikfieber
Ein neuer Bericht bewertet Geldinstitute hinsichtlich ihrer Rolle in der
Plastikkrise. Die Bilanz ist düster, die Kunststoffindustrie profitiert.
Scheitern der Plastikkonferenz: Eine Katastrophe, die wir noch nicht überblick…
Eine Einigung bei der Plastikkonferenz wäre dringend nötig gewesen. Mit
Recycling ist den immer größer werdenden globalen Plastikbergen nicht
beizukommen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.