| # taz.de -- Kampf um neue Ressource: Bewirtschaftet eure Aufmerksamkeit doch li… | |
| > Wie bricht man das Monopol der Trump-Broligarchen auf? Die Antworten sind | |
| > komplex, aber müssen dringend schnell gefunden werden. | |
| Bild: Volle Konzentration auf das Handy | |
| Haben Sie den Eindruck, dass Sie selbst steuern, wofür Sie sich | |
| interessieren? Haben Sie diesen Eindruck auch von Ihren Mitmenschen? Einige | |
| der interessantesten Texte, die ich zuletzt gelesen habe, handelten von | |
| Aufmerksamkeit. Vielleicht fand ich sie auch nur interessant, weil | |
| Aufmerksamkeit gerade ein Thema der Stunde ist, es meine Aufmerksamkeit | |
| also schon gebunden hat – wenn ich nicht gerade auf Social Media | |
| herumscrolle und mich frage, ob all die Hass- und Hohn-Schleudern dort | |
| überhaupt echte Menschen sind oder programmiert. | |
| „Brainrot“, also Gehirnfäule durch Social-Media-Konsum, dürfte bald | |
| Gegenstand ökonomischer Forschung sein, und zwar unter dem Stichwort | |
| Diebstahl, [1][schrieb der Economist kürzlich]. Aufmerksamkeit werde in der | |
| Wissenschaft zunehmend wie eine wirtschaftliche Ressource behandelt – neben | |
| den Klassikern Land, Arbeit und Kapital. Höchste Zeit, möchte man meinen, | |
| machen doch die teuersten Unternehmen der Welt [2][ihren Profit mit unserer | |
| Aufmerksamkeit]. „Attention is the new money“, [3][schreibt auch | |
| New-York-Times Kolumnist Ezra Klein]. Elon Musk sei der reichste Mann der | |
| Welt nicht wegen der Menge seines Geldes, sondern wegen der Mengen an | |
| Aufmerksamkeit, die er mit seiner Plattform X steuere. | |
| Aber, so der schlaue Economist wieder, dann lasst uns doch bitte unter | |
| Eigentumsgesichtspunkten auch darüber reden, wie wir unsere Konzentration | |
| gegen die Social-Media-Plattformen verteidigen. Denn die Umstände seien | |
| widrig: „Die Umgebung ist feindlich.“ | |
| ## Niemand ist gezwungen diese Plattformen zu nutzen | |
| Vor ziemlich genau 40 Jahren schrieb Neil Postman in „Wir amüsieren uns zu | |
| Tode“, das Fernsehen lenke unsere Aufmerksamkeit auf Belanglosigkeiten. Mit | |
| Bitte um Verzeihung für die sehr grobe Zusammenfassung: Der ganze große | |
| Unterhaltungsquatsch im Privatfernsehen, erklärte Postman, zerstöre die | |
| Chancen auf Bildung, Aufklärung und damit die Idee des vernünftigen, | |
| demokratischen Staatswesens. Das würde heute niemand mehr so sagen – nicht | |
| etwa, weil die These widerlegt ist, sondern weil das Privatfernsehen neben | |
| den US-Netzgiganten inzwischen so niedlich wirkt. | |
| Wie stark uns das zusätzlich sorgen sollte, seitdem die Plattform-Inhaber | |
| sich mit Donald Trump verbrüdert haben und keinen Hehl daraus machen, dass | |
| der europäische Humanismuskram ihnen sonst wo vorbeigeht, trägt [4][der] | |
| [5][Kölner Medienwissenschaftler Martin Andree] [6][engagiert vor]. Um auch | |
| nur in die Nähe einer Chance zu kommen, die zerstörerischen Wutmaschinen im | |
| Netz zu regulieren, brauche Europa mehr als den Digital Services Act, meint | |
| Andree – dafür brauche es europäische Souveränität. Aber, so [7][erklärte | |
| er im Schweizer Radio]: „Die EU wird natürlich massiv erpresst von Donald | |
| Trump.“ | |
| Die EU sei auf Trumps Unterstützung im Ukrainekrieg angewiesen und könne | |
| auch keine weiteren Zölle mehr gebrauchen. So „ist natürlich schon längst | |
| eine Situation entstanden, wo militärische Bedrohung und auch eine | |
| wirtschaftliche Bedrohung“ damit verknüpft würden, sagt Andree, „dass die… | |
| Plattformen nicht angetastet werden dürfen, und das sind Plattformen, die | |
| den rechtsradikalen Diskurs in Europa schieben“. | |
| Nun ist niemand gezwungen, diese Plattformen zu nutzen, mögen Sie | |
| einwenden. (Wenn Sie taz lesen, [8][wissen Sie von den Alternativen].) Aber | |
| erstens handelt es sich für viele – besonders Jüngere – eben doch um eine | |
| Art Zwang. Und zweitens sollte sich angesichts eines 80- oder | |
| 95-prozentigen De-facto-Monopols der Trump-Broligarchen niemand im | |
| Besserwissen suhlen, sondern eher überlegen, wie man die Monopole | |
| aufbricht. | |
| Es klingt nur eben schwer danach, als müssten wir lernen, unsere | |
| Aufmerksamkeit als Konzentrations-KleinunternehmerInnen selbst zu | |
| bewirtschaften. Sonst tun es eben andere. | |
| 18 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.economist.com/finance-and-economics/2025/09/11/can-you-make-it-… | |
| [2] /Signal-Chefin-ueber-Datenschutz/!6116245 | |
| [3] https://www.nytimes.com/2025/01/26/opinion/trump-musk-zuckerberg-attention.… | |
| [4] /Buch-Krieg-der-Medien/!6106321 | |
| [5] /Buch-Krieg-der-Medien/!6106321 | |
| [6] /Buch-Krieg-der-Medien/!6106321 | |
| [7] https://www.srf.ch/news/international/youtube-google-co-die-gesellschaft-wi… | |
| [8] /Social-Media/!6072255 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
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