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# taz.de -- Alternativer Nobelpreis: Hoffnung in der Polykrise
> Die Right Livelihood Awards 2025 würdigen Erfolge für Klimagerechtigkeit,
> Demokratie und humanitäre Hilfe im Sudan, Taiwan, Myanmar und Ozeanien.
Bild: Erfolgreich im Kampf für Klimagerechtigkeit: Studierende von der Gruppe …
Lebenswichtige Notfallzentren im Sudan, ein Kollektiv im Kampf gegen
Myanmars Mililtärjunta, Klimagerechtigkeits-Aktivisten aus Ozeanien und die
ehemalige Digitalministerin von Taiwan: Seit heute haben sie etwas
gemeinsam – sie erhalten für ihre Arbeit den Right Livelihood Award 2025.
Das gab die Stiftung am Mittwochmorgen in Stockholm bekannt.
Seit 1980 verleiht „Right Livelihood“ seine als „Alternativer Nobelpreis�…
bekannte Auszeichnung an Menschen, die mit ihrem Engagement für soziale
Gerechtigkeit und Umweltschutz die Welt voranbringen. Es gibt Gründe, am
Zustand der Welt zu verzweifeln. Von einer „massiven Polykrise“ spricht
auch Right-Livelihood-Direktor Ole von Uexküll. Wenn aber jemand
gleichzeitig überall Gründe für Hoffnung und Optimismus sieht, dann er.
Bei allen Nominierungen werde deutlich, dass überall auf der Welt massiv
und erfolgreich daran gearbeitet werde, Solidarität, Gerechtigkeit,
Demokratie, Umwelt und Menschenrechte zu stärken, so von Uexküll. „Es war
wieder sehr ermutigend, das zu sehen“. Alle diesjährigen Preisträger kämen
aus Ländern, in die das erste Mal ein Right Livelihood Award geht. Vier
Premieren also, für eine bessere Welt.
## Antworten in Krisenzeiten
Allen Ausgezeichneten gemein sei, dass sie mit verschiedenen Aspekten der
aktuellen Polykrise konfrontiert seien. „Ihre Antwort ist, bessere Systeme
zu erschaffen, unter sehr, sehr schwierigen Bedingungen“, so von Uexküll.
Das sei ein erneuter Beweis dafür, dass Menschen in Krisenzeiten wüchsen
und dass Krisen die menschliche Fähigkeit zum Miteinander stärkten.
Die Preisträger 2025 sind: Emergency Response Rooms (ERR) aus dem Sudan,
Pacific Islands Students Fighting Climate Change (PISFCC) aus dem
Inselstaat Vanuatu und der Anwalt Julian Aguon von der westpazifischen
Insel Guam im Micronesien, und Audrey Tang aus Taiwan.
Emergency Response Rooms (ERR), Sudan
Seit dem Frühling 2023 bekämpfen sich Sudans Armee SAF und der
paramilitärische RSF. Das hat zu einer der derzeit größten humanitären
Katastrophen der Welt geführt: Millionen sind auf der Flucht, staatliche
Strukturen erodiert. Right Livelihood sieht Hoffnung und ein gemeingültiges
Vorbild darin, wie sich die Bevölkerung in der Not selbst hilft: Dezentral
organisierte Notfallzentren kümmern sich um die grundlegenden Bedürfnisse
der Gesellschaft. Diese Emergency Response Rooms (ERR) entstanden aus den
lokalen Widerstandskomitees der sudanesischen Demokratiebewegung von
2018/19. Die taz hat [1][darüber berichtet].
Die Emergency Response Rooms stellen unter eigentlich unmöglichen
Bedingungen medizinische Versorgung bereit, verteilen Lebensmittel,
betreuen Kinder und leisten psychosoziale Unterstützung für Opfer von
Gewalttaten. „Diese Arbeit erreicht Millionen Menschen und steht für ein
Modell dekolonialisierter humanitärer Hilfe, das Würde und Gestaltungsmacht
wieder in die Hände lokaler Gemeinschaften legt“, so begründet Right
Livelihood die Auszeichnung. Die gilt allen rund 10.000 Freiwilligen, die
sich trotz der damit verbundenen Gefahren in einem der Zentren engagieren.
Mitglieder wurden bereits verhaftet, gefoltert und getötet. Doch ihr Modell
habe sich als widerstandsfähig, effizient und für die Bevölkerung als
vertrauenswürdig erwiesen, heißt es in der Würdigung.
Pacific Islands Students Fighting Climate Change (PISFCC), Vanuatu, und
Anwalt Julian Aguon, Guam
Erfolg in höchster Instanz: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag kam
dieses Jahr [2][in einem Gutachten zu dem Schluss], dass alle Staaten zum
Klimaschutz verpflichtet sind. Daraus folgerte er, dass sie bei
Verfehlungen das Völkerrecht verletzen und unter Umständen Staaten
entschädigen müssen, die von der Klimakrise besonders betroffen sind.
