| # taz.de -- Union und AfD: Der Hauptgegner, wahrscheinlich | |
| > Die CDU ringt mit ihrem Umgang mit der AfD. Doch auch nach einer | |
| > Klausurtagung der Parteispitze ist eine schlüssige Strategie nicht in | |
| > Sicht. | |
| Bild: Meschede, NRW, 18. Oktober: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht mi… | |
| taz | Ob die CDU-Spitze sich das wirklich so einfach vorgestellt hat? Man | |
| müsse die AfD inhaltlich stellen und endlich wieder gut regieren, dann | |
| kriege man die extrem rechte Partei auch klein, so hatten es Parteichef | |
| Friedrich Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann vor der | |
| Bundestagswahl immer und immer wieder gesagt. Vielleicht wollten sie das | |
| Thema vom Tisch wischen, vielleicht haben sie sich auch an ihrer eigenen | |
| Propaganda berauscht. | |
| Gelungen ist es jedenfalls nicht. Seit fast einem halben Jahr ist Merz nun | |
| Bundeskanzler, und nie stand die AfD bundesweit im Umfragen so gut da wie | |
| jetzt. Mit 25 Prozent plus liegt sie gleichauf mit der Union, manchmal | |
| sogar vorne. Die CDU hat kein Mittel gegen die AfD gefunden, eine | |
| tragfähige Strategie fehlt. Die Nervosität steigt. Und regelmäßig taucht | |
| die Forderung auf, [1][die sogenannte Brandmauer aufzuweichen], meist von | |
| Christdemokrat*innen mit wenig Einfluss in der Bundespartei. | |
| Im kommenden Jahr gibt es fünf Landtagswahlen, zwei davon könnten – nicht | |
| nur für die CDU – dramatisch ausgehen. In Mecklenburg-Vorpommern und | |
| Sachsen-Anhalt liegt die AfD laut Umfragen weit vorn, Infratest dimap hat | |
| ihr in den beiden Ländern zuletzt knapp 40 Prozent attestiert. In | |
| Baden-Württemberg hat sich die AfD gerade in einer Umfrage auf Platz zwei | |
| hinter der CDU und vor die Grünen geschoben. | |
| In Sachsen-Anhalt regiert bislang Christdemokrat Reiner Haseloff mit einer | |
| Koalition aus CDU, SPD und FDP. Haseloff tritt nicht mehr an, die CDU zieht | |
| mit Wirtschaftsminister Sven Schulze in den Wahlkampf, der früher | |
| Europaparlamentarier war und den viele im Land gar nicht kennen. Das macht | |
| für die CDU die ohnehin komplizierte Situation noch schwieriger. | |
| ## „Miesmacher-Rhetorik“ | |
| Das also war die Ausgangslage, als die CDU-Spitze am Wochenende zu einer | |
| Klausur zusammenkam, um über die Landtagswahlen im kommenden Jahr zu | |
| beraten – und damit über den Umgang mit der AfD. [2][Danach verkündete Merz | |
| auf einer Pressekonferenz, dass sich die CDU nun „noch intensiver“ mit der | |
| AfD auseinandersetzen werde, noch klarer machen, wo die AfD steht.] Der | |
| „Miesmacher-Rhetorik“ wolle man ein positives Bild der Bundesrepublik | |
| gegenüberstellen und gut regieren wolle man auch. Viel Bekanntes also, das | |
| bislang nicht sonderlich erfolgreich war. | |
| Zwei neue Punkte aber machte er: Zum einen erklärte er die AfD zum | |
| „Hauptgegner“ der CDU, auch wenn er später ein „wahrscheinlich“ nachsc… | |
| weil dies auch davon abhänge, wie stark die AfD in Umfragen sei. Und Merz | |
| sagte auch: „Von der AfD trennen uns nicht nur Details, es trennen uns | |
| grundsätzliche politische Überzeugungen.“ | |
| Damit widersprach er der Vorstellung, dass die CDU mit der AfD gemeinsam | |
| mehr durchsetzen könne als etwa in einer Koalition mit der SPD, was sich | |
| nach seiner Einschätzung in der öffentlichen Wahrnehmung festsetze. Merz | |
| stellte klar, trotz aller Reibungen in der Koalition: „Nein, das ist nicht | |
| so. Die AfD stellt nicht nur die Politik der letzten zehn Jahre infrage, | |
| die AfD stellt die Grundentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland | |
| infrage, so wie sie seit 1949 getroffen worden und von uns mitgeprägt | |
| worden sind.„Wo bleibt der Unterschied zu AfD-Rhethorik? | |
| Die von der AfD ausgestreckte Hand sei eine, „die uns vernichten will“, so | |
| Merz. Eine Zusammenarbeit mit der Partei sei ausgeschlossen. Über eine | |
| Öffnung in Richtung AfD habe man gar nicht gesprochen, berichteten andere | |
| Präsidiumsteilnehmer*innen. | |
| ## „Brauchen mehr als eine Brandmauer“ | |
| Die werde in dem Spitzengremium von allen abgelehnt. „Wir brauchen mehr als | |
| eine Brandmauer, es ist ein unglücklicher Begriff“, sagte Parteivize Karin | |
| Prien, die auch Bundesbildungsministerin ist, der taz. „Wir verstehen uns | |
| vielmehr als Bollwerk gegen die AfD, die ein anders Deutschland will.“ | |
| Input hatten die Präsidiumsmitglieder von einem Wahlforscher bekommen und | |
| vom Psychologen Stephan Grünewald vom Kölner Rheingold-Institut, das | |
| regelmäßig mit tiefenpsychologischen Interviews die Lage der Deutschen | |
| ergründet. Grünewald beschreibt, wie viele Menschen auf die multiplen | |
| Krisen mit dem Rückzug in eine Art Wagenburg reagierten, dies gelte es auch | |
| durch persönliche Begegnungen aufzubrechen. Die CDU plant nun ein | |
| „Weiße-Flecken-Programm“ mit mehr Präsenz vor Ort und persönlichen | |
| Begegnungen, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann. | |
| Wirklich neu, so fasste Merz am Ende zusammen, sei im Umgang mit der AfD | |
| „gar nichts. Unsere Haltung bleibt die gleiche.“ Doch worin besteht diese | |
| bislang überhaupt, und wie wird sie umgesetzt? | |
| Der CDU-Chef schließt seit Langem nachdrücklich eine Zusammenarbeit mit der | |
| AfD aus, auch gibt es einen Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 2018, der | |
| „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ sowohl mit der AfD | |
| [3][als auch mit der Linkspartei] untersagt. Aber sonst senden Merz und Co | |
| sehr unterschiedliche Signale. | |
| ## Wo bleibt der Unterschied zu AfD-Rhetorik? | |
| Mal bringt Merz, damals noch als Oppositionsführer, einen Antrag für eine | |
| schärfere Migrationspolitik durch den Bundestag, wohl wissend, dass er | |
| dafür die Stimmen der AfD braucht. Mal kritisiert Linnemann im Wahlkampf | |
| das „Nazi-Bashing“ gegen die AfD. Fraktionschef Jens Spahn empfiehlt mit | |
| Bezug auf parlamentarische Abläufe und Verfahren, mit der Partei so | |
| umzugehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. | |
| Und dann ist da noch die Rhetorik, in der sich manche Christdemokraten kaum | |
| noch von der AfD unterscheiden, wohl auch in dem fälschlichen Glauben, so | |
| könnte man verloren gegangene CDU-Wähler*innen zurückgewinnen. [4][Merz | |
| selbst hat gerade wieder für Aufregung gesorgt, weil er von „Veränderungen | |
| im Stadtbild“ sprach, die man mit Abschiebungen erreichen wolle.] Selbst | |
| die FAZ hatte ihm daraufhin einen „fremdenfeindlichen Unterton“ attestiert, | |
| am Sonntag protestierten in Berlin einige tausend Menschen. | |
| Merz betonte am Montag, er habe nichts zurückzunehmen. Wer an seinen | |
| Aussagen zweifele, solle doch einmal seine Töchter befragen. Das | |
| suggeriert, dass Mädchen sich grundsätzlich von zugewanderten Männern | |
| bedroht fühlen. Karin Prien, die liberale Parteivizechefin, aber verteidigt | |
| ihn: „Über die Wortwahl kann man diskutieren, aber die Kritik ist | |
| vollkommen drüber“, sagte sie der taz. | |
| Doch auf die Wortwahl kommt es eben manchmal an. Das gilt besonders, wenn | |
| man einen Unterschied zwischen CDU und AfD machen will. | |
| 20 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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