„Diese Entscheidung gilt als Meilenstein des Völkerrechts und eröffnet
weltweit neue Wege für Klimagerechtigkeit“, schreibt Right Livelihood zur
Begründung seiner Auszeichnung der „Pacific Islands Students Fighting
Climate Change“, kurz: PISFCC.
Denn dass sich der IGH überhaupt mit diesen Fragen befasste, ist das
Verdienst dieser Gruppe von ursprünglich 27 Jura-Studierenden der
University of the South Pacific in Vanuatu. In einer mehrjährigen Kampagne
brachten sie ab 2019 zunächst die eigenen Politiker auf ihre Seite, dann
immer mehr Länder und schließlich die UN-Vollversammlung – die dann den
Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit dem Gutachten beauftragte.
Welche zerstörerischen Folgen die Klimakrise schon längst für ihre Heimat
hat, [3][erzählte einer von ihnen der taz].
Den Preis teilt PISFCC sich mit dem Juristen und Autor Julian Aguon aus
Guam. Dessen Rechtsteam habe den Fall entscheidend vorangebracht. „Die
partnerschaftliche Zusammenarbeit von Jugendbewegung und juristischem
Ansatz zeigt, wie kollektives Handeln Systeme verändern kann“, so die
Begründung.
Justice for Myanmar (JFM), Myanmar
Sie folgten dem Geld – und wiesen mit ihren Untersuchungen nach, wie die
Militärjunta von Myanmar von internationalen Unternehmen und Regierungen
finanziell unterstützt wird. Die Gruppe Justice for Myanmar (JFM) erhält
den Alternativen Nobelpreis „für ihren Mut und ihre bahnbrechenden
Recherchen“. Um sich selbst zu schützen, bleiben die JFM-Mitglieder anonym.
Das ändere nichts an ihrem Erfolg, so Right Livelihood: Ihre Arbeit
beweise, dass die Wahrheit die Grundfesten von Macht erschüttern könne,
auch wenn sie anonym ausgesprochen werde. „Und das ist nicht nur
idealistische, sondern eine zutiefst stragegische Arbeit“, betont
Right-Livelihood-Direktor von Uexküll.
Auch eine Militärdiktatur wie die von Myanmar sei vor allem „Big Business“.
Um das Militär zu schwächen, sei von zentraler Bedeutung, dessen
Geschäftemacherei zu unterbinden. Die Recherchen von JFM hatten in mehreren
Ländern strafrechtliche Ermittlungen zur Folge. „Trotz der für sie
bedrohlichen Lage in Myanmar veröffentlicht JFM weiter bahnbrechende
Recherchen“, heißt es in der offiziellen Begründung. Die Gruppe setze sich
unermüdlich dafür ein, das Militär und dessen Machtzirkel zu zerschlagen.
Audrey Tang, Taiwan
Tang war von 2016 bis 2024 Digitalministerin ihrer Heimat Taiwan, ist
AI-Versteherin und entwickelte digitale Methoden zur demokratischen
Partizipation. Sie erhält den Right Livelihood Award „für den visionären
Einsatz digitaler Technologien zur Stärkung der Demokratie, Einbindung der
Zivilgesellschaft und Überwindung gesellschaftlicher Spaltung“. [4][Hier]
ein ausführliches Porträt über die digitale Überfliegerin.
Tang erinnere mit ihrer Arbeit daran, dass die Intelligenz nicht in der
Maschine sitze, sondern darin, wie die Gesellschaft sie nutze, sagte
Right-Livelihood-Direktor von Uexküll. Wir hätten fast schon akzeptiert,
dass Algorithmen von kommerziellen Akteuren zur Polarisierung von
Gesellschaften beitrügen. Tang aber habe Methoden entwickelt, mit denen
moderne Technologien im Gegenteil die Menschen verbinden könnten.
Inzwischen berät die vormalige Ministerin weltweit Regierungen und Gruppen
aus der Zivilgesellschaft zu ihren Konzepten. Derzeit ist sie Fellow am
Institute for Ethics in AI an der Universtität von Oxford. Ihre Arbeit sei
eine Erinnerung daran, dass es an uns als Gesellschaften ist zu
entscheiden, wie wir die Technologien nutzen wollen, und dass sie zum
Vorteil der Demokratie genutzt werden könnten, sagte von Uexküll. Das sei
eine weitere hoffnungsvolle Botschaft. [5][Die taz interviewte Tang] im
Jahr 2020, als sie noch Ministerin war.
1 Oct 2025
## LINKS
[1] /Sechs-Monate-Krieg-in-Sudan/!5963642
[2] /Internationaler-Gerichtshof/!6103474
[3] /Klimakrise-bedroht-Lebensraeume/!5921355
[4] /Alternativer-Nobelpreis/!6117215
[5] /Trans-Ministerin-ueber-Taiwan/!5651745
## AUTOREN
Anne Diekhoff
